Gibt es eine Verbindung zwischen Schlafapnoe und dem Restless-Legs-Syndrom?

5. Juli 2021
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Die Krankheiten Schlafapnoe und Restless-Legs-Syndrom (RLS) zeigen vergleichbare Krankheitssymptome. Sie sind durch Tagesschläfrigkeit, Antriebslosigkeit, Erschöpfung, Gereiztheit, Konzentrationsstörungen und Vergesslichkeit gekennzeichnet. Eine epidemiologische Studie aus Island belegte, dass die Prävalenz des Restless-Legs-Syndroms bei Patienten, die unter schlafbezogenen Atmungsstörungen leiden, erhöht ist.[1] Die Schlafapnoe zählt zu den schlafbezogenen Atmungsstörungen, während das RLS (auch Willis-Ekbom-Krankheit genannt) zu den schlafbezogenen Bewegungsstörungen gehört. Das Restless-Legs-Syndrom (englisch für Syndrom der unruhigen Beine) führt zu Missempfindungen (Kribbeln) in den Beinen in Phasen körperlicher Inaktivität, also zum Beispiel beim Schlafen. Das Syndrom geht mit unwillkürlichen Bewegungen in den Füßen einher, häufig begleitet von periodischen Zuckungen in den Beinen. Die logische Folge sind Ein- und Durchschlafstörungen, was einen wenig erholsamen und effektiven Schlaf nach sich zieht. Eine verringerte körperliche, wie kognitive Leistungsfähigkeit ist dann die Konsequenz. Das exakt gleiche Bild tritt auch bei der Schlafapnoe zutage: Hier fragmentieren die nächtlichen Atemstörungen den Schlaf, was dessen Erholungswert stark negativ beeinträchtigt.

RLS möglicherweise doch keine neurologische Erkrankung?

Da sich die RLS-Symptomatik fast ausnahmslos in den Füßen bemerkbar macht, liegt die Vermutung nahe, dass der Krankheitsursprung ebenfalls in den Beinen liegen könnte. Aus diesem Grund gab es bereits Mitte des letzten Jahrhunderts erste Vermutungen, dass die Krankheit durch eine Dysfunktion der Blutzirkulation in den unteren Extremitäten verursacht sein könnte. Allerdings geriet diese Hypothese schnell in Vergessenheit, als Ärzte die gute Wirksamkeit von dopaminergen Medikamenten (wie z.B. Levodopa) gegen die Symptome des Restless-Legs-Syndroms entdeckten. Darüber hinaus fanden sich auch zahlreiche Hinweise auf einen gestörten Eisen- und Dopaminstoffwechsel im Gehirn von RLS-Betroffenen. Die Ursachen des RLS sind jedoch bis heute nicht eindeutig geklärt. Wissenschaftler aus Finnland erforschten Hinweise, nach denen der intramuskuläre Blutfluss im Unterschenkel von RLS-Patienten vermindert ist und es bei der Willis-Ekbom-Krankheit zu einer Vermehrung von Endothelzellen im vorderen Schienbeinmuskel kommt. Beides könnte auf eine Sauerstoffminderversorgung (Hypoxie) und eine erniedrigte mikrovaskuläre Zirkulation hindeuten.

Finnische Wissenschaftler untersuchten Zusammenhang zwischen Hypoxie und RLS

Im Rahmen einer 2014 im Journal „Neurology“ veröffentlichten Studie erforschten Wissenschaftler der Universität im finnischen Tampere die Verbindung zwischen dem Restless-Legs-Syndrom und Hypoxie in der Beinmuskulatur, bedingt durch verringerten Blutfluss. In der sehr kleinen Studie waren insgesamt 29 Probanden eingebunden: 15 Patienten mit RLS und eine Kontrollgruppe mit 14 symptomfreien Versuchspersonen. Bei den RLS-Patienten wurde transkutan (durch die Haut) der Sauerstoffpartialdruck (SpO2) im Brustbereich und den Füßen, mit und ohne dopaminerge Arzneimittel, gemessen. In der Kontrollgruppe mit den 14 gesunden Testpersonen untersuchten die Ärzte ebenfalls die partielle Sauerstoffsättigung in der Brust und in den Beinen. Der Schweregrad des Restless-Legs-Syndroms wurde von den Studienteilnehmern mittels eines Standardfragebogens, mit einer Skala von 0 (symptomfrei) bis 10 (schwer), beurteilt.

Die RLS-Symptome korrelieren mit dem Ausmaß des Sauerstoffmangels

Die Tests bewiesen, dass die RLS-Patienten ohne Medikation einen deutlich geringeren O2-Partialdruck in den Füßen aufwiesen, als die Probanden in der Kontrollgruppe (5,5 versus 7,2 Kilopascal). Nach Wiederaufnahme der RLS-Medikamente erhöhte sich der durchschnittliche O2-Partialdruck im Bein signifikant um ca. 1,1 Kilopascal, blieb aber noch unter dem Durchschnittswert der Gesunden. Gleichzeitig konnten die Forscher verfolgen, dass sich die Symptome der Willis-Ekbom-Krankheit abschwächten (von 4,2 auf 1,6 auf der 10-Punkte-Skala). Zusätzlich wurde beobachtet, dass bei den Patienten mit den schwersten RLS-Symptomen auch der Sauerstoffpartialdruck in den Füßen am geringsten war. Bei diesen Betroffenen war auch die Differenz zwischen dem O2-Partialdruck im Bein und in der Brust am größten. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass es eine direkte Beziehung zwischen dem Sauerstoffpartialdruck und den RLS-Beschwerden gibt.

Wie sind die Ergebnisse der finnischen Studie zu interpretieren?

Die finnischen Studienautoren kamen zu der Erkenntnis, dass es beim Restless-Legs-Syndrom zu einer peripheren Hypoxie kommt, welche mit dem Ausmaß der Symptome im Zusammenhang steht. Die Forscher vermuteten, dass die Sauerstoffmangelversorgung der kleinen Blutgefäße (Mikrogefäße) an der Pathophysiologie beteiligt ist. Insbesondere die Missempfindungen in den Füßen könnten dadurch ausgelöst werden. Die Studie konnte belegen, dass sich die Sauerstoffsättigung in den Beinen unter Gabe von Dopaminergika erhöhte. Hierfür sei vermutlich der vasodilatorische Nebeneffekt, also die Erweiterung der Blutgefäße, durch das dopaminerge Medikament verantwortlich. Die gefäßerweiternde Wirkung des Arzneimittels würde den Blutfluss in den Füßen verbessern und somit gleichzeitig die Versorgung mit Sauerstoff steigern. Die Verbindung zwischen RLS und Schlafapnoe kann angenommen werden, da die durch Schlafapnoe verursachten Atemstörungen letztlich zu einer Mangelversorgung mit Sauerstoff führen. Dies konnte die finnische Studie allerdings nicht beweisen, da sie lediglich die Korrelation zwischen Hypoxie in den Beinen und RLS-Symptomen evaluierte. Zudem sollten die erhobenen Studiendaten aufgrund der sehr geringen Studiengröße (nur 29 Teilnehmer) mit Zurückhaltung betrachtet werden.

Schlafapnoe als Auslöser für die sekundäre Form des Restless-Legs-Syndroms?

Eine höhere Wahrscheinlichkeit für einen Zusammenhang zwischen den beiden Krankheiten gibt es bei der sogenannten sekundären Form des RLS. Diese wird durch andere Krankheiten ausgelöst. Zu diesen gehört u.a. auch der Diabetes mellitus[2]. Der Diabetes Typ 2 zählt zu den Sekundärerkrankungen, die sehr häufig durch die Schlafapnoe verursacht werden (siehe Blogbeitrag vom 28.06.2019). Die Willis-Ekbom-Krankheit kommt außerdem gering gehäuft vor bei arterieller Hypertonie und nach einem Herzinfarkt oder Schlaganfall[3]. Auch hier gibt es einen gewissen Hinweis für eine Verbindung zur Schlafapnoe, da diese zu nächtlichem Bluthochdruck führt und folglich das Herz- und Kreislaufsystem nachhaltig schwächen und schädigen kann. Die gute Nachricht für alle Betroffenen ist jedoch, dass die Symptome der sekundären Form des RLS verschwinden, wenn der Auslöser eliminiert wurde. Die konsequente Therapie der Schlafapnoe führt üblicherweise dazu, dass sich die RLS-Symptomatik vollständig auflöst.

Was ist Schlafapnoikern, die auch unter RLS-Symptomen leiden, zu empfehlen?

Wissenschaftler der Cleveland Clinic in Ohio gingen in einer Ende 2019 veröffentlichten retrospektiven Studie der Frage nach, wie sich die Überdruckbeatmungstherapie (CPAP-Therapie) bei Schlafapnoe Patienten auf deren RLS-Symptome auswirkte. Insgesamt wurden 434 Schlafapnoe Patienten in die Studie eingebunden. Von ihnen therapierten 325 Personen mit CPAP, während 109 Probanden der Kontrollgruppe angehörten, die nicht mit der nächtlichen Überdruckbeatmung behandelt wurden. Die Veränderung des Schweregrads der RLS-Symptome wurde mittels standardisierter Fragebögen erfasst, indem man die Ausgangswerte zu Studienbeginn mit den Werten der Nachuntersuchungen verglich. Die CPAP-Nutzer zeigten in der Nachbeobachtung statistisch signifikant niedrigere RLS-Beschwerden, als die Teilnehmer der Kontrollgruppe. Gleichzeitig beobachteten die Wissenschaftler aus Cleveland, dass die Reduzierung der RLS-Symptome umso ausgeprägter war, je konsequenter die Teilnehmer ihr CPAP-Gerät nutzten. Die US-Forscher konnten beweisen, dass die CPAP-Anwendung mit einer Verbesserung der Restless-Legs-Symptome verbunden ist. Die Ergebnisse decken sich mit vergleichbaren Studien[4,5], deren Daten allerdings auf deutlich niedrigeren Fallzahlen basieren. Schlafstörungen und Schlaffragmentierungen, die durch Schlafapnoe verursacht werden, sind oftmals Trigger für RLS-Symptome[6]. Eine Verbesserung der Schlafqualität durch die CPAP-Therapie führt daher überwiegend auch zur Linderung der RLS-Beschwerden. RLS-Betroffene, die gleichzeitig unter Schlafapnoe leiden, kann daher nur empfohlen werden, möglichst konsequent mittels CPAP zu therapieren. Wahrscheinlich kann dies auch dazu beitragen, dass die RLS-Medikation reduziert, oder sogar ganz abgesetzt werden kann.

 

Anmerkungen:

[1] European Respiratory Journal, Volume 40, Ausgabe 56, Jan. 2012, S. 463: Benedikstdottir, B.; Arnardottir, E.S.; Janson, C.; Pack, A.; Juliusson, S.; Gislason, T.: „Prevalence of restless legs syndrome among patients with obstructive sleep apnea before and after CPAP treatment, compared to the general population – the icelandic sleep apnea cohort (ISAC) study

[2] Sleep, Volume 30, Ausgabe 7, Juli 2007, S. 866-871: Giovanni Merlino, Lara Fratticci, Mariarosaria Valente, et al.: „Association of Restless Legs Syndrome in Type 2 Diabetes: A Case-Control Study

[3] The Lancet, Volume 12, Ausgabe 8, Aug. 2013, S. 734-735: Raja Mehanna, Joseph Jankovic: „Restless legs syndrome and cerebrovascular disease – Authors‘ reply

[4] Sleep Medicine, Volume 7, Ausgabe 3, April 2006, S. 235-239: Rodrigues, R.N.D.; Pratesi, R.; Krieger, J.: „Outcome of restless legs severity after continuous positive air pressure (CPAP) treatment in patients affected by the association of RLS and obstructive sleep apneas.

 [5] Sleep Medicine, Volume 38, Okt. 2017, S. 17-20: Silva, C.; Peralta, A.R.; Bentes, C.: „The urge to move and breathe—The impact of obstructive sleep apnea syndrome treatment in patients with previously diagnosed, clinically significant restless legs syndrome

[6] Scandinavian Journal of Pain, Volume 17, Ausgabe 1, Okt. 2017, S. 1-7: Stehlik, R.; Ulfberg, J.; Zou, D.; Hedner, J.; Grote, L.: „Perceived sleep deficit is a strong predictor of RLS in multisite pain – A population based study in middle aged females