Kann eine Mandeloperation die Schlafapnoe heilen?

17. Dezember 2021
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Die Ursache der obstruktiven Schlafapnoe liegt überwiegend in einer zu starken Verengung der oberen Atemwege. Hierfür werden als Hauptgründe insbesondere Fehlstellungen der Kiefer, zu kleine Kiefer oder Weichgewebsanomalien (hauptsächlich Vergrößerung der Zunge, auch Zungenhypertrophie oder Makroglossie genannt) diagnostiziert. Darüber hinaus können in seltenen Fällen auch stark vergrößerte Gaumenmandeln (Tonsillenhyperplasie) den Mundrachen (Oropharynx) übermäßig einengen. Nicht selten ist auch die Kombination dieser genannten Faktoren für die Einengung des Rachenraums (Pharynx) verantwortlich. In Verbindung mit dem im Schlaf einsetzenden Weichgewebekollaps (z.B. das Zurückrutschen der Zunge) führt dies zur Blockade (Obstruktion) der zu engen oberen Atemwege, was Atemaussetzer (Apnoen) und Atemflussverringerungen (Hypopnoen) zur Folge hat.

Wie stellt man fest, ob die Tonsillenhyperplasie für die Schlafapnoe verantwortlich ist?

Es gilt herauszufinden, ob die Einengung der oberen Atemwege durch abnormal vergrößerte Gaumenmandeln (ohne Entzündung) verursacht wird. Die Tonsillenhyperplasie ist zwar bei weniger als 10 Prozent der Schlafapnoe Patienten für schlafbezogene Atmungsstörungen ursächlich, allerdings ist die individualspezifische Ursachenabklärung entscheidend für die korrekte Indikationsstellung einer ursachenbezogenen Therapie. Als geeignete Methoden zur Ursachendiagnostik haben sich die orale Untersuchung und insbesondere die Endoskopie, die meist von einem HNO-Arzt durchgeführt wird, erwiesen. Zur genaueren Abklärung kann zusätzlich, während eines künstlich erzeugten Schlafs, der Bereich der oberen Atemwege mit einem dünnen und flexiblen Endoskop funktionell und anatomisch untersucht werden. Mögliche Engstellen im Pharynx und anatomische Besonderheiten können so inspiziert werden. Die ambulante Videoschlafendoskopie gilt als Goldstandard zur Diagnose der Obstruktionsursache und zur Klärung der Frage, ob die Tonsillenhyperplasie daran beteiligt ist. Im Blogbeitrag vom 29.05.2019 werden weitere Details dieser Untersuchungsmethode erläutert.

Wie erfolgreich ist eine Mandeloperation als ursachenbezogene Behandlung der Schlafapnoe?

Die vollständige operative Entfernung der Gaumenmandeln wird als Tonsillektomie bezeichnet. Die Grundlage der medizinischen Indikation dieses chirurgischen Eingriffs bei behandlungswürdiger Schlafapnoe findet sich in der Leitlinie Obstruktive Schlafapnoe bei Erwachsenen: HNO-spezifische Therapie“. In dieser Leitlinie wird auch der Therapieerfolg der Mandeloperation beschrieben. Es wurden insgesamt 12 Einzelstudien ausgewertet, welche die Wirksamkeit einer Tonsillektomie auf die Reduzierung des Atemstörungsindex (Apnoe-Hypopnoe-Index – AHI) untersuchten. Auf Basis der 12 Publikationen zeigte die chirurgische Entfernung der Gaumenmandeln eine Reduzierung des präoperativen AHI von 49,3/h auf 16,7/h nach der Operation. Die Tonsillektomie reduzierte den Atemstörungsindex (AHI) um durchschnittlich circa 66 Prozent. Der sogenannte „Epworth Sleepiness Scale“ (eine Methode zur Erfassung der Tagesmüdigkeit durch Einsatz eines kurzen Fragebogens) verringerte sich durch die Gaumenmandelentfernung von durchschnittlich 11,86 auf 5,04. Die Daten lassen vermuten, dass die Tonsillektomie bei einer leicht- bis mittelgradigen Schlafapnoe die vollständige Befreiung von den typischen Symptomen einer Schlafapnoe erreichte. Bei einer schwergradigen Schlafapnoe (AHI über 30/h) ist anzunehmen, dass der operative Eingriff die Abschwächung der Schlafapnoe Symptome von schwergradig auf leichtgradig bewirkte. Insgesamt ist der Therapieerfolg der Mandeloperation als überdurchschnittlich hoch zu bewerten.

Die Tonsillotomie als Alternative zur Tonsillektomie

In den letzten Jahren hat sich insbesondere die chirurgische Verkleinerung der Gaumenmandeln, die als Tonsillotomie bezeichnet wird, immer stärker etabliert. Im Unterschied zur vollständigen Gaumenmandelentfernung werden bei dieser Methode nur die überschüssigen Gewebeanteile operativ entfernt, die in den Rachen hineinragen, und so die oberen Atemwege entsprechend einengen. Die Wirksamkeit der Tonsillotomie bei Erwachsenen, zur Therapie der Schlafapnoe, ist interessanterweise bisher nicht durch entsprechende klinische Studien evaluiert worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Tonsillotomie ähnliche Therapieeffekte erzielt, wie die Tonsillektomie. Zumindest dann, wenn bei der Verkleinerung der Tonsillen darauf geachtet wird, einen möglichst großen Volumeneffekt im Pharynx zu schaffen.

Empfehlung zur Gaumenmandeloperation bei obstruktiver Schlafapnoe

Die operative Gaumenmandelentfernung kann eine leicht- bis mittelgradige obstruktive Schlafapnoe sogar heilen, wenn die Tonsillenhyperplasie die alleinige Ursache für die Verengung der oberen Atemwege ist. Die durchschnittliche Reduzierung des Atemstörungsindex (Apnoe-Hypopnoe-Index – AHI) um durchschnittlich 66 Prozent sollte typischerweise dazu führen, dass bei leicht- bis mittelgradiger Schlafapnoe der Apnoe-Hypopnoe-Index auf unter 5 pro Stunde verringert wird. Der Patient würde auf dieser Basis von den typischen Symptomen der Schlafapnoe befreit sein. Eine behandlungspflichtige Schlafapnoe liegt dann nicht mehr vor. In diesen Fällen kann von einer vollständigen Heilung der Krankheit gesprochen werden. Etwas anders verhält es sich bei schwergradiger Schlafapnoe. Die durchschnittliche Reduzierung der schlafbezogenen Atmungsstörungen, durch die Tonsillektomie, um etwa zwei Drittel dürfte nicht ausreichend sein, um eine vollständige Symptomfreiheit zu erreichen und gleichzeitig auch den AHI auf unter 5 pro Stunde zu drücken. Allerdings ist auch eine erhebliche Abschwächung typischer Schlafapnoe Symptome als überdurchschnittlicher Erfolg zu bewerten. Die operative Entfernung der Gaumenmandeln ist jedoch nur dann medizinisch indiziert, wenn die Tonsillenhyperplasie die einzige Ursache der Schlafapnoe darstellt. Denn die Tonsillen übernehmen eine überaus wichtige Funktion: Sie gehören zum Abwehrsystem des Menschen. Durch ihre Lage am Gaumen können sie Krankheitserreger, wie zum Beispiel Bakterien, Viren, Pollen und Gifte aufhalten, die über den Mund eindringen. Die Mandeln übernehmen also einen wichtigen Teil der menschlichen Immunfunktion. Eine leichtfertige chirurgische Entfernung, ohne entsprechend strenge Indikationsstellung, wäre kontraproduktiv und würde dem Patienten letztlich mehr schaden als nützen.