Obstruktive Schlafapnoe und Erkältungskrankheiten

31. März 2023
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Ärzte und Betroffene sind sich darüber im Klaren, dass die obstruktive Schlafapnoe nicht nur die Lebensqualität beeinträchtigt, sondern auch die Lebenserwartung erheblich verkürzen kann. Die Krankheit ist dafür bekannt, das Risiko für eine Vielzahl von Folgeerkrankungen wie Adipositas, Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Depressionen zu erhöhen[1]. Weniger geläufig ist hingegen, dass Schlafapnoe auch das Risiko für Erkältungskrankheiten vergrößert. Im Folgenden wird daher der Zusammenhang zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Erkältungskrankheiten näher beleuchtet und die zugrunde liegende Ursache-Wirkungs-Beziehung erklärt.

Wie entstehen Erkältungskrankheiten?

Erkältungskrankheiten, auch als grippale Infekte bekannt, sind weit verbreitete Atemwegserkrankungen, die durch unterschiedliche Viren ausgelöst werden. Die meisten Erkältungskrankheiten werden durch Rhinoviren verursacht, die sich in der Regel durch direkten Kontakt mit infizierten Personen oder kontaminierten Oberflächen ausbreiten. Einmal im Körper, infizieren die Viren die Schleimhäute der oberen Atemwege, einschließlich der Nasenhöhle, der Nasennebenhöhlen, des Rachens und des Kehlkopfes. Wenn die Viren in die Schleimhäute gelangen, lösen sie eine Entzündungsreaktion aus, bei der das Gewebe anschwillt und übermäßiger Schleim produziert wird. Dies führt zu den typischen Erkältungssymptomen wie verstopfter oder laufender Nase, Halsschmerzen und Husten. Erkältungen sind gewöhnlich selbstlimitierend und klingen innerhalb von 7 bis 10 Tagen wieder ab. Sie können jedoch bei älteren Personen oder Menschen mit geschwächtem Immunsystem auch schwerwiegende Komplikationen auslösen[2].

Korrelation zwischen Schlafdauer- und Qualität und Erkältungswahrscheinlichkeit

Die obstruktive Schlafapnoe ist durch wiederkehrende Atemaussetzer (Apnoen) und Atemflussreduzierungen (Hypopnoen) gekennzeichnet. Diese schlafbezogenen Atmungsstörungen führen nicht nur zu einer Schlaffragmentierung, sondern letztlich auch zu einer Verkürzung der Erholungsphasen im Schlaf (Tiefschlaf und REM-Schlaf). Die Schlafapnoe stellt mit großem Abstand die häufigste Form einer organischen Schlafstörung dar. Im Ergebnis führt sie zu verminderter Schlafqualität und zu Schlafmangel, was am Ende eine Reduzierung des körperlichen und kognitiven Leistungsvermögens und eine erhöhte Infektwahrscheinlichkeit nach sich zieht.

In einer im Oktober 2021 in der Fachzeitschrift „Sleep Health“ veröffentlichten Studie untersuchten Forscher der Universität von Kalifornien den Einfluss von unzureichender oder gestörter Nachtruhe auf die Häufigkeit von Erkältungskrankheiten. Obwohl die Studie keine direkte Verbindung zwischen der obstruktiven Schlafapnoe und der Erkältungswahrscheinlichkeit untersuchte, ist es höchstwahrscheinlich, dass die von der Schlafapnoe ausgehenden Schlafstörungen das Risiko für grippale Infekte erhöhen. Die Auswertung der Daten von 59261 Teilnehmern der Nationalen Gesundheitsbefragung („National Health Interview Survey“) des US-amerikanischen Gesundheitsministeriums aus den Jahren 2010 und 2015 zeigte, dass Personen, die nur 5 oder weniger Stunden schliefen, im Vergleich zu Personen, die 7 bis 8 Stunden schliefen, ein um 44 Prozent gesteigertes Erkältungsrisiko hatten[3].

Schlafqualität und Erkältungsrisiko: Bestätigt durch weitere US-Studie

Die Kernaussage der kalifornischen Studie wird durch eine weitere US-Studie bestätigt: Wissenschaftler aus Pennsylvania und Virginia erforschten die Verbindung zwischen der Schlafqualität und der Anfälligkeit für Erkältungskrankheiten. Hierfür wurden 153 gesunde Männer und Frauen im Alter von 21 bis 55 Jahren rekrutiert. Über einen Zeitraum von 14 Tagen berichteten die Teilnehmer täglich über ihre Schlafdauer- und Effizienz, sowie darüber, ob sie sich ausgeruht fühlten. Anschließend wurden sie einer viralen Infektion ausgesetzt und fünf Tage lang auf Erkältungssymptome überwacht. Die Ergebnisse belegten, dass Personen, mit weniger als 7 Stunden Schlaf pro Nacht, im Vergleich zu Personen mit mindestens 8 Stunden Schlaf, ein um 2,94-fach erhöhtes Risiko hatten eine Erkältung zu entwickeln. Eine ähnliche Assoziation wurde auch zwischen geringer Schlafeffizienz (<92%) und einem 5,50-fach höheren Erkältungsrisiko beobachtet, verglichen mit einer Schlafeffizienz von mindestens 98%. Die Zusammenhänge konnten nicht durch Unterschiede in virusspezifischen Antikörpern (vor dem Experiment), der Demografie, der Jahreszeit, dem Körpergewicht, dem sozioökonomischen Status, psychologischen Variablen oder Gesundheitspraktiken der Probanden erklärt werden. Die Ergebnisse legten nahe, dass eine ungenügende Schlafqualität, in den Wochen vor einer viralen Exposition, die Erkältungsanfälligkeit steigerte.

Warum erhöht Schlafapnoe die Erkältungswahrscheinlichkeit?

Der durch Schlafapnoe ausgelöste Schlafmangel steht im Verdacht das Immunsystem zu schwächen. Diese Hypothese wurde durch eine im Jahr 2019 veröffentlichte Studie im „Journal of Experimental Medicine“ unterstützt. Forscher der Universitäten Tübingen und Lübeck rekrutierten für ihr Experiment 10 gesunde Testpersonen. Alle Probanden durchliefen jeweils zwei experimentelle Szenarien: Einmal durften sie während eines 22-Stunden-Zeitraums nachts acht Stunden schlafen, während sie im Folgeszenario über die gesamten 22 Stunden wach bleiben mussten. Die Daten zeigten, dass der Immunschutz bei Schlafmangel schlechter funktionierte. Verantwortlich sind die sogenannten T-Zellen, die für die menschliche Immunabwehr zuständig sind. Sie zirkulieren im Blutkreislauf und suchen nach Erregern. Ohne Schlafdefizit können sich die T-Zellen relativ problemlos an infizierte Zellen anheften und diese eliminieren. Das Experiment belegte, dass den Immunzellen diese Fähigkeit bei Schlafmangel zunehmend verloren ging.

Die Wissenschaftler wiesen in ihren Untersuchungen nach, dass das Stresshormon Adrenalin (wird besonders während nächtlicher Apnoen ausgeschüttet) und Prostaglandine, sowie der Botenstoff Adenosin die Fähigkeit der T-Zellen, sich an andere Zellen anzuheften (Adhäsion), deutlich reduziert haben. Den Studienteilnehmern wurden jeweils in beiden Versuchsabläufen mehrere Blutproben entnommen. Aus diesen wurde das Plasma, also der flüssige Anteil des Blutes, der lösliche Stoffe wie Hormone enthält, zentrifugiert. Das Blutplasma der Probanden ohne Schlaf wies eine verringerte Adhäsionsfähigkeit der T-Zellen auf, verglichen mit dem Plasma der Testpersonen, die geschlafen hatten.

Wie nächtlicher Sauerstoffabfall das Immunsystem schwächt

Die Atemstörungen (Apnoen und Hypopnoen) der Schlafapnoe führen zu einem Sauerstoffmangel (Hypoxie) im arteriellen Blut. Dies kann zu einer Beeinträchtigung der Immunantwort führen und die Fähigkeit des menschlichen Immunsystems, Erkältungskrankheiten abzuwehren, reduzieren. Studien haben bewiesen, dass Hypoxie die Funktion von Immunzellen wie T-Zellen, B-Zellen und natürlichen Killerzellen beeinträchtigt, die an der Bekämpfung von Infektionen beteiligt sind. Insbesondere wurde festgestellt, dass Hypoxie die Proliferation (Zellteilung und Zellwachstum) von T-Zellen und die Produktion von Interleukin-2 (IL-2), einem wichtigen Signalmolekül für die T-Zell-Aktivierung, hemmt[4]. Darüber hinaus besteht wissenschaftlicher Konsens, dass Hypoxie die Erzeugung von Antikörpern durch B-Zellen vermindert. Gleichzeitig wird das Potenzial von natürlichen Killerzellen, virale Zellen zu erkennen und abzutöten, abgeschwächt[5].

Es wurde auch erforscht, dass Sauerstoffmangel die Expression von Immunmodulatoren und Zytokinen, welche die Immunantwort regulieren, beeinflusst. Zum Beispiel wurde aufgezeigt, dass Hypoxie die Bildung von Interferon-gamma (IFN-γ) verringert, einem wichtigen Zytokin, das an der Kontrolle von viralen Infektionen beteiligt ist[6]. Hypoxische Bedingungen können auch dazu beitragen, dass die Produktion von Hypoxie-induzierbaren Faktoren (HIF) gesteigert wird. Diese können Entzündungsreaktionen begünstigen und die Immunantwort einschränken[7].

Ursachenbezogene Therapie der Schlafapnoe, um Folgeerkrankungen vorzubeugen

Eine konsequente Therapie der Schlafapnoe ist von entscheidender Bedeutung, um das Immunsystem zu stärken und damit potenziellen Erkältungen vorzubeugen. Als Goldstandard gilt die nächtliche Beatmung mittels CPAP (continuous positive airway pressure). Die hierbei eingesetzte CPAP-Maske stellt allerdings gerade während einer Erkältung eine große Herausforderung dar, weil Erkältungssymptome, wie eine verstopfte Nase, den Einsatz der Maske erschweren oder sogar vollständig verhindern können. Um langfristig eine erfolgreiche Behandlung zu gewährleisten, ist es sinnvoll auch alternative symptomatische Therapieformen, wie z.B. die Unterkieferprotrusionsschiene oder den Zungenschrittmacher, in Erwägung zu ziehen. Als bestmögliche Behandlung gilt die ursachenbezogene Therapie mittels Kieferumstellungsosteotomie. Sie führt zu einer dauerhaften Erweiterung der anatomisch verengten oberen Atemwege, was letztlich die Ursache der Schlafapnoe beseitigt[8]. Die Kausaltherapie verhindert präventiv mögliche Folgeerkrankungen der Schlafapnoe, wie z.B. Bluthochdruck, Diabetes Typ 2 oder kardiovaskuläre Ereignisse (Herzinfarkt, Schlaganfall). Sie steigert die Lebensqualität durch verbesserten Schlaf und reduziert das Risiko von Tagesmüdigkeit und Konzentrationsproblemen. Insbesondere wird dadurch der lebenslange Einsatz von symptomatischen Hilfsmitteln vermieden.

Anmerkungen:

[1] Mayo Clinic: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/obstructive-sleep-apnea/symptoms-causes/syc-20352090

[2] Mayo Clinic: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/common-cold/symptoms-causes/syc-20351605 

[3] Sleep Health, Volume 7, Ausgabe 5, Okt. 2021, S. 638-643: Aric A. Prather, Judith E. Carroll: Associations between sleep duration, shift work, and infectious illness in the United States: Data from the National Health Interview Survey“

[4] European Journal of Immunology, Volume 43, Ausgabe 6, Juni 2013, S. 1588-1597: Timo GaberCam Loan TranSaskia SchellmannMartin HahneCindy StrehlPaula HoffAndreas RadbruchGerd-Rüdiger BurmesterFrank Buttgereit: „Pathophysiological hypoxia affects the redox state and IL-2 signalling of human CD4+ T cells and concomitantly impairs survival and proliferation“

[5] Experimental Cell Research, Volume 356, Ausgabe 2, Juli 2017, S. 197-203: Natalie Burrows, Patrick Henry Maxwell: „Hypoxia and B cells“

[6] Cytokine, Volume 164, Apr. 2023, 156138: Miriam HanckováLucia MihálikováSilvia PastorekováTatiana Betáková: „Hypoxia alters the immune response in mouse peritoneal macrophages infected with influenza a virus with truncated NS1 protein“

[7] Nature Reviews Immunology, Volume 17, Ausgabe 12, Dez. 2017, S. 774-785: Cormac T. TaylorSean P. Colgan: „Regulation of immunity and inflammation by hypoxia in immunological niches“

[8] Sleep Medicine Reviews, Volume 14, Ausgabe 5, Okt. 2010, S. 287-297: Jon-Erik C. HoltyChristian Guilleminault: „Maxillomandibular advancement for the treatment of obstructive sleep apnea: a systematic review and meta-analysis“