Wie hängen Schlafapnoe und nächtlicher Harndrang miteinander zusammen?

8. Juni 2020
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Die Krankheit Schlafapnoe verbindet man gedanklich fast immer mit einem lauten und unregelmäßigen Schnarchen. Interessanterweise ist aber nicht die nächtliche Lärmbelästigung das häufigste Symptom der Schlafapnoe, sondern der nächtliche Harndrang, die sogenannte Nykturie. Eine wissenschaftliche Studie belegte, dass über 84% der Apnoiker unter den häufigen nächtlichen Toilettengängen leiden. Das Symptom des Schnarchens zeigen hingegen 82% der von Schlafapnoe betroffenen Patienten.

Nykturie als häufigste Ursache für Schlafstörungen?

In vielen wissenschaftlichen Publikationen wird die Aussage getroffen, dass die Nykturie die häufigste Ursache für Störungen des Nachtschlafs darstellt. Diese Auffassung ist im Grunde nach richtig, wird jedoch der Komplexität des Themas nicht ausreichend gerecht. Im Unterschied zu den nächtlichen Aufweckreaktionen (sogenannte Arousals), die infolge einer obstruktiven Schlafapnoe ausgelöst werden, werden nächtliche Toilettengänge vom Betroffenen bewusst wahrgenommen. Sie stören den Nachtschlaf schon alleine deshalb deutlich stärker, weil sie mehr Zeit in Anspruch nehmen. Die zentralen Weckreaktionen, die die Schlafapnoe kennzeichnen, sind mit 3 bis 15 Sekunden deutlich kürzer und mindern somit im Vergleich den Erholungseffekt des Schlafs nicht so stark. Allerdings treten sie auch deutlich häufiger auf. Je nach Schweregrad der Schlafapnoe können sie den Nachtschlaf mehrere dutzendmal pro Stunde kurzzeitig unterbrechen. Die Problematik besteht allerdings darin, dass der Schlafende diese kurzzeitigen Schlafunterbrechungen fast ausnahmslos nicht bewusst wahrnehmen kann. Insofern ist es eher zutreffend zu behaupten, dass die Nykturie die häufigste bewusst wahrgenommene Schlafstörung darstellt.

Wie viele Toilettengänge sind nachts normal?

Die Nykturie wird als klinisch relevantes Problem beschrieben, welches den Schlaf mindestens zweimal durch nächtliches Wasserlassen unterbricht. Es gibt keine ganz klare Abgrenzung wie viele nächtliche Miktionen noch als normal gelten, da dies letztlich auch von der abendlichen Trinkmenge abhängig ist. Allgemeiner Konsens besteht jedoch darin, dass von einer Nykturie gesprochen wird, wenn der Betroffene regelmäßig mindestens zweimal pro Nacht durch nächtliches Harnlassen aus dem Schlaf geholt wird, obwohl man abends nicht übermäßig viel getrunken hat.

Nächtlicher Harndrang – ein rein urologisches Problem?

Das nächtliche Harnlassen kann viele verschiedene Ursachen haben. Bei älteren Männern denkt man üblicherweise sofort an eine gut- oder bösartig vergrößerte Prostata. Denn die vergrößerte Vorsteherdrüse verengt die Harnröhre. Dies hat zur Folge, dass die Harnblase beim Urinieren nicht vollständig entleert werden kann. Es verbleiben also bei jeder Miktion mehrere hundert Milliliter Restharn in der Harnblase. Bereits nach kurzer Zeit ist die Blase wieder gefüllt, was zu einer erneuten Blasenentleerung führt. Als urologische Ursachen werden bei Frauen meist Infekte der unteren Harnwege, eine überaktive Blase oder eine Fehlsteuerung des Blasenmuskels angeführt. Die Betroffenen verspüren in diesen Fällen sowohl tagsüber als auch nachts einen vermehrten Drang zum Wasserlassen. Diese urologischen Auslöser sind jedoch nicht typisch für vermehrte Miktionen, die besonders den Nachtschlaf fragmentieren. Insofern ist es bedeutsam den Blick auch auf andere Faktoren zu richten.

Nykturie durch Typ 2 Diabetes infolge einer Schlafapnoe

Wie im Fachbeitrag vom 28.06.2019 beschrieben haben Schlafapnoiker ein deutlich erhöhtes Risiko auch an Typ 2 Diabetes zu erkranken. Beim Krankheitsbild Schlafapnoe werden nachts verstärkt Kortisol und Adrenalin über die Nebennieren ausgeschüttet. Diese Stresshormone verursachen den Anstieg des Blutzuckerspiegels, da sie die Umwandlung von Speicherzucker aus der Leber in Glukose fördern. Steigt die Blutzuckerkonzentration über die sogenannte Nierenschwelle (Blutzucker von über 180 mg/dl) scheidet die Niere Zucker über den Urin aus. Hierdurch wird der Zuckerüberschuss im Blut abgesenkt. Das hat wiederum zur Folge, dass die Niere automatisch auch mehr Flüssigkeit ausscheiden muss, um zu verhindern, dass der Zucker in der Blase kristallisiert. Die zu häufige Blasenentleerung in der Nacht ist dann die logische Konsequenz.

Hormonelle Dysbalance infolge von Schlafapnoe führt zu Nykturie

Eine 2015 veröffentlichte koreanische Studie beschreibt den Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und Nykturie. Die obstruktive Schlafapnoe ist durch einen Kollaps des Weichgewebes des oberen Atemtrakts gekennzeichnet. Die gleichzeitig anhaltenden Atemexkursionen des Thorax und des Zwerchfells führen zu einer deutlichen Verminderung des intrathorakalen Drucks. Dies führt zu einem gesteigerten venösen Rückstrom zum Herz. Die Folge ist eine Überdehnung des rechten Herzvorhofs (Atrium) und der rechten Herzkammer (Ventrikel). Diese erhöhte Dehnung und Druckbelastung führt zu einer vermehrten Freisetzung von BNP (Brain Natriuretic Peptide). Das Hormon BNP wirkt unter anderem in der Niere, wo es die Natrium- und Harnausscheidung fördert. Bei Schlafapnoe-Patienten konnte in wissenschaftlichen Studien die nächtliche Erhöhung des BNP-Spiegels nachgewiesen werden. Darüber hinaus blockiert BNP die Ausscheidung von ADH, dem Antidiuretischen Hormon. Das ADH verursacht die vermehrte Rückgewinnung von Wasser aus dem Vorharn durch die Nierenkanälchen (Nierentubuli). Hierdurch wird der Urin konzentriert und sein Volumen reduziert. Das Hormon ADH wird vor allem nachts ausgeschieden, wodurch es gesunden Erwachsenen ermöglicht ohne Bettnässen durchzuschlafen. Die verminderte Urinkonzentration infolge der gehemmten ADH-Ausschüttung verursacht die sogenannte Polyurie (krankhaft erhöhte Urinausscheidung). Häufige nächtliche Toilettengänge sind dann das Resultat. Eine andere klinische Studie konnte zeigen, dass eine verminderte nächtliche Urinkonzentration bei 80% der Schlafapnoe Patienten vorlag. In der Kontrollgruppe zeigte sich dies nur bei 30% der Studienteilnehmer.

Konsequente Therapie der Schlafapnoe reduziert nächtlichen Harndrang

Zahlreiche Studien konnten zeigen, dass sich die Symptomatik des nächtlichen Harnlassens stark abschwächt, wenn die Schlafapnoe konsequent mittels der Überdruckbeatmung (CPAP) therapiert wird. Die CPAP-Therapie führt zu einer Normalisierung des intrathorakalen Drucks und damit zur Wiederherstellung eines normalen Hormonhaushalts, der für die nächtliche Urinkonzentration verantwortlich ist. Die Nykturie ist eine der Hauptursachen für verminderte Schlafqualität bei Erwachsenen. Es gilt als wissenschaftlich erwiesen, dass die obstruktive Schlafapnoe den nächtlichen Harndrang induziert. Um den Teufelskreis der permanenten Schlafunterbrechungen zu beenden, ist es also notwendig die Schlafapnoe konsequent zu therapieren. Die nächtliche Überdruckbeatmung hat in diesem Punkt ihre Wirksamkeit bewiesen. Für Apnoiker, die nicht effektiv mit der CPAP-Maske therapieren können, empfiehlt sich die Therapie des bimaxillären Advancement mit Counter Clockwise Rotation zur dauerhaften Heilung der Schlafapnoe.