Wie effizient wirkt Melatonin bei Schlafstörungen?

4. Mai 2021
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Wer kennt das nicht – man liegt abends hellwach im Bett und kann nicht einschlafen, obwohl man am nächsten Tag früh aufstehen muss. Derartige Schlafstörungen kommen in der Bevölkerung immer häufiger vor: Der 2017 von der DAK veröffentlichte Gesundheitsreport dokumentierte, dass sich die Anzahl der Arbeitnehmer, die unter einer Insomnie leiden, im Vergleich zu 2010 um über 60% erhöht hatte. Dies ist vermutlich nicht nur eine Folge der immer weiter steigenden Arbeitsbelastung im Berufsleben, sondern auch eine Konsequenz der permanenten Erreichbarkeit, die die weltweite Verbreitung der Smartphones mit sich gebracht hat. Es ist deshalb wenig verwunderlich, dass immer öfter nach synthetischen Schlafmitteln gegriffen wird. Diese sind jedoch meist mit erheblichen Nebenwirkungen verbunden. Zudem ist die Gefahr von Abhängigkeits- und Gewöhnungseffekten deutlich erhöht. Auf der Suche nach einem natürlichen Schlafmittel, welches die Schlafqualität fördert, ist man bereits im Jahr 1990 auf die körpereigene Substanz Melatonin gekommen.

Was ist Melatonin?

Melatonin ist das menschliche Schlafhormon. Es wird in der Zirbeldrüse, einem Teil des Zwischenhirns, produziert. Auslöser für die Melatoninproduktion ist im Wesentlichen die Dunkelheit. Es wird also insbesondere abends und in der Nacht freigesetzt. Die Melatoninkonzentration im Blut ist gegen 3 Uhr nachts am höchsten. Das Hormon koordiniert die circadian-rhythmischen Vorgänge im Körper und wirkt als Zeitgeber. Melatonin steuert also den Tag-Nacht-Rhythmus und ist damit der Taktgeber für die biologische Uhr des Menschen. Darüber hinaus ist es auch das stärkste körpereigene Antioxidans, also ein leistungsfähiger Radikalfänger für Sauerstoff- und Stickstoffverbindungen. Gleichzeitig zeigt es auch eine gute Wirkung bei der Stärkung der menschlichen Immunabwehr.

Kann Melatonin beim Ein- und Durchschlafen helfen?

Als Schlafhormon fördert Melatonin das Einschlafen. Eine verminderte Melatoninsekretion kann folglich Ein- und Durchschlafstörungen verursachen. In diesen Fällen ist die externe Zufuhr von Melatonin geeignet, um den Schlafstörungen entgegenzuwirken. Bevor man mit der Hormonsubstitution beginnt, müsste aber zunächst gemessen werden, ob überhaupt ein Melatoninmangel vorliegt. Dies ist beim Melatonin äußerst schwierig, da das Schlafhormon nur bei Dunkelheit sezerniert wird. Folglich müsste eine Blutabnahme zur Messung des Melatoninspiegels bei Dunkelheit und mitten in der Nacht erfolgen. Vermutlich sind es diese erschwerten Messbedingungen, die letztlich dazu geführt haben, dass für Melatonin bisher noch nicht einmal einheitliche Norm-Laborwerte festgelegt wurden. Während es bei anderen Hormonen klare Konzentrationslevels gibt, ab der das jeweils Fehlende zu substituieren ist, fehlen diese beim Schlafhormon Melatonin völlig. Diese Tatsache ist bemerkenswert, wenn man bedenkt, dass Melatonin in großem Umfang therapeutisch eingesetzt wird.

Wie kann es überhaupt zu einem Melatonindefizit kommen?

Die dunkelheitsabhängige Synthese des Melatonins führt zu einer Beendigung der Ausschüttung, sobald (Tages-)Licht in die Augen fällt. Hierdurch übermittelt Melatonin dem Körper die Botschaft, wann Tag und wann Nacht ist. Der Konsum digitaler Medien mittels Smartphone, Tablet oder TV vor dem Schlafengehen führt zu einer verminderten Melatoninfreisetzung. Das blaue Licht dieser Bildschirme signalisiert dem Körper, dass es noch hell ist und folglich wird die körpereigene Melatoninproduktion gehemmt. Die Effektivität der Melatoninerzeugung lässt außerdem mit zunehmendem Alter deutlich nach. Das ist auch die Erklärung dafür, warum ältere Menschen häufiger schlechter schlafen als jüngere Menschen. Auch Personen, die permanent einem veränderten Schlafrhythmus unterliegen, wie z.B. Schichtarbeiter oder Piloten auf der Langstrecke (Zeitzonenwechsel), leiden unter einer verminderten Melatoninsekretion.

Wie sieht die Studienlage zur Wirkung von Melatonin bei Schlafstörungen aus?

Dieser Fragestellung ging eine 2017 im „Neurological Research“ veröffentlichte systematische Überprüfung von insgesamt 10 Einzelstudien nach. Die 10 Studien evaluierten, welche Wirkung Melatonin bei Schlafstörungen zeigte und in welchem Umfang es die Schlafqualität verbessern konnte. Es wurden sehr konsistente Ergebnisse dokumentiert: Eine exogene Melatonin-Supplementation war gut verträglich und hatte keine offensichtlichen kurz- oder langfristigen Nebenwirkungen. Es wurde festgestellt, dass Melatonin das circadiane System synchronisiert, das Einschlafen erleichtert und die Dauer und die Qualität des Schlafs erhöht. Das Schlafhormon verursachte weder einen Gewöhnungseffekt, noch führte es zu physischen oder psychischen Abhängigkeiten. In der Praxis bedeutet dies, dass man mit der Zeit nicht mehr Melatonin ergänzen muss, um den gleichen Effekt zu erzielen. Nach der bisherigen Studienlage beeinträchtigt es den phasenhaften Aufbau des Schlafes nicht und auch die körpereigene Melatoninproduktion wird durch die externe Zufuhr nicht beeinflusst. Bis zu einer Dosierung von 3mg bis 5mg Melatonin pro Schlafeinheit ist man laut der derzeitigen Studienlage auf der sicheren Seite. Die Verfasser der Überprüfungsstudie kamen zu der Erkenntnis, dass Melatonin, im Vergleich zu den derzeit verfügbaren pharmazeutischen Therapien für Schlafstörungen, eine alternative Behandlung mit deutlich weniger Nebenwirkungen darstellt.

Was gilt es bei der Einnahme von Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel zu beachten?

Melatonintabletten sollten erst kurz vor dem Zubettgehen eingenommen werden, da deren biologische Halbwertszeit sehr kurz ist und nur ungefähr 30 Minuten beträgt. In der Medizin zeigt die Halbwertszeit an, wie lange es braucht, bis eine in den Körper eingebrachte Substanz zur Hälfte abgebaut ist. Dies hat zur Folge, dass das entsprechende Arzneimittel dann auch nur noch zur Hälfte wirksam ist. Der größte Teil des Melatonins wird sofort von der Leber abgebaut. So erreicht nur relativ wenig Wirkstoff den Blutkreislauf. Die Lösung für dieses Problem sind sogenannte Retardtabletten. Retardpräparate setzen den Arzneistoff verlangsamt über einen längeren Zeitraum frei. Retardierte Melatonintabletten helfen somit einerseits das Einschlafen zu beschleunigen und andererseits möglichst lange Durchzuschlafen.

Für Erwachsene liegen die üblichen Dosierungsempfehlungen meistens zwischen 1mg und 5mg Melatonin pro Schlafeinheit. Teilweise gibt es auch Medikamente mit bis zu 10mg Melatonin, insbesondere in den USA. In Deutschland sind niedrig dosierte Präparate mit bis zu 1mg Wirkstoff als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich. Höher dosierte Tabletten mit 3mg bis 5mg Melatonin können folglich nur über Online-Versandapotheken bezogen werden, die ihren Sitz außerhalb Deutschlands haben.

Wer auf die Einnahme von Tabletten verzichten möchte, aber dennoch von der Wirkung des Melatonins profitieren will, der kann auf getrocknete Cranberrys zurückgreifen. Von allen pflanzlichen Lebensmitteln weisen Cranberrys den mit Abstand höchsten Melatonin-Gehalt (bis zu 9.600 Mikrogramm je 100 Gramm Trockengewicht) auf. Der Verzehr von Cranberrys führt unmittelbar zu einem signifikanten Anstieg der Melatoninkonzentration im Blut, was sich entsprechend positiv auf das Schlafverhalten auswirkt.

Fazit zu Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel

Nicht immer ist die Einnahme von Melatonin von Erfolg gekrönt, da Schlafstörungen sehr viele verschiedene Ursachen haben können. Sollte jedoch ein Melatoninmangel für Ein- und Durchschlafstörungen verantwortlich sein, dann ist es in jedem Fall sinnvoll eine Therapie in Form eines Melatoninsupplements zu beginnen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass pharmazeutische Schlafmittel mehr oder weniger starke Nebenwirkungen zeigen, bietet sich Melatonin als natürliche Alternative an. Die bei synthetischen Schlafmitteln üblichen Abhängigkeits- und Gewöhnungseffekte sind beim körpereigenen Neurohormon Melatonin völlig unbekannt.