Wie der eigene Chronotyp das Bewegungsverhalten beeinflusst

17. Mai 2021
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Durch die Verleihung des Medizin-Nobelpreises im Jahr 2017 zur Erforschung der inneren Uhr, wurde der breiten Öffentlichkeit die Bedeutung der Chronobiologie bewusst. Die drei US-Forscher Jeffrey C. Hall, Michael Rosbash und Michael W. Young ergründeten, wie Lebewesen auf der Erde ihren Tag-Nacht-Rhythmus mithilfe der biologischen Uhr steuern. Die innere Uhr lenkt das menschliche Verhalten und ist damit überaus wichtig für das Überleben. Sie führt dazu, dass der Mensch abends müde wird und zu Bett geht. Daneben beeinflusst sie den Stoffwechsel, die Körpertemperatur, den Blutdruck, den Schlaf und die Ausschüttung von Hormonen. Die Wichtigkeit der inneren Uhr wird am schnellsten spürbar, wenn der Rhythmus bei einer Fernreise durch die Zeitzonen aus dem Takt gerät. Dann passt die Uhrzeit der neuen Umgebung nicht mehr zur Uhrzeit der biologischen Uhr, es kommt zum gefürchteten Jetlag.

Welche Chronotypen gibt es und wie kann man sie erkennen?

Bei den wenigsten Menschen ist die innere Uhr genau auf 24 Stunden getaktet. Geht sie vor, spricht man von Morgenmenschen oder auch Lerchen. Geht die biologische Uhr nach, handelt es sich um Abendmenschen, die auch Eulen genannt werden. Die Menschen, deren innere Uhr weder vor- noch nachläuft, werden als sogenannte Normaltypen benannt. Diese drei unterschiedlichen Spezies werden als Chronotypen bezeichnet und sind im Alltag meist sehr deutlich zu erkennen. Wer morgens ohne Wecker zu früher Uhrzeit aus dem Bett kommt, tagsüber nur selten müde ist, dafür aber früh zu Bett geht, gehört zur Kategorie der Lerchen. Die Eulen hingegen kommen nur mit dem Wecker aus dem Bett und erreichen ihr Leistungshoch erst am Nachmittag. Sie bleiben dafür lange wach und gehen erst deutlich nach Mitternacht zu Bett. Die Grundlage des individuellen Chronotyps ist genetisch festgelegt und nicht veränderbar.

Wie kommt es zur Verstellung der inneren Uhr?

Die biologische Uhr wird insbesondere durch den Tag-Nacht-Rhythmus, der durch die Rotation der Erde vorgegeben ist, synchronisiert. Der menschliche Körper nutzt also die intensive blaue Strahlung des Tageslichts, um die innere Uhr nachzustellen. Es ist dem modernen Lebensstil zu verdanken, dass die Verschiebung der inneren Uhr so deutlich zu Tage tritt. In früheren Zeiten, als das Leben überwiegend im Freien stattfand, wurde die innere Uhr permanent mit dem Stand der Sonne abgeglichen. Dieser natürliche Taktgeber ist heutzutage weitgehend entfallen, da sich der moderne Mensch zu durchschnittlich 90% in Innenräumen aufhält. Das künstliche Licht an einem Büroarbeitsplatz ist beispielsweise etwa 140mal schwächer als die direkte Sonneneinstrahlung im Freien. Das elektrische Licht, permanente Bildschirmarbeit und eine 24-Stunden-Gesellschaft entfernen den Menschen zunehmend vom Rhythmus der Natur. Dies hat zur Folge, dass die innere Uhr, die täglich einer Neujustierung bedarf, immer stärker mit Problemen zu kämpfen hat. Eine Störung des Schlaf-Wach-Rhythmus kann die Folge sein.

Finnische Wissenschaftler untersuchten den Einfluss des Chronotyps auf das Bewegungsverhalten

Forscher der Universität von Oulu in Finnland gingen der Frage nach, ob der Chronotyp, neben dem Schlaf-Wach-Rhythmus, auch das Bewegungsverhalten beeinflussen kann. In einer groß angelegten Studie, die im Juni 2020 im „Scandinavian Journal of Medicine & Science in Sports“ veröffentlicht wurde, beobachteten die Wissenschaftler das individuelle Bewegungsverhalten der drei Chronotypen. An der Studie nahmen insgesamt 5.156 Probanden teil, die auf Basis eines Fragebogens in Morgentypen, Normaltypen und Abendtypen eingeteilt wurden. Die Studienteilnehmer waren zum Zeitpunkt der Datenerhebung alle um die 46 Jahre alt und hatten für 14 Tage rund um die Uhr ein Fitnessarmband zu tragen, welches ihre physische Aktivität erfasste. Die Displays der Bewegungstracker waren dabei geschwärzt, um sicherzustellen, dass deren Messergebnisse die Teilnehmer nicht zu mehr Sport motivierte. Die Forscher werteten die Daten beider Geschlechter getrennt aus, da sich Bewegungsmuster und Chronotyp bei Männern und Frauen unterscheiden können. Darüber hinaus wurden potenziell störende Einflussfaktoren wie Body-Mass-Index, Nikotin- und Alkoholkonsum, Bildungsniveau, Familienstand, körperliche Bewegung bei der Arbeit und die Prävalenz diagnostizierter Krankheiten bei der Datenanalyse herausgerechnet.

Morgenmenschen bewegen sich mehr als Abendmenschen

Die Studie konnte eindeutig zeigen, dass sich die Früh- und Normaltypen im Schnitt mehr oder zumindest intensiver bewegten als die Spättypen. Dieser Effekt war bei den Männern ausgeprägter als bei den Frauen. Männliche Lerchen hatten im Durchschnitt täglich einen etwa 30minütigen Spaziergang mehr an Bewegung als männliche Eulen. Bei den Frauen zeigten die Morgentypen durchschnittlich ca. 20 Minuten mehr Bewegungsaktivität als die Abendtypen. Auf den ersten Blick mag dies nur eine geringe Differenz darstellen. Auf mittel- bis langfristige Sicht kann dies jedoch ganz erhebliche Auswirkungen auf den Gesundheitszustand haben. Geringe körperliche Aktivität erhöht die Sterblichkeit ähnlich stark wie der Konsum von Tabak und ist weltweit für mehr als 5 Millionen Todesfälle pro Jahr verantwortlich[1]. Zahlreiche Studien belegen zudem, dass Bewegungsmangel mit einer ansteigenden Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Übergewicht, Adipositas und chronischen Krankheiten verbunden ist[2-4]. Zudem hat sich eine verstärkte physische Aktivität bei der Verbesserung der Schlafqualität als wirksam erwiesen[5].

Warum bewegen sich Lerchen mehr als Eulen?

Die Beobachtungsstudie aus Finnland zeigte eine Korrelation zwischen den Morgenmenschen und einer erhöhten physischen Aktivität. Allerdings konnte die Studie nicht beweisen, dass es auch einen kausalen Zusammenhang gibt. Letztlich könnten auch andere Einflussfaktoren dazu geführt haben, dass sich die Frühtypen mehr bewegten als die Spättypen. Dies ist jedoch wenig wahrscheinlich, da sich die Ergebnisse mit einer anderen Studie, die ebenfalls in Finnland durchgeführt wurde, decken, die das Bewegungsverhalten von 4.904 Menschen in Bezug zum Chronotyp untersuchte[6]. Die finnischen Forscher vermuten, dass die Eulen, die nur mithilfe des Weckers in den Tag starten können, den ganzen Tag über auffallend müde sind und demzufolge weniger Lust haben, zu joggen oder ins Fitnesscenter zu gehen. Außerdem bieten die meisten Sportvereine oder Sportstudios am späten Abend nicht mehr so viele Kurse an. Dies könnte dazu führen, dass die Eulen abends länger vor dem TV-Bildschirm sitzen, während die Lerchen längst schon schlafen.

Das Bewegungsverhalten nach dem Chronotyp ausrichten

Aufgrund der Tatsache, dass physische Aktivität von enormer Bedeutung für den Gesundheitszustand ist, lassen die Studienergebnisse nur eine Schlussfolgerung zu: Es ist überaus sinnvoll das Leben, und damit auch das Bewegungsverhalten, nach der inneren Uhr auszurichten, und nicht nach den Anforderungen des sozialen Umfelds. Im Falle eines Abendmenschen würde dies bedeuten, dass er sein Tagwerk erst dann beginnt, wenn ihn seine biologische Uhr aufweckt. Dies hätte zur Konsequenz, dass der Spättyp ausgeschlafen durch den Tag kommt und dann am späten Abend deutlich mehr Lust an körperlicher Bewegung verspürt. Optimalerweise kann er dann im Sportverein oder Fitnessclub einen Kurs besuchen, der auf die individuellen Bedürfnisse von Abendmenschen ausgerichtet ist. Schlafforscher sind sich einig, dass es außerordentlich lohnend ist den Chronotyp zu berücksichtigen, wenn man Spättypen zu vermehrter körperlicher Aktivität bewegen möchte.

 

Anmerkungen:

[1] The Lancet, Volume 380, Ausgabe 9838, Juli 2012, S. 219-229: Lee I-M, Shiroma EJ, Lobelo F, et al.: „Effect of physical inactivity on major non-communicable diseases worldwide: an analysis of burden of disease and life expectancy

[2] British Journal of Sports Medicine, Volume 43, Ausgabe 2, Februar 2009, S. 81-83: Owen N, Bauman A, Brown W.: „Too much sitting: A novel and important predictor of chronic disease risk?

[3] Exercise and Sport Sciences Reviews, Volume 45, Ausgabe 2, April 2017, S. 80-86: Carter S, Hartman Y, Holder S, Thijssen DH, Hopkins ND.: „Sedentary behavior and cardiovascular disease risk: mediating mechanisms

[4] Current Diabetes Reports, Volume 14, Juli 2014, Artikelnummer 522: Dempsey PC, Owen N, Biddle SJ, Dunstan DW.: „Managing sedentary behavior to reduce the risk of diabetes and cardiovascular disease

[5] Journal of Evidence-Based Medicine, Volume 10, Ausgabe 1, Februar 2017, S. 26-36: Kelley GA, Kelley KS.: „Exercise and sleep: a systematic review of previous meta-analyses

[6] Chronobiology International, Volume 32, Ausgabe 8, August 2015, S. 1090-1100: Wennman H, Kronholm E, Partonen T, Peltonen M, Vasankari T, Borodulin K.: „Evening typology and morning tiredness associates with low leisure time physical activity and high sitting

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