Warum ist der Mittagsschlaf gut für die Gesundheit?

28. Oktober 2019
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Fast jedem dürfte dieses Phänomen nur allzu gut bekannt sein: Das Leistungstief mit ausgeprägter Schläfrigkeit kurz nach der Mittagspause. Die Spanier halten dann traditionell ihre Siesta und die Japaner ihr Inemuri. Der Rest der Welt dürfte wohl eher von einem kleinen Mittagsschlaf nur träumen können – meist quält man sich stattdessen nach dem Mittagessen durch unproduktive Besprechungen und versucht sich mit zu viel Koffein wach zu halten. Was bringt also ein kurzes Büro-Nickerchen unter gesundheitlichen Aspekten?

Warum wir mittags müde werden?

Zunächst stellt sich die Frage, ob das sogenannte „Suppenkoma“ nur die Folge eines allzu üppigen Mittagsessens ist. Tatsächlich wird die Müdigkeit zur Mittagszeit durch die Mahlzeit verstärkt. Der Grund liegt darin, dass der Körper viel Energie für die Verdauung aufwenden muss. Diese Energie fehlt dann wiederum für die geistige Fitness. Der Hauptgrund für die Mittagsschläfrigkeit liegt jedoch in unserer Chronobiologie. Unsere „innere Uhr“, auch zirkadianer Rhythmus genannt, regelt unser Wachsein und unsere Müdigkeit. Das wichtigste Schlaffenster erreicht seinen Höhepunkt zwischen 2 und 3 Uhr nachts, wenn gesteigerter Schlaftrieb und erhöhtes Schlafbedürfnis zusammenfallen. Aus genau diesem Grund befinden sich die meisten Menschen in dieser Zeit in ihrer Tiefschlafphase. Ziemlich genau 12 Stunden später, also zwischen 14 und 15 Uhr, wiederholt sich dieses interessante Phänomen: Unser Schlafdruck wird erwartungsgemäß kontinuierlich größer und gleichzeitig erzeugt unser zirkadianer Rhythmus einen verstärkten Schlafdrang. Somit eröffnet sich mitten am Tag ein zweites Schlaffenster, die Zeit für einen kurzen Powernap am frühen Nachmittag.

Was bringt der Kurzschlaf nach der Mittagspause?

Es ist überaus gesund dem natürlichen Schlafbedürfnis nach dem Mittagessen nachzugehen und sich nicht mit Kaffeekonsum dem inneren Schlafdruck zu widersetzen. Im Folgenden werden die 5 Hauptvorteile des nachmittäglichen Minischlafs aufgeführt:

Die Folgen für unser Herz-Kreislauf-System sind überaus positiv. Eine in 2007 veröffentlichte klinische Studie der Athener Universität konnte systematisch beweisen, dass der Kurzschlaf nach Mittag positiv für die Herzgesundheit ist. Analysiert wurden die Daten von insgesamt 23.681 Probanden über einen Zeitraum von im Durchschnitt etwas mehr als 6 Jahren. Im Ergebnis zeigten die Studienteilnehmer, die gelegentlich ein Nickerchen machten eine durchschnittlich um 12% reduzierte Koronarsterblichkeit. Die Teilnehmer, die regelmäßig täglich eine halbe Stunde ausruhten, konnten ihr Herzinfarktrisiko im Durchschnitt sogar um 37% verringern.

Das Kraftnickerchen nach Mittag steigert die Gedächtnisleistung. Die NASA untersuchte in einer Studie dessen Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit von Piloten bei Langstreckenflügen. In der Studie heißt es: „Kurzer Schlaf kann die Performance, die physiologische und subjektive Wachheit und Stimmung verbessern.“ Darüber hinaus vermerkt der Autor der Studie, dass ein durchschnittlich 26minütiger Powernap die Performance der Piloten um 34 und die Aufmerksamkeit um 54 Prozent erhöht.

Der Mini-Schlaf nach Mittag verhindert Lernstress. Experimente der Harvard University und des National Institute of Mental Health (NIMH) zeigten, dass ein kurzes Nickerchen die Informationsverarbeitung des Gehirns und gleichzeitig Lernprozesse verbessert. Der Powernap ist folglich geeignet um eine Informationsflut umzukehren. Die Probanden mussten insgesamt vier Übungseinheiten mit diversen Sehtests absolvieren. Im Verlauf der vier Übungseinheiten verschlechterten sich die Testergebnisse immer weiter. Gewährte man den Probanden jedoch nach der zweiten Einheit einen maximal 30minütigen Kurzschlaf, kam es zu keiner weiteren Verschlechterung der Ergebnisse.

Der Energieschlaf nach Mittag fördert die Kreativität. Dies konnte wissenschaftlich bewiesen werden. Mittels Gehirnscans wurde es möglich zu dokumentieren, dass die rechte Gehirnhälfte nach einem Nap besonders aktiv ist. Im Vergleich zu den Nicht-Mittagsschläfern zeigten sich hier sehr deutliche Unterschiede. Die rechte Hälfte unseres Denkorgans ist dabei unter anderem für kreatives Denken, Intuition, Gefühl, Spontaneität sowie Körper- und Bildersprache verantwortlich.

Das Nickerchen am Mittag senkt den Blutdruck. Dies konnten Ärzte des General Hospital Asklepieio im griechischen Voula beweisen. Sie führten Anfang 2019 eine klinische Studie durch, in die sie insgesamt 212 Patienten mit leicht erhöhtem Blutdruck einschlossen. Die Studienteilnehmer waren im Schnitt 62 Jahre alt und deren durchschnittlicher Blutdruck lag bei 130 zu 77 mmHg. Die Wissenschaftler dokumentierten, dass bei den Patienten, die regelmäßig mittags schliefen, deutlich niedrigere Blutdruckwerte gemessen werden konnten, als bei den Studienteilnehmern, die keinen Mittagsschlaf hielten. Im Durchschnitt senkte der tägliche Powernap den Blutdruck um immerhin 5 mmHg. Damit verursacht das Schläfchen einen ähnlich starken Blutdruckabfall wie andere Lebensstilveränderungen, etwa der Verzicht auf Alkohol oder eine salzarme Ernährung. Eine Blutdrucksenkung von lediglich 2 mmHg wird in kardiologischen Fachkreisen bereits als relevant bezeichnet, da sie das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse wie Schlaganfall oder Herzinfarkt um bis zu 10% absenken kann.

Was gilt es beim Minischlaf am Mittag zu beachten?

Die mit Abstand wichtigste Regel ist, nicht zu lange zu schlafen. Die Schlafdauer von 20 bis maximal 30 Minuten gilt als optimal, um die genannten Vorteile zu erreichen. Bei dieser Schlafdauer befindet sich der Ruhesuchende ausschließlich in der Leichtschlafphase. Schläft man hingegen länger, besteht die Gefahr in die Tiefschlafphase abzudriften. Dies hätte dann den schwerwiegenden Nachteil, dass es nach dem Nap zu lange dauert, um wieder auf die volle körperliche und geistige Leistungsfähigkeit zu kommen. Nicht routinierte Mittagsschläfer sollten sich daher tatsächlich nach 20 bis 30 Minuten den Wecker stellen, um nicht zu lange zu schlafen. Die individuell perfekte Kurzschlafdauer lässt sich durch folgende Herangehensweise ermitteln: Der Erholungssuchende setzt sich bequem in seinen Bürosessel, nimmt einen Schlüsselbund in die Hand und schließt die Augen. Sobald er einnickt, wird sich die Muskulatur der Hand entspannen und der Schlüsselbund zu Boden fallen. Vom Geräusch des Aufpralls wird der Powernap dann automatisch beendet. Durch diese sehr einfache Vorgehensweise bekommt man exakt die Schlafmenge, die notwendig ist, um das Leistungstief am Mittag zu überwinden. Ein perfekter Wecker ist auch eine Tasse Kaffee, die vor dem Schläfchen getrunken wird. Das im Kaffee enthaltene Koffein wirkt nämlich erst nach circa 30 Minuten. Es stört also nicht beim Einschlafen, macht aber rechtzeitig wach. Vergleichsweise unbedeutend ist, wo das Powernapping stattfindet. Letztlich kann fast jeder Ort genutzt werden, um kurz zur Ruhe zu kommen: Egal ob im Bürostuhl, auf der Couch, im geparkten Auto, auf der Parkbank, einer weichen Wiese, im Konferenzraum oder gar in der S-Bahn – entscheidend ist, dass der Körper kurz Zeit bekommt, um regenerieren zu können. Man sollte sich nicht ins Bett legen. Es ist auch nicht notwendig den Schlafraum abzudunkeln. Schließlich geht es nur darum den Körper kurz zur Ruhe kommen zu lassen, um neue Energie zu tanken.

Die kurze Schlafpause nach Mittag mag im deutschsprachigen Raum vielleicht kein gutes Image haben, dennoch ist sie überaus effizient. Insgesamt betrachtet sparen die Kurzschläfer nämlich Zeit, da sie nach dem Nickerchen umso performanter, konzentrierter und mit geringerer Fehlerquote ihr Tagwerk verrichten können. Es ist folglich nicht nur widernatürlich sich dem Schlafdrang nach dem Mittagessen zu widersetzen, vielmehr ist es schlichtweg ein Irrglaube anzunehmen, man könne durch den Verzicht auf den Kurzschlaf insgesamt Zeit einsparen. Wer seiner Gesundheit etwas Gutes tun möchte, der sollte auf seinen Körper hören, und auf das berüchtigte Mittagstief mit einem kurzen Kraftnickerchen antworten.