Hilft Didgeridoo spielen wirklich gegen Schlafapnoe?

14. September 2020
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Die Überdruckbeatmung mittels CPAP-Maske gilt als Goldstandard in der Therapie der Schlafapnoe. Sie wird nahezu ausnahmslos als Erstlinientherapie von den behandelnden Ärzten verordnet. Die Wirksamkeit dieser Behandlungsform ist unbestritten, allerdings besteht ihr größter Nachteil darin, dass die Therapietreue (Compliance) der Apnoe Patienten alles andere als gut ist. So konnte eine im Jahr 2008 veröffentlichte kanadische Studie zeigen, dass gute 5 Jahre nach Erstdiagnose der Schlafapnoe nur noch 54% der Apnoiker die CPAP-Therapie einsetzten. Knapp die Hälfte der Patienten hatten also die CPAP-Behandlung abgebrochen. Als Hauptgründe für die mangelhafte Therapietreue wurden insbesondere die Geräuschbelästigung, mangelnder Komfort, Beklemmungen bis Angstzustände und Austrocknung der Mund- und Nasenschleimhäute genannt. Für genau diese Patientengruppe sind Forscher des Universitätsspitals Zürich einen recht ungewöhnlichen Weg gegangen: Sie untersuchten in einer klinischen Studie, ob das Spielen eines Didgeridoos gegen Schlafapnoe helfen kann.

Warum soll Didgeridoo spielen gegen Schlafapnoe helfen?

Das Didgeridoo ist ein traditionelles Blasinstrument der australischen Ureinwohner. Es ist vergleichsweise einfach zu spielen und erzeugt einen erdig vibrierenden Klangteppich. Gegen die Schlafapnoe soll es wirken, wie das Fitnesstraining gegen den Muskelabbau. Die Muskeln im Hals- und Rachenraum sollen durch das Spielen des Didgeridoos systematisch bewegt und trainiert werden. Hierdurch soll das Bindegewebe gestärkt und gleichzeitig besser durchblutet werden. Das Training der Atemmuskulatur soll darüber hinaus helfen Fett im Hals und in der Zunge abzubauen.

Wie untersuchten Wissenschaftler ob das Didgeridoo spielen gegen Schlafapnoe hilft?

Ein Schweizer Forscherteam des Universitätsspitals Zürich teilte nach dem Zufallsprinzip insgesamt 25 Patienten in eine Didgeridoo-Gruppe und eine Kontrollgruppe ein. Die 25 Probanden litten alle unter einer mittelgradigen Schlafapnoe und hatten im Durchschnitt einen Body-Mass-Index (BMI) von knapp 26. Die durchschnittlich 50 Jahre alten Studienteilnehmer litten also nur unter leichtem Übergewicht. Die 14 Teilnehmer der Didgeridoo-Gruppe spielten unter Anleitung über einen Zeitraum von 4 Monaten fast 6 Tage in der Woche und täglich gute 25 Minuten das Blasinstrument der australischen Ureinwohner. Die Kontrollgruppe mit 11 Patienten spielte hingegen kein Didgeridoo und ging ihrem gewohnten Alltag nach. Nach den 4 Monaten untersuchten die Wissenschaftler, wie sich das Didgeridoo spielen auf die Tagesschläfrigkeit, die Schlafqualität und den Atemstörungsindex Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) auswirkte.

Welche Studienergebnisse zeigte das Didgeridoo spielen gegen Schlafapnoe?

Die Ergebnisse der Studie wurden Ende 2005 im angesehenen British Medical Journal veröffentlicht. Nach 4 Monaten zeigten die Didgeridoo-Spielenden eine statistisch signifikant geringere Tagesmüdigkeit als die Kontrollgruppe. Der sogenannte Epworth Sleepiness Scale (ein Fragebogen zur Erfassung der Tagesschläfrigkeit) hatte sich von 11,8 (vor Beginn der Studie) auf 7,4 (nach Studienende) reduziert. Gleichzeitig konnte eine etwa 48%ige Reduzierung des Atemstörungsindex AHI gezeigt werden. Der durchschnittliche AHI verringerte sich innerhalb der 4 Monate von 22,3/h auf nur noch 11,6/h. Der Schweregrad der Schlafapnoe hatte sich also von mittel auf leicht abgeschwächt. Die Forscher konnten mittels Fragebogenauswertung auch beweisen, dass das Didgeridoo spielen die Schlafqualität der Studienteilnehmer deutlich verbessert hatte. Darüber hinaus fühlten sich die Partner der Didgeridoo-Gruppe bedeutend weniger in ihrem eigenen Schlaf gestört.

Wo liegen die Grenzen der Didgeridoo Therapie gegen Schlafapnoe?

Mit nur 25 Teilnehmern ist die Schweizer Studie sehr klein und es wurden lediglich Probanden mit leichtem Übergewicht und mittelgradiger Schlafapnoe eingebunden. Es bleibt also offen, wie sich das Didgeridoo spielen auf adipöse (fettleibige) Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe auswirken würde. Zwar konnte eine knapp 50%ige Reduzierung des Schweregrads der Schlafapnoe bewiesen werden, allerdings blieb die Didgeridoo Therapie damit noch immer deutlich hinter der Wirksamkeit der klassischen CPAP-Therapie zurück. Diese erreicht auf Basis zahlreicher klinischer Studien eine durchschnittliche Reduzierung des Apnoe-Hypopnoe-Index von über 80%. Damit verbunden ist auch ein deutlich geringerer Zeitaufwand als beim Didgeridoo spielen, da die Überdruckbeatmung im wahrsten Sinne des Wortes im Schlaf stattfindet. Die Teilnehmer der Schweizer Studie waren zweifellos hochmotiviert, da sie während der Studiendauer häufiger Didgeridoo spielten, als es das Studienprotokoll forderte. Allerdings bleibt aufgrund des großen Zeitaufwands fraglich, wie konsequent der durchschnittlich wohl geringer motivierte Schlafapnoiker diese Therapieform in seinen Alltag integrieren würde. Aufgrund des höheren Zeitaufwands bei gleichzeitig schlechteren Therapieerfolgen ist anzunehmen, dass die Compliance der Didgeridoo Therapie merklich geringer ist, als bei der Überdruckbeatmung. Vermutlich würden nur die Apnoiker entschlossen und langfristig Didgeridoo spielen, die gleichzeitig durch das Musizieren mit dem australischen Musikinstrument auch ein hohes Maß an Spaß und Freude gewinnen.

Könnte eine Gewichtsreduzierung ähnliche Ergebnisse erzielen wie die Didgeridoo Therapie?

Die Schweizer Studie konnte die Wirksamkeit der Didgeridoo Therapie eindrucksvoll beweisen. Nicht geklärt werden konnte jedoch, welches Wirkprinzip die positiven Effekte verursachte. Es ist fraglich, ob der Therapieerfolg allein auf die Stärkung der Atemmuskulatur zurückzuführen war, oder ob nicht letztlich ein durch das Spieltraining verursachter Fettabbau im Hals und in der Zunge zum Erfolg führte. Wissenschaftler der Universität von Pennsylvania untersuchten in einer im Januar 2020 veröffentlichten Studie, wie sich der Schweregrad der Schlafapnoe durch eine Gewichtsreduzierung verringern lässt. An der Studie nahmen 67 adipöse Patienten (BMI über 30) mit leicht- bis mittelgradiger Schlafapnoe teil. Die Teilnehmer verringerten während der halbjährigen Studiendauer ihr Gewicht mittels Ernährungsumstellung oder Adipositasoperation um durchschnittlich knapp 10%. Im Ergebnis konnten die Probanden durch den diätbedingten Fettabbau im Hals und in der Zunge ihren Apnoe-Hypopnoe-Index um 31% reduzieren. Die Studie zeigte, dass auch eine Gewichtsreduzierung eine effektive Therapie der Schlafapnoe darstellen kann.

Kann das Didgeridoo spielen eine sinnvolle Alternative zur CPAP-Therapie sein?

Für Schlafapnoe Betroffene, die nicht ausreichend wirksam mit CPAP therapieren können, ist die Didgeridoo Therapie sicherlich eine willkommene Alternative. Die größte Herausforderung bei allen symptomatischen Behandlungsformen der Schlafapnoe liegt jedoch in deren Therapietreue. Hier zeigt das Didgeridoo spielen seine größte Stärke und gleichzeitig auch die größte Schwäche. Eine hohe Therapietreue wird sich nämlich nur bei den Patienten einstellen, die gleichzeitig auch ein großes Faible für Blasinstrumente haben. Für weniger Musikbegeisterte sollte hingegen eine signifikante Gewichtsreduzierung das Mittel der Wahl sein, um eine deutliche Besserung der Schlafapnoesymptome zu erreichen.