Warum fördert Schlafapnoe die Entstehung eines Typ 2 Diabetes?

28. Juni 2019
AdobeStock_129621401-1200x800.jpeg

Viele Symptome der Schlafapnoe sind auch ohne größeren medizinischen Sachverstand logisch nachvollziehbar. Beispielsweise erschließt sich den Betroffenen der Zusammenhang zwischen den nächtlichen Atemaussetzern und ihrer Tagesmüdigkeit sofort. Schließlich zerstören die Atempausen die Schlafarchitektur. Der Schlaf wird also fragmentiert und ist damit nicht mehr effizient. Der Erholungseffekt des Schlafs ist also stark reduziert. Bildlich gesprochen wird in der Nacht der Akku nicht mehr richtig aufgeladen. Es ist folglich eine logische Konsequenz, dass Schlafapnoe Betroffene tagsüber unter überdurchschnittlicher Müdigkeit leiden.

Nicht jedes Symptom der Schlafapnoe ist jedoch für Nichtmediziner nachvollziehbar. Warum soll eine Schlafapnoe zu einem Typ 2 Diabetes führen? Wie sind die Zusammenhänge zwischen nächtlichen Atemstillständen und der im Volksmund genannten Zuckerkrankheit? Was auf den ersten Blick ohne Zusammenhang erscheint, erklärt sich, wenn man sich vor Augen führt, dass die Atemstillstände vom Körper durch permanente Aufweckreaktionen (sog. Arousals) beendet werden müssen. Ohne diese ständigen Weckreaktionen, die akustisch durch explosionsartige Schnarchgeräusche wahrnehmbar sind, würde der Apnoiker schlichtweg ersticken. Die Arousals stellen nichts anderes dar als Alarmreaktionen des Organismus, welche durch die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Kortisol angetriggert werden. Diese teilweise mehrere hundertmal pro Nacht auftretenden Ereignisse setzen den Körper unter einen enormen Stress, was wiederrum zu einer sogenannten Insulinresistenz führen kann.

Das lebensnotwendige Hormon Insulin sorgt dafür, dass Traubenzucker (Glukose) als wichtigste Energiequelle schnell in den Körperzellen verteilt wird. Es sorgt zusätzlich auch dafür, dass insbesondere nach den Mahlzeiten der Blutzuckerspiegel nicht zu hoch ansteigt. Das Insulin wird dabei in der Bauchspeicheldrüse gebildet und ist das einzige Hormon, das den Blutzuckerspiegel senkt.

Fehlt Insulin völlig, wie beispielsweise beim Verlust der Bauchspeicheldrüse, kann daher nur das Spritzen von Insulin das Überleben sichern, indem es die Aufnahme des Blutzuckers in die Zellen ermöglicht und dadurch die erhöhten Blutzuckerspiegel normalisiert.

Um die lebensnotwendigen Zellfunktionen und die Energieversorgung des Gehirns sicherzustellen, muss jedoch auch im nüchternen Zustand und bei längerem Fasten eine Mindestmenge an Glukose im Blut vorhanden sein. Hierzu gibt es eine Vielzahl von Hormonen, die quasi als „Gegenspieler“ des Insulins wirken und beim Anstieg des Blutzuckerspiegels helfen, um so eine gefährliche Unterzuckerung zu vermeiden.

Zu den wichtigsten hormonellen Gegenspielern des Insulins zählen die beiden Stresshormone Adrenalin und Kortisol, die beim Schlafapnoiker wie beschrieben die überlebenswichtigen Weckreaktionen auslösen. Beide Stresshormone werden in den Nebennieren gebildet und wirken blutzuckersteigernd. Sie fördern die Umwandlung von Speicherzucker aus der Leber in Glukose und hemmen gleichzeitig die Insulinfreisetzung. Genau diese vermehrte Ausschüttung der Stresshormone Adrenalin und Kortisol infolge der nächtlichen Atemaussetzer schwächt die Wirksamkeit von Insulin in den Zellen. Mittel- bis langfristig ist häufig eine Insulinresistenz die Folge, welche als Hauptursache von Typ 2 Diabetes gilt. So wird die geringe Insulinempfindlichkeit beim schwergradigen Schlafapnoesyndrom verständlich. Daher kann es nicht verwundern, dass etwa 50% der Schlafapnoiker gleichzeitig auch unter einem schwer einstellbaren Diabetes mellitus Typ 2 leiden. Ein zu hoher Blutzuckerspiegel verursacht Durstgefühle und führt zu Mundtrockenheit. Die hierdurch bedingte zusätzliche Flüssigkeitsaufnahme sorgt nachts für häufigen Harndrang, was wiederrum zu weiteren Unterbrechungen des Schlafs führt.

Die häufigen nächtlichen Atemstillstände, die die Schlafapnoe kennzeichnen, können einen bereits bestehenden Diabetes Typ 2 noch verschlimmern. Der Weg von der Schlafapnoe zur Zuckerkrankheit ist dabei keine Einbahnstraße. Es ist offensichtlich, dass sich beide Krankheiten wechselseitig negativ beeinflussen. Die obstruktive Schlafapnoe erhöht das Diabetesrisiko, während Diabetes das Krankheitsbild der Schlafapnoe weiter verschlechtert. Die Folge ist ein lebensgefährlicher Teufelskreis, da das Risiko für Herz- und Kreislauferkrankungen dramatisch ansteigt, wenn ein Patient an beiden Krankheiten gleichzeitig leidet. Kardiovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfälle und Herzinfarkte sind oft auf die verhängnisvolle Kombination der beiden Krankheiten zurückzuführen.

Klinische Studien belegen, dass vermeintlich „normales“, dauerhaftes Schnarchen mit gelegentlichen Atemaussetzern über einen Zeitraum von zehn Jahren bereits zu einer Verdoppelung des Diabetes Typ 2 Risikos führt. Dies sogar unabhängig davon, ob der Schnarchende an Übergewicht leidet oder nicht.

Die Häufigkeit der Atemaussetzer und das Ausmaß der nächtlichen Sauerstoffentsättigung sind also für die Entstehung von Diabetes Typ 2 entscheidend. Darüber hinaus spielen ständige Tagesmüdigkeit aufgrund eines nicht effizienten Schlafs und permanenter Schlafmangel bei der Entstehung dieser Krankheit eine wichtige Rolle.

Eine befriedigende Korrektur der Zuckerstoffwechselstörung ist somit nur bei gleichzeitiger effektiver Therapie des Schlafapnoesyndroms zu erwarten. Da die obstruktive Schlafapnoe seit über 20 Jahren durch eine schmerzarme Operationsmethode heilbar ist, sollten präventive Maßnahmen im Vorfeld eingeleitet werden, um die lebensbedrohlichen Folgen der beiden Krankheiten abzuwenden.