Gibt es eine Verbindung zwischen der Schlafapnoe und (Schlaf-)Bruxismus?

26. Mai 2023
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Schlafapnoe und (Schlaf-)Bruxismus sind zwei weit verbreitete, aber häufig unterdiagnostizierte Schlafstörungen, die erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen haben. Schlafapnoe, gekennzeichnet durch wiederholte nächtliche Atempausen, kann zu Tagesmüdigkeit, kardiovaskulären Erkrankungen und anderen Komplikationen wie zum Beispiel Typ 2 Diabetes oder Depressionen führen. Bruxismus, das unbewusste Zähneknirschen oder -pressen, vorwiegend im Schlaf, verursacht oft Zahnschäden, Kieferbeschwerden und Kopfschmerzen[1]. Beide Störungen sind in der medizinischen Gemeinschaft gut bekannt, doch ihr möglicher Zusammenhang wird noch intensiv erforscht. Es gibt Hinweise darauf, dass Schlafapnoiker ein höheres Risiko für Bruxismus haben und umgekehrt. Im Folgenden wird die aktuelle Forschung zur möglichen Verbindung der beiden Krankheitsbilder beleuchtet und die sich daraus ergebenden Auswirkungen diskutiert.

Unklare Ursachen von Bruxismus

Die Ursachen des Bruxismus sind bis heute nur vergleichsweise wenig erforscht. Die Studienlage ist entsprechend schwach, sodass es nicht möglich ist, von gesicherten Erkenntnissen zu sprechen. Beispielsweise ist bis heute nicht geklärt, ob beim Bruxismus auch eine genetische Veranlagung eine Rolle spielen könnte. Als Risikofaktoren gelten Schnarchen[2], die obstruktive Schlafapnoe[3], Alkohol[4], Rauchen[4] und Koffein[4]. Sowohl eine Zahn- oder Kieferfehlstellung könnten das unbewusste Zähneknirschen begünstigen, genauso wie unbewältigter Stress[4] oder Angst[4]. Es wird angenommen, dass sowohl psychologische, als auch physiologische Faktoren einen Einfluss haben.

Wie wird Bruxismus behandelt?

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind keine Therapien zur Heilung von Bruxismus bekannt. Die symptomatische Behandlung zielt daher in erster Linie auf den Schutz der Zähne, die Verminderung der Bruxismusaktivität und die Linderung von Schmerzen ab. Sie kann eine Vielzahl von Ansätzen umfassen, darunter Stressmanagementtechniken, Biofeedback, Verhaltensänderungen, Physiotherapie, Zahnschienen und in seltenen Fällen Medikamente oder chirurgische Eingriffe[5].

Stressmanagement und kognitive Verhaltenstherapie haben sich als hilfreich gezeigt, insbesondere wenn der Bruxismus durch psychologische Faktoren wie Stress oder Anspannung ausgelöst wird[5]. Biofeedback wird oft dann eingesetzt, um Betroffenen zu helfen ihre ungewollte Muskelaktivität zu erkennen und besser zu kontrollieren. Derartige Ansätze haben sich besonders bei der Therapie von Wachbruxismus als wirksam erwiesen[5].

Bei körperlichen Symptomen trägt der Einsatz von Zahn- oder Aufbissschienen, die meist nachts getragen werden, dazu bei, die Zähne vor weiterem Verschleiß zu schützen und die Muskulatur der Kiefer zu entspannen. In einigen schweren Fällen können auch Medikamente in Betracht gezogen werden. Die Injektion von Botulinumtoxin in die Kaumuskulatur bewirkt eine Verringerung ihrer Aktivität und somit eine Entlastung der Zähne[5]. Dadurch kommt es zu einer Abnahme des Zähneknirschens und der damit verbundenen Schmerzen.

Mögliche Verbindungen zwischen Schlafapnoe und Bruxismus

Eine Assoziation zwischen Schlafapnoe und (Schlaf-)Bruxismus ist auf Basis der derzeitigen Studienlage sehr wahrscheinlich. Eine 2017 in der Fachzeitschrift „Journal of Oral Rehabilitation“ veröffentlichte Übersichtsarbeit belegte, dass Schlafbruxismus-Ereignisse überdurchschnittlich häufig in engem zeitlichem Zusammenhang mit der Beendigung von schlafbezogenen Atmungsstörungen (Arousals) stehen[6]. Eine weitere Studie, die 2014 im „Open Respiratory Medicine Journal“ publiziert wurde, fand heraus, dass Schlafapnoiker signifikant häufiger unter Bruxismus leiden, als die Allgemeinbevölkerung. Die Datenauswertung der Studie zeigte, dass Schlafbruxismus bei etwa einem Viertel der Patienten mit Schlafapnoe auftrat.

Theorien zur gemeinsamen Ätiologie

Die Beziehung zwischen der obstruktiven Schlafapnoe und Schlafbruxismus hängt oftmals mit schlafbezogenen Erregungsreaktionen zusammen. Die Beendigung eines apnoischen Ereignisses (Arousal) kann von einer Reihe von Mundphänomenen begleitet sein, wie lautes Schnarchen, Keuchen, Nuscheln oder auch Zähneknirschen. Das Zähneknirschen könnte folglich ein Kompensationsmechanismus der Schlafapnoe darstellen. Es würde dazu dienen, die Muskulatur der oberen Atemwege zu aktivieren und somit einem Verschluss der Luftwege und den daraus resultierenden Atemstillständen entgegenzuwirken[7]. Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Schlafbruxismus erhöht sich mit zunehmendem Stresslevel beim Betroffenen. Die Atempausen der Schlafapnoe lösen im Körper eine Stressreaktion im Schlaf aus. Dies geht mit einer vermehrten Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin und Cortisol einher. Das nächtlich erhöhte Stressniveau kann die Muskulatur im Kieferbereich übermäßig aktivieren, was wiederum zu Zähneknirschen oder -pressen führen kann[8]. Dies wäre eine plausible Erklärung dafür, warum gestiegene Stresszustände als Risikofaktor für Bruxismus gelten.

Eine weitere Hypothese zur Assoziation zwischen Schlafapnoe und Bruxismus beschäftigt sich mit Koffein als Risikofaktor für Bruxismus: Die Weckreaktionen zur Beendigung nächtlicher Apnoen (Atemstillstände) der Schlafapnoe ziehen fast immer eine verstärkte Tagesmüdigkeit nach sich. Um ihre Leistungsfähigkeit tagsüber aufrechtzuerhalten, greifen daher viele Betroffene vermehrt zu koffeinhaltigen Substanzen. Forscher vermuten, dass Koffein das zentrale Nervensystem stimuliert und die Muskelaktivität im Kieferbereich erhöht[9]. Diese gesteigerte Muskelaktivität kann das Zähneknirschen oder -pressen während des Schlafs auslösen.

Wechselwirkungen zwischen Schlafapnoe und Bruxismus

Die derzeitige Studienlage deutet daraufhin, dass es zwischen beiden Krankheitsbildern auch Wechselwirkungen gibt. Erste kleine Studien konnten zeigen, dass eine effektive Behandlung der Schlafapnoe mittels kontinuierlicher positiver Atemwegsdruckbeatmung (CPAP – continuous positive airway pressure) häufig mit einer Reduzierung oder sogar dem völligen Verschwinden des nächtlichen Zähneknirschens einhergeht[10,11]. Auch die Therapie der obstruktiven Schlafapnoe durch eine Unterkieferprotrusionsschiene war geeignet, um eine signifikante Reduktion der Anzahl von Bruxismus-Episoden zu bewirken[10]. Die gezielte Anwendung dieser Behandlungsmethode ermöglichte es, sowohl den Atemwegswiderstand während des Schlafs zu reduzieren, als auch das Auftreten von Bruxismus zu mindern. Diese Befunde deuten darauf hin, dass der Schlafbruxismus mit der Präsenz und Schwere der Schlafapnoe in Verbindung stehen könnte und möglicherweise als eine Manifestation oder Folge der Atemwegsobstruktion anzusehen ist. Umgekehrt kann aber auch das nächtliche Tragen einer Aufbissschiene zum Schutz vor Bruxismus dazu beitragen, die oberen Atemwege im Schlaf offenzuhalten und somit die Symptome der Schlafapnoe zu lindern[5,12]. Eine Aufbissschiene stellt den Unterkiefer in eine leicht nach vorne geschobene Position. Dies trägt dazu bei, den Atemweg zu öffnen, indem der Raum im Rachen vergrößert wird. Eine verbesserte Atemwegspassage reduziert die Wahrscheinlichkeit von nächtlichen Atemwegsblockaden.

Praktische Auswirkungen aus der Verbindung zwischen Schlafapnoe und Bruxismus

Die beschriebene Verbindung zwischen Schlafapnoe und Bruxismus hat weitreichende Auswirkungen auf die klinische Praxis, einschließlich Diagnose und Behandlung. Es ist wichtig, dass Ärzte und Zahnärzte mögliche Überschneidungen beider Krankheitsbilder erkennen und diesbezüglich eine umfassende Untersuchung der Patienten durchführen. Frühzeitige Diagnose und Behandlung können die Prognose und Lebensqualität der Betroffenen verbessern. Es gibt Potenzial für gemeinsame Therapieansätze, beispielsweise kann eine Aufbissschiene für Bruxismus auch die oberen Atemwege bei Schlafapnoe offenhalten. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen verschiedenen medizinischen Fachgebieten, wie Schlafmedizin, Zahnmedizin, Psychologie und Physiotherapie, ist von entscheidender Bedeutung, um eine ganzheitliche Behandlung sicherzustellen, die die individuellen Bedürfnisse der Patienten berücksichtigt.

Fazit zur Assoziation zwischen Schlafapnoe und Bruxismus

Insgesamt lässt sich festhalten, dass eine positive Korrelation zwischen der Häufigkeit apnoischer Ereignisse und dem Auftreten von Zähneknirschen bei obstruktiver Schlafapnoe existiert. Es besteht ein höchst wahrscheinlicher Kausalzusammenhang zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Bruxismus, obwohl dies noch nicht eindeutig durch Studien belegt ist. Die Pathophysiologie des Bruxismus bleibt weiterhin unklar, da die Ursachen in den meisten Fällen nicht eindeutig identifiziert werden können. Es gibt jedoch Hinweise darauf, dass eine erfolgreiche Behandlung der Schlafapnoe, beispielsweise mittels einer CPAP-Maske, auch die Anzahl der Bruxismus-Episoden verringern kann. Wenn (Schlaf-)Bruxismus als Folge der Schlafapnoe betrachtet wird, deutet vieles darauf hin, dass eine erfolgreiche Behandlung der Schlafapnoe mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer signifikanten Verringerung des Zähneknirschens oder -pressens führt.

 

Anmerkungen:

[1] Mayo Clinic: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/bruxism/symptoms-causes/syc-20356095

[2] Singapore Medical Journal, Volume 43, Ausgabe 11, Nov. 2002, S. 554-556: K. L. Kwok, G. Poon, K. W. Chau: „Habitual snoring and sleep bruxism in a paediatric outpatient population in Hong Kong“

[3] Sleep Medicine, Volume 3, Ausgabe 6, Nov. 2002, S. 513-515: A. Oksenberg, E. Arons: „Sleep bruxism related to obstructive sleep apnea: the effect of continuous positive airway pressure“

[4] Chest, Volume 119, Ausgabe 1, Jan. 2001, S. 53-61: M. M. Ohayon, K. K. Li, C. Guilleminault: „Risk Factors for Sleep Bruxism in the General Population“

[5] S3-Leitlinie „Diagnostik und Behandlung von Bruxismus“, Mai 2019, Deutsche Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK)

[6] Journal of Oral Rehabilitation, Volume 44, Ausgabe 2, Feb. 2017, S. 144-153: L. JokubauskasA Baltrušaitytė: „Relationship between obstructive sleep apnoea syndrome and sleep bruxism: a systematic review“

[7] Journal of Clinical Medicine, Volume 8, Ausgabe 10, Okt. 2019, 1653: H. MartynowiczP. GacA. BrzeckaR. PorebaA. WojakowskaG. MazurJ. SmardzM. Wieckiewicz: „The Relationship between Sleep Bruxism and Obstructive Sleep Apnea Based on Polysomnographic Findings“

[8] Journal of Prosthodontics, Volume 16, Ausgabe 2, Mrz-Apr 2007, S. 129-135: Y. TaharaK. SakuraiT. Ando: „Influence of chewing and clenching on salivary cortisol levels as an indicator of stress“

[9] Journal of the American Dental Association, Volume 147, Ausgabe 11, Nov. 2016, S. 859-866: E. Bertazzo-SilveiraC. M. KrugerI. Porto De ToledoA. L. PorporattiB. DickC. Flores-MirG. De Luca Canto: „Association between sleep bruxism and alcohol, caffeine, tobacco, and drug abuse: A systematic review“

[10] Chronic Respiratory Disease, Volume 19, Jan-Dez 2022: H. MartynowiczT. WieczorekP. MacekA. WojakowskaR. PorębaP. GaćG. MazurR. SkomroJ. SmardzM. Więckiewicz: „The effect of continuous positive airway pressure and mandibular advancement device on sleep bruxism intensity in obstructive sleep apnea patients“

 [11] Chest, Volume 157, Ausgabe 3, Mrz. 2020, e59-e62: J.-B. MartinotJ.-C. BorelN.-N. Le-DongP. E. SilkoffS. DenisonD. GozalJ.-L. Pépin: „Bruxism Relieved Under CPAP Treatment in a Patient With OSA Syndrome“

 [12] International Journal of Prosthodontics, Volume 19, Ausgabe 6, Nov-Dez 2006, S. 549-556: M.-L. LandryP. H. RompréC. ManziniF. GuitardP. de GrandmontG. J. Lavigne: „Reduction of sleep bruxism using a mandibular advancement device: an experimental controlled study“