Wie hängen Schlafapnoe und Depressionen miteinander zusammen?

30. Dezember 2019
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Allgemein bekannt ist, dass die obstruktive Schlafapnoe zahlreiche physische Symptome wie Schlafstörungen, nächtlichen Harndrang oder Tagesschläfrigkeit nach sich zieht. Weniger bekannt ist hingegen, dass die Schlafapnoe auch zahlreiche psychische Probleme wie Antriebslosigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsstörungen oder Pessimismus und Angstzustände zur Folge hat. Dies verwundert nicht, besteht doch eine sehr enge Verbindung von Schlaf und Psyche. Dauerhaft nicht erholsamer Schlaf wirkt sich negativ auf das seelische Gleichgewicht aus und bringt es aus der Balance. Dies äußert sich zu Beginn mit Motivationslosigkeit und Frustration über erhöhte Reizbarkeit bis hin zu schwerwiegenden und unkontrollierbaren Angstanfällen.

Mehr als zwei Drittel der Schlafapnoe Patienten leiden unter depressiven Verstimmungen

Eine im Jahr 2015 im Journal of Clinical Sleep Medicine veröffentlichte australische Studie untersuchte depressive Symptome vor und nach der Therapie von Schlafapnoe Patienten. Für die Studie wurden insgesamt 426 Probanden rekrutiert, die mit Verdacht auf eine obstruktive Schlafapnoe mittels Polysomnographie im Schlaflabor untersucht wurden. Darüber hinaus fragten die australischen Wissenschaftler sämtliche Studienteilnehmer mittels eines spezifischen Gesundheitsfragebogens nach typischen Symptomen einer Depression. Eine behandlungswürdige Schlafapnoe wurde bei 293 Patienten im Schlaflabor festgestellt. Davon zeigten 213 Teilnehmer, also mehr als zwei Drittel der Schlafapnoiker gleichzeitig auch Symptome einer Depression. Die klinische Studie dokumentierte, dass die Wahrscheinlichkeit einer depressiven Verstimmung umso größer war, je stärker bei den Patienten die Schlafapnoe ausgeprägt war.

Konsequente Therapie der Schlafapnoe lindert Depressionen

Die australischen Forscher verordneten den Schlafapnoe Patienten eine nächtliche Überdruckbeatmung mittels CPAP-Maske (CPAP = continuous positive airway pressure). Durch die Überdrucktherapie werden die oberen Atemwege offengehalten. Nächtliche Atemaussetzer (Apnoen) und Atemflussreduzierungen (Hypopnoen) werden entsprechend unterdrückt bzw. reduziert. Insgesamt 228 Probanden zeigten eine gute Verträglichkeit der CPAP-Therapie und konnten über einen Zeitraum von drei Monaten jede Nacht im Durchschnitt mehr als 5 Stunden mit der Atemmaske therapieren. Die Ergebnisse waren sehr beeindruckend: Der durchschnittliche Apnoe-Hypopnoe-Index reduzierte sich durchschnittlich um 86% und gleichzeitig nahmen auch die Depressionssymptome der Patienten deutlich ab. Nach der dreimonatigen CPAP-Therapie zeigten sich nur noch bei 9 Teilnehmern (3,9%) Symptome einer Depression. Vor Beginn der Überdrucktherapie litten noch 170 Patienten (74,6%) an depressiven Symptomen. Von diesen Betroffenen hatten sogar 41 Studienteilnehmer in den Fragebögen erklärt, sich mit Selbstmordgedanken zu beschäftigen. Nach der Therapie gab es keinen einzigen Teilnehmer mehr, der sich mit derartigen Gedanken auseinandersetzte.

Depressive Patienten und Schlafapnoiker haben vergleichbare psychische Symptome

Die Praxis zeigt, dass die Diagnose einer obstruktiven Schlafapnoe bei Patienten, die typische Symptome einer Depression zeigen, nicht gerade einfach ist. Die beiden Krankheitsbilder zeigen nämlich vergleichbare psychische Folgen wie Antriebslosigkeit, Frustration, Freudlosigkeit, Pessimismus, Angstzustände bis hin zu Suizidgedanken. Zudem gelten etwa zwei Drittel aller Schlafapnoe Betroffenen als nicht diagnostiziert. Im klinischen Alltag werden tatsächlich mehr depressive Patienten diagnostiziert als Schlafapnoe Betroffene. Die australische Studie zeigte, dass der Schweregrad und die Ausprägung einer Depression sehr häufig im Zusammenhang mit einer schlafbezogenen Atmungsstörung steht. Aus diesem Grund ist es äußerst wichtig bei depressiven Patienten nach den typischen Schlafapnoe Symptomen wie lautes und unregelmäßiges Schnarchen, Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit, allgemeine Erschöpfung oder Libidoverlust zu fragen. Sollte die Depression ihre Ursache in der Schlafapnoe haben, so kann mittels effektiver Überdrucktherapie, aber auch durch die ursachenbezogene Therapie der Schlafapnoe, meist eine starke Linderung der depressiven Symptomatik erreicht werden. Dies ist insbesondere bei Betroffenen mit einer therapieresistenten Depression von Bedeutung. Wenn Antidepressiva und Psychotherapie keine Therapieerfolge erzielen, sollte in jedem Fall die Schlafapnoe als Ursache ausgeschlossen werden.

Wie kann Schlafapnoe eine Depression verursachen?

Die obstruktive Schlafapnoe führt zu einer Fragmentierung des Schlafs. Die permanenten Aufweckreaktionen, die der Körper zur Beendigung der Atemstillstände auslöst, führen zu nächtlichem Stress. Der Schlaf wird stark beeinträchtigt und ist nur wenig erholsam. Derart gestörter Schlaf behindert die Kommunikation zwischen der Amygdala (Mandelkern) und dem Frontallappen, bis hin zu einer vollständigen Unterbrechung. Dies haben US-amerikanische Forscher der University of California (Berkeley) herausgefunden. Die Amygdala reguliert die Bewertung emotionaler Reize. In einem Teil des Frontallappens, dem sogenannten präfrontalen Kortex, werden die kognitiven Prozesse organisiert. Diese Vorgänge im Gehirn erfordern eine höhere Ebene des Denkens, wie beispielsweise das Lernen, Vergleichen, das Lösen von Problemen oder das Treffen von Entscheidungen. Durch Schlafapnoe ausgelöster Schlafmangel beeinträchtigt die Leistung unseres Gehirns, insbesondere die Steuerung unserer Emotionen, also die angemessene Reaktion auf emotionale Reize. Dieser Zustand kann dann, wenn er länger andauert, zu psychischen Symptomen und psychiatrischen Störungen führen. Bei depressiven Erkrankungen zeigt sich, dass die wichtige Aktivität des Frontallappens gestört wird.

Verkürzter REM-Schlaf fördert Depressionen

Kurz nach dem Einschlafen sinken Menschen stufenweise in den Tiefschlaf. Anschließend folgt eine kurze sogenannte REM-Phase. Der REM-Schlaf (englisch für Rapid Eye Movement) ist durch schnelle Augenbewegungen bei geschlossenen Augenlidern gekennzeichnet. In dieser Schlafphase finden gleichzeitig auch die meisten Träume statt, daher wird sie auch Traumschlafphase genannt. Wissenschaftler des Münchner Max-Planck-Instituts zeigten, dass bei depressiven Patienten die erste REM-Phase deutlich früher auftritt. Darüber hinaus liegt die Anzahl der schnellen Augenbewegungen höher als bei Gesunden. Im REM-Schlaf findet die Regeneration statt, der Körper sammelt neue Energie und verarbeitet die Tageserlebnisse. Kommt nun der Rhythmus dieser wichtigen Schlafphase durcheinander, reduziert sich gleichzeitig der Revitalisierungseffekt. Es entstehen depressionsfördernde Effekte, da es merklich schwerer fällt die Tagesereignisse richtig im Gedächtnis abzulegen. Häufig ist das Gegenteil der Fall – tendenziell negative Erlebnisse werden gezielt hervorgerufen, Tagesstress und negative Emotionen werden größtenteils schlechter verarbeitet. Die Konsequenz ist, dass sich typische Symptome einer depressiven Phase verschlimmern.

Hochwertiger Schlaf reduziert die Wahrscheinlichkeit für Depressionen

Nach derzeitigem Wissensstand besteht klar ein Zusammenhang zwischen der obstruktiven Schlafapnoe und Depressionen oder Angststörungen. Die seelisch-geistige Gesundheit hängt ganz überwiegend von einem biologisch hochwertigen, also ungestörten, Schlaf ab. Diese Erkenntnis sollte daher unbedingt im Rahmen einer ursachenbezogenen Diagnostik Berücksichtigung in der ärztlichen Praxis finden. Denn nur wenn die Ursachen der Schlafstörungen zweifelsfrei festgestellt werden, ist es möglich eine effiziente Therapie der Depressionen und damit eine deutliche Linderung ihrer Folgen zu erreichen. Sollte eine Schlafapnoe ursächlich für das Entstehen einer Depression sein, ist es dringend angezeigt die schlafbezogenen Atmungsstörungen zu behandeln. Hierzu bietet sich als wirkungsvollste Symptombehandlung der Schlafapnoe die Überdruckbeatmungstherapie an. Wer nicht die Symptome behandeln möchte, sondern deren Ursache, entscheidet sich für die kausale Therapie der Schlafapnoe. Durch Ursachenbeseitigung erreicht diese eine dauerhafte und nachhaltige Heilung der Schlafapnoe und damit in den meisten Fällen gleichzeitig auch ein Abklingen der depressiven Symptomatik.