Hilft die Verringerung des Zungenfetts gegen Schlafapnoe?

27. Januar 2020
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Eine Gewichtsreduzierung stellt eine wirksame Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) dar. Entscheidend ist jedoch die Frage, ob ein nachhaltiges Abnehmen überhaupt möglich ist. Dies kann eindeutig bejaht werden, wenn sich die Schlafapnoe als Folge einer Gewichtszunahme darstellt. Wie verhält es sich jedoch, wenn es genau umgekehrt ist? In diesen Fällen ist der Gewichtsabbau lediglich eine theoretische Lösung, aber keine, die sich in die Realität umsetzen lässt. Wissenschaftlich bewiesen ist nämlich, dass Metabolismus (Stoffwechsel) ohne (Zell-)Atmung nicht möglich ist. Die Schlafapnoe, die durch nächtliche Atemaussetzer (Apnoen) und Atemflusslimitierungen (Hypopnoen) gekennzeichnet ist, reduziert die Versorgung des Körpers mit Sauerstoff. Damit verbunden ist eine Verschlechterung des Zellatmungsprozesses. Die Zellatmung stellt die „kalte Verbrennung“ von Nahrung unter Zuhilfenahme von Sauerstoff als Oxidationsmittel in Energie dar. Durch die Sauerstoffminderversorgung als Folge der Schlafapnoe verschlechtert sich demzufolge der Zellatmungsprozess. Die Nahrung wird nicht mehr effizient in Energie umgewandelt. Die nicht verbrannte Nahrung wird in Form von Fettdepots im Körper eingelagert, Übergewicht ist dann die Folge. Im Beitrag vom 02.05.2019 ist dieser biochemische Prozess ausführlich beschrieben.

Wie wirkt sich Übergewicht auf die Zunge aus?

Eine 2014 veröffentlichte Studie, die durch die Universität von Pennsylvania durchgeführt wurde, untersuchte die Zusammenhänge zwischen der OSA und dem Zungenfett. Es wurde die Zungengröße und das Zungenfett von fettleibigen Menschen mit und ohne Schlafapnoe miteinander verglichen. Es zeigte sich, dass die Studienteilnehmer, die an Schlafapnoe erkrankt waren, im Vergleich zu den Nicht-Apnoikern eine signifikant größere Zunge und auch einen merklich höheren Prozentsatz von Zungenfett hatten. Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass es relevant ist im nächsten Schritt zu verifizieren, ob eine Reduzierung des Zungenfetts die Symptome der Schlafapnoe verbessern kann.

Reduzierung des Zungenfetts lindert Schlafapnoesymptome

Forscher der Perelman School of Medicine an der Universität von Pennsylvania haben in einer im Januar 2020 veröffentlichten klinischen Studie herausgefunden, dass die Verbesserung von Schlafapnoesymptomen mit einer Reduzierung von Fett in der Zunge verbunden ist. Mittels Magnetresonanztomographie (MRT) untersuchten die Wissenschaftler wie sich Gewichtsverminderung auf die oberen Atemwege bei adipösen (fettleibigen) Patienten auswirkte. In die Studie waren 67 Patienten mit einem Body-Mass-Index (BMI) von über 30 und leicht- bis schwergradiger obstruktiver Schlafapnoe eingebunden. Die Probanden reduzierten über einen Zeitraum von 6 Monaten ihr Gewicht mittels Diät oder Adipositasoperation um durchschnittlich knapp 10%. Im Ergebnis zeigte sich, dass sich bei den Teilnehmern der Schweregrad der OSA, gemessen anhand des Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI), um 31% verbesserte. Somit konnte der kausale Zusammenhang zwischen Gewichtsreduktion und Linderung der Schlafapnoe bewiesen werden.

MRT-Untersuchung des Bauch- und Rachenraums

Bei den 67 Studienteilnehmern wurde mittels MRT vor und nach dem Gewichtsabbau der Bauch- und Rachenraum untersucht. Das Forscherteam ermittelte durch eine statistische Auswertung die Veränderungen zwischen der Gesamtgewichtsreduktion und dem Volumenverlust der Weichgewebestrukturen im Pharynx (Rachen). Ziel war es herauszufinden, welche Veränderungen in den Gewebestrukturen zur Linderung der Schlafapnoe führten.

Zungenfett ist Risikofaktor für Schlafapnoe

Die Wissenschaftler konnten festhalten, dass die Verringerung des Zungenfettvolumens den primären Zusammenhang zwischen Gewichtsreduktion und der Verbesserung des Schweregrades der Schlafapnoe erklärte. Darüber hinaus zeigte die Studie auch, dass die Gewichtsabnahme zur Reduzierung des Musculus Pterygoideus Medialis (einer der vier Kaumuskeln) und der Rachenseitenwände beitrug. Beide Volumenveränderungen verbesserten den Schweregrad der Schlafapnoe, jedoch nicht im gleichen Umfang wie die Reduzierung des Zungenfetts.

Zungenfett als neues Ziel zur Therapie der Schlafapnoe

Die Forscher der Universität von Pennsylvania gehen davon aus, dass das Zungenfett als neues, singuläres therapeutisches Ziel zur Linderung der Schlafapnoesymptome anzusehen ist. Zukünftige Studien sollen erforschen, ob es bestimmte fettarme Diäten gibt, die besonders geeignet sind, um das Zungenfett zu reduzieren. Noch ist unklar, ob sogenannte Kältetherapien, wie sie beispielsweise zur Verringerung des Bauchfetts eingesetzt werden, auch zur Verminderung des Zungenfetts führen. Darüber hinaus soll evaluiert werden, inwiefern auch nicht übergewichtige Personen, die an obstruktiver Schlafapnoe leiden, einen erhöhten Zungenfettanteil aufweisen.

Die Stellung der Kiefer kann zu Schlafapnoe führen

Neben dem Übergewicht als Risikofaktor für OSA gibt es weitere Ursachen, die zu einer Schlafapnoe führen können. Hier sind insbesondere stark vergrößerte Rachenmandeln oder ein zurückliegender Kiefer (Kieferfehlstellungen wie Ober- und Unterkieferrücklage) zu nennen. Übergröße Tonsillen (Mandeln) werden auf Basis der Leitlinie zur Therapie von schlafbezogenen Atmungsstörungen mittels Tonsillektomie (operative Entfernung der Gaumenmandeln) behandelt. Ein nicht ausreichend nach vorne gewachsener Kiefer führt zu einer Verengung der oberen Atemwege, da die Zunge, die am Unterkiefer angewachsen ist, dann ebenfalls zu weit rückverlagert positioniert ist. Die Folge ist ein zu geringer Abstand zwischen Zungengrund und Rachenhinterwand. Das in der Leitlinie als kausale Therapie beschriebene bimaxilläre Advancement erweitert die oberen Atemwege nachhaltig und dauerhaft, indem es den Ober- und Unterkiefer weiter nach vorne verlagert. Hierdurch wird nicht nur eine Kieferfehlstellung beseitigt, sondern insbesondere die Öffnung der oberen Atemwege erreicht, um eine optimale Atmung zu sichern. Nächtliche Atmungsstörungen durch Apnoen und Hypopnoen sind dann nicht mehr möglich, der Patient ist für immer von Schlafapnoe geheilt. Das Schnarchen, als Folge der zu engen Atemwege, gehört der Vergangenheit an und der Betroffene profitiert nach der ursachenbezogenen Therapie von einer deutlich gesteigerten körperlichen, wie geistigen Leistungsfähigkeit.