Wann ist Schnarchen gefährlich?

28. November 2019
Visualisierung-snorelab-Klein.png

In Deutschland schnarcht etwa die Hälfte der erwachsenen Bevölkerung. Bei den über Sechzigjährigen sind sogar etwa zwei Drittel betroffen. Männer schnarchen mehr als Frauen und Übergewichtige viel häufiger und lauter als normalgewichtige Menschen. Die nächtliche Lärmbelästigung entsteht fast immer durch eine Einengung (Obstruktion) der oberen Atemwege. Beim Schlafen ist der Mund- und Rachenraum enger als im Wachzustand, da sich die Atemmuskulatur im Schlaf entspannt. Die Muskulatur der Zunge erschlafft und der hintere Teil der Zunge, der sogenannte Zungengrund, sinkt infolge der Schwerkraft nach hinten in den Rachen. Der Zungengrund verengt dann die Atemwege und der Atemluftstrom wird entsprechend beschleunigt. Die gesteigerte Strömungsgeschwindigkeit führt dann dazu, dass sich Gaumensegel und Zäpfchen wie ein Segel im Wind hin- und herbewegen und entsprechende Vibrationsgeräusche verursachen. Ein röchelndes, pfeifendes oder rasselndes Geräusch entsteht – das allseits bekannte Schnarchen.

Es stellt sich die Frage, ob der nächtliche Lärm beim Verursacher zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder gar zu Schädigungen führen kann. Die Antwort ist überaus komplex und lässt sich nicht in einem Satz beantworten. Wie so häufig kommt es darauf an: Gelegentliches, gleichmäßiges und leises Schnarchen ist normalerweise gesundheitlich unbedenklich. In diesem Fall wird durch das nächtliche Sägen schlimmstenfalls der Schlaf des Bettnachbarn gestört. Eine Gefahr für den Schnarchenden besteht hingegen nicht, da die Beeinträchtigung des nächtlichen Atemflusses meist sehr gering ist. Diese Form des Schnarchens wird als kompensiertes Schnarchen bezeichnet. Es stellt tatsächlich nur eine harmlose Geräuschbelästigung dar und ist in dieser geringen Ausprägung ohne Krankheitswert.

Völlig anders verhält es sich, wenn das Schnarchen sehr laut und unregelmäßig ist. Dieses sogenannte obstruktive Schnarchen stellt einen unabhängigen Risikofaktor für den ischämischen Schlaganfall dar. Eine im Jahr 2017 veröffentlichte amerikanische Studie zeigte, dass Menschen, die laut schnarchen, mit deutlich größerer Wahrscheinlichkeit eine gefährliche Atherosklerose entwickeln. Die Atherosklerose ist ein chronisch entzündlicher Prozess, der die krankhafte Einlagerung von Plaque (herdförmige Gewebeveränderungen) in die innere Wandschicht der arteriellen Blutgefäße beschreibt. Die atherosklerotischen Plaques können dabei die Blutgefäße derart verengen, dass dies zu einer Minderversorgung der betroffenen Organe mit Sauerstoff führt. Als häufigste Todesursache gilt die Zivilisationskrankheit deshalb, weil die atherosklerotischen Plaques einreißen können, woraus Blutgerinnsel entstehen, die das jeweilige Blutgefäß vollständig verschließen können. Medizinische Notfälle wie Herzinfarkt und Schlaganfall sind dann die Folge. In der klinischen Studie nutzten die Wissenschaftler die Magnetresonanztomographie (MRT), um den Zusammenhang zwischen dem Schnarchen und sogenannten Hochrisiko-Plaquemerkmalen, die vor einem Schlaganfall warnen können, zu untersuchen. Von den insgesamt 133 im MRT untersuchten Probanden füllten 61 Studienteilnehmer einen Fragebogen aus, in dem sie unter anderem Angaben zu ihrem Schnarchverhalten machten. Die radiologische Untersuchung konnte beweisen, dass die Wahrscheinlichkeit von Plaquemerkmalen mit hohem Risiko (z.B. die sogenannte fibröse Kappe) bei Schnarchern mehr als viermal höher war, als bei den Nicht-Schnarchern. Die Forscher führen dies auf den biomechanischen Stress zurück, der durch das Schnarchen verursacht wird. Die vom Schnarchen ausgehenden Vibrationen können ernsthafte Schäden der Halsarterien nach sich ziehen. Die Vibrationsenergie bedeutet eine mechanische Beanspruchung des Gefäßsystems, was die Wahrscheinlichkeit eines Plaquebruchs erhöht. Zudem kann der Mechanismus eines Vibrationstraumas zu Interplaque-Blutungen führen. Hierbei führt das Platzen von winzigen Blutgefäßen, die in die Plaque hineingewachsen sind, dazu, dass die Plaque von innen herausbrechen kann. Der hieraus entstehende Thrombus (Blutpropf) kann das Gefäß vollständig verstopfen. Ein ischämischer Schlaganfall ist dann die Konsequenz.

Lautes und unregelmäßiges Schnarchen stellt nicht nur einen unabhängigen Risikofaktor für Herz- und Kreislauferkrankungen dar, es ist auch das mit Abstand wichtigste akustische Erkennungsmerkmal für die Volkskrankheit obstruktive Schlafapnoe. Bei der Schlafapnoe kommt es aufgrund einer mechanischen Verengung der oberen Atemwege zu einer Verminderung des Atemflusses (Hypopnoe) im Schlaf oder sogar zu einem vollständigen Atemstillstand (Apnoe), wenn die Halsweichteile derart kollabieren, dass sie die zu engen Atemwege vollständig verschließen. Je enger die Atemwege sind, desto lauter und stärker das Schnarchgeräusch. Je lauter das Schnarchen, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass eine behandlungswürdige und gesundheitsgefährdende obstruktive Schlafapnoe vorliegt. Neben den „normalen“ Schnarchgeräuschen sind nämlich häufig auch sogenannte Arousals zu hören. Arousals sind akustisch in Form eines plötzlichen und explosionsartigen Schnarchgeräuschs wahrnehmbar. Sie stellen Aufweckreaktionen des Körpers dar, um einen nächtlichen Erstickungstod zu verhindern. Die Aufweckreaktionen des Betroffenen werden durch die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin oder Kortisol angetriggert. Die Folge ist ein nächtlicher und meist unbemerkter Bluthochdruck, der entsprechend die kardiovaskulären Risikofaktoren für Herzinfarkt und Schlaganfall deutlich erhöht. Wie gefährlich eine unbehandelte oder nicht ausreichend therapierte Schlafapnoe ist, erläutert der Blogbeitrag vom 30.09.2019 in ausführlicher Form.

Wie lässt sich jedoch ohne Bettnachbar feststellen, ob das eigene Schnarchen ein Warnsignal für das Vorhandensein einer obstruktiven Schlafapnoe darstellt? Die schnellste und einfachste Form der Analyse stellen Schnarch Apps dar, die die nächtlichen Schnarchgeräusche über das Mikrofon aufnehmen und entsprechend hinsichtlich ihrer Intensität grafisch auswerten. Sehr empfehlenswert ist die Applikation „snorelab“, die sowohl für das iPhone als auch für Google Android kostenfrei verfügbar ist. Die App visualisiert die Schnarchgeräusche (siehe Foto) und verdeutlicht deren Lautstärke nach der „Ampellogik“. Je häufiger dabei die Farbe gelb und rot im Diagramm (siehe rechte Bildhälfte) angezeigt wird, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass eine behandlungswürdige obstruktive Schlafapnoe vorliegt. Die App soll und darf dabei den Gang zum Facharzt nicht ersetzen. Sie liefert jedoch auf sehr bequeme Weise eine erste relativ sichere Indikation, dass schlafbezogene Atmungsstörungen vorliegen können. Auf dieser Basis sollte der Betroffene anschließend seinen HNO-Arzt oder Lungenarzt aufsuchen, um dort eine Messung mit einem sog. Polygraphiegerät (mobiles Schlafapnoescreening) einzuleiten. Sollte diese Untersuchung eine behandlungswürdige Schlafapnoe feststellen, wird der untersuchende Arzt die weiteren Schritte unternehmen und die notwendige Therapie verordnen.

Das Schnarchen ist das häufigste Symptom der Schlafapnoe. Es sollte deshalb keinesfalls als lediglich lästiges Lärmproblem betrachtet werden. Immer dann, wenn das Schnarchgeräusch hinsichtlich der Lautstärke über der einer normalen menschlichen Unterhaltung liegt, sollte unbedingt durch einen Facharzt überprüft werden, ob eine Gesundheitsgefährdung vorliegt. Denn eine obstruktive Schlafapnoe kann schwerwiegende gesundheitliche Risiken wie Bluthochdruck, Herz-Rhythmus-Störungen oder Herzschwäche nach sich ziehen. Der rechtzeitige Gang zum Facharzt kann genau dies verhindern.