Wie können Schlafapnoiker ihren Bluthochdruck besser behandeln?

16. Dezember 2020
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Der weit überwiegende Teil der über 5 Millionen Schlafapnoiker in Deutschland leidet unter einem (nächtlichen) Bluthochdruck. Er gilt als größter Risikofaktor für den frühzeitigen Tod.[1] Die durch die Schlafapnoe verursachten Atemstillstände führen zu einer Sauerstoffminderversorgung bei gleichzeitigem Anstieg des Kohlendioxidspiegels im Blut. Dies führt zu einer Weckreaktion, die durch die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Kortisol ausgelöst wird. Die Aufweckreaktion (sogenanntes Arousal) verhindert das Ersticken im Schlaf, da es kurzzeitig zu einem Anstieg der Muskelspannung im Bereich der Rachenmuskulatur führt. Begleitet von einem meist explosionsartigen Schnarchgeräusch kann dann für einige Atemzüge die Atemluft wieder ungehindert den Rachenraum passieren, bis sich nach kurzer Zeit die oberen Atemwege erneut verschließen, nachdem der Betroffene wieder eingeschlafen ist. Dieser ständige Wechsel zwischen kurzen Schlaf- und Wachphasen führt zu übermäßigem Stress und damit zu einer Belastung des Herz- und Kreislaufsystems.

Meist kein Dipping bei den Blutdruckwerten von Schlafapnoe Patienten

Da der menschliche Körper im Schlaf zur Ruhe kommt und somit regeneriert, zeigt sich nachts in der Regel ein Blutdruckabfall von 10-20% im Vergleich zu den Blutdruckwerten am Tag. Dieser Blutdruckrückgang zur Nachtzeit wird als sogenanntes „Dipping“ bezeichnet. Die Schwankungen im 24-Stunden-Verlauf menschlicher Blutdruckwerte lassen sich über eine 24-stündige Langzeitblutdruckmessung erkennen. Bei Schlafapnoikern fehlt jedoch das Dipping überwiegend, da die enorme nächtliche Stressbelastung den Abfall des Blutdrucks verhindert. Eine im Jahr 2007 veröffentlichte systematische Übersichtsstudie[2] belegte, dass Schlafapnoe, neben weiteren Faktoren, mit dem „Non-Dipping“ assoziiert ist. Problematisch ist dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen bleibt das „Non-Dipping“ meist unbemerkt und zum anderen ist der fehlende nächtliche Blutdruckabfall mit einer vermehrten Sterblichkeit aufgrund erhöhter Risiken für Herz- und Kreislauferkrankungen verbunden[3].

Wie sieht die Standardtherapie gegen Bluthochdruck aus?

Die durch Schlafapnoe verursachten Stressbelastungen erhöhen nicht nur nachts den Blutdruck, sondern können dazu führen, dass auch tagsüber der Blutdruck dauerhaft auf einem erhöhten Niveau verbleibt. Der Bluthochdruck (arterielle Hypertonie) wird, wenn er vom Hausarzt oder Internisten diagnostiziert wurde, fast immer mit blutdrucksenkenden Medikamenten behandelt. Vergleichsweise selten wird spezifisch nach der Ursache der Hypertonie geforscht. In über 85% aller Hypertonie-Fälle lautet die Diagnose „essentieller Bluthochdruck“. Mit anderen Worten: Der hohe Blutdruck hat keine erkennbare Ursache. Traditionell werden die verschriebenen antihypertensiven Medikamente den Patienten morgens zur Einnahme empfohlen. Die behandelnden Ärzte verfolgen dabei insbesondere das Ziel, den morgendlichen Blutdruckanstieg im Rahmen des circadianen Rhythmus wirkungsvoll abzusenken. Gleichzeitig soll auch die Einnahmetreue der Blutdrucksenker gesteigert werden.

Blutdrucksenker besser morgens oder abends einnehmen?

Spanische Wissenschaftler der Universität Vigo untersuchten in einer groß angelegten 2019 veröffentlichten Studie, ob es wirksamer ist Blutdrucksenker morgens oder abends einzunehmen. An über vierzig spanischen medizinischen Zentren nahmen insgesamt 19.084 Patienten mit mittlerem Alter von 60,5 Jahren und diagnostiziertem Bluthochdruck an der sogenannten „Hygia-Studie“ teil. Die Probanden wurden randomisiert in 2 Gruppen aufgeteilt. Sie nahmen ihre antihypertensiven Medikamente entweder am Morgen oder zum Schlafengehen (sogenannte Chronotherapie). Weitere Risikofaktoren für kardiovaskuläre Ereignisse wie Alter, Rauchen, Diabetes, Nierenerkrankungen und Cholesterinwerte wurden herausgerechnet. Die spanischen Ärzte begleiteten die Studienteilnehmer über 6,3 Jahre und überprüften mindestens einmal im Jahr den Blutdruck der Probanden mittels 48-stündiger Langzeitmessung. Es zeigte sich, dass die Gruppe, die ihre Blutdrucksenker abends einnahm, signifikant bessere Werte erzielte. In dieser Gruppe waren die durchschnittlichen Blutdruckwerte tagsüber wie nachts niedriger und sie fielen auch während des Schlafs stärker ab.

Wie erfolgreich kann die Chronotherapie Herzinfarkte verhindern?

Die spanischen Forscher untersuchten im Rahmen der „Hygia-Studie“, wie häufig es zu kardiovaskulären Folgeerkrankungen (Herzinfarkt, koronare Revaskularisation, Herzinsuffizienz oder Schlaganfall) kam. Während der Studiendauer erlitten insgesamt 1.752 Patienten ein derartiges schweres kardiovaskuläres Ereignis. Tatsächlich zeigte sich in der Gruppe, die ihre Antihypertensiva vor dem Schlafengehen einnahm, ein über 40% reduziertes Risiko ernsthafter Folgeerkrankungen. Die abendliche Einnahme der Medikamente konnte das Risiko für Schlaganfälle um 49%, für Herzinfarkte um 44% und für eine koronare Revaskularisation um über 40% senken. Berücksichtigt man, wie einfach sich die Abendeinnahme der Blutdrucksenker umsetzen lässt, ergibt sich die Feststellung, dass diese Vorgehensweise eine hocheffiziente Prävention von kardiovaskulären Komplikationen darstellt.

Warum ist die Chronotherapie des Bluthochdrucks so erfolgreich?

Die spanische Studie zeigte, dass die abendliche Einnahme der Antihypertonika den Blutdruck besser einstellte. Der Grund liegt vermutlich darin, dass die natürlichen Tagesschwankungen des Blutdrucks durch die abends eingenommenen Blutdruckmittel stärker beeinflusst werden. Es zeigte sich nämlich, dass die Medikation vor dem Zubettgehen den Blutdruck insbesondere in der Nacht stärker absenkte, als bei der Einnahme der Antihypertensiva am Morgen. Hierdurch stabilisierte sich offenbar der circadiane Rhythmus des Blutdruckprofils. Das würde auch erklären, warum die Abendeinnahme das Risiko für Schlaganfall, Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz derart stark reduziert. Die spanischen Forscher schlussfolgerten, dass der nächtliche Blutdruckwert einen der bedeutendsten unabhängigen Marker für kardiovaskuläre Risiken darstellt. Bluthochdruckpatienten können folglich mit der Chronotherapie ihre Risikofaktoren ganz erheblich reduzieren und gleichzeitig ihre Blutdruckkontrolle verbessern.

Was bedeutet die Chronotherapie für Schlafapnoe Patienten, die unter Bluthochdruck leiden?  

Für den Bluthochdruck, der durch Schlafapnoe verursacht wird, ist sehr charakteristisch, dass er häufig schlecht auf antihypertensive Medikamente anspricht. Oftmals fehlt eine ausreichende Nachtabsenkung oder die Hypertonie ist sogar völlig therapieresistent. Verwundern kann dies nicht, da die ständigen durch Stresshormone getriggerten Weckreaktionen, welche die Atempausen beenden, den (nächtlichen) Blutdruck permanent hochhalten. Die Chronotherapie ist deshalb gerade für Schlafapnoe Patienten ein geeigneter Therapieansatz, um eine bessere Blutdruckeinstellung und insbesondere eine effektive Nachtabsenkung zu erreichen. Betroffene sollten allerdings keine Alleingänge unternehmen. Es ist in jedem Fall sinnvoll die Änderung der Einnahmezeit von Blutdrucksenkern mit dem behandelnden Arzt zu besprechen. Wie bei jeder symptomatischen Therapie ist zu berücksichtigen, dass die eigentliche Grunderkrankung, welche bei Apnoikern die arterielle Hypertonie auslöst, mit blutdrucksenkenden Medikamenten nicht beseitigt wird. Wer sein kardiovaskuläres Risiko auf Normalniveau reduzieren möchte, um gleichzeitig auch auf die Einnahme von Antihypertonika verzichten zu können, sollte sich für die Kausaltherapie der Schlafapnoe entscheiden. Die ursachenbezogene Behandlung mittels bimaxillären Advancement mit Counter Clockwise Rotation  ist wissenschaftlich validiert[4] und geeignet, um neben einer besseren Lebensqualität auch eine Lebensverlängerung zu erreichen.

 

Anmerkungen:

[1] Current Hypertension Reports 15 (3), Juni 2013, S. 134-136: Samantha BromfieldPaul Muntner: „High blood pressure: the leading global burden of disease risk factor and the need for worldwide prevention programs“

[2] European Journal of Cardiovascular Nursing Band 6, Nummer 1, März 2007, S. 9–26: F. Routledge, J. McFetridge-Durdle: „Nondipping blood pressure patterns among individuals with essential hypertension: a review of the literature.“

[3] The Canadian journal of cardiology Band 23, Nummer 2, Februar 2007, S. 132–138: F. S. Routledge, J. A. McFetridge-Durdle, C. R. Dean: „Night-time blood pressure patterns and target organ damage: a review.“

[4] Sleep Medicine Reviews Volume 14, Issue 5, Oktober 2010, S. 287-297: Jon-Erik C. Holty, Christian Guilleminault: „Maxillomandibular advancement for the treatment of obstructive sleep apnea: A systematic review and meta-analysis“