Hilft Mouth Taping wirklich? Wirkung, Risiken und wissenschaftliche Fakten

Mouth-Taping

Das sogenannte Mouth Taping gewinnt in den sozialen Medien zunehmend an Aufmerksamkeit. Beim Mouth Taping wird der Mund vor dem Schlafengehen mit Tape verschlossen, um die Nasenatmung zu fördern und dadurch das Schnarchen zu reduzieren sowie die Schlafqualität zu verbessern. Befürworter dieser Methode argumentieren, dass eine konsequente Nasenatmung viele gesundheitliche Vorteile mit sich bringt, während Kritiker vor möglichen Risiken warnen. Es stellt sich die Frage, welche wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Mouth Taping bekannt sind. Kann das Abkleben des Mundes tatsächlich die nächtliche Atmung optimieren, oder handelt es sich eher um einen fragwürdigen Trend? Der folgende Beitrag befasst sich mit den Hintergründen des Mouth Tapings, seiner möglichen Wirksamkeit und den damit verbundenen potenziellen Risiken.

Wie die Mundatmung den Schlaf stört

Die Nasenatmung weist im Vergleich zur Mundatmung eine Reihe von Vorteilen auf, die im Blogbeitrag vom 18.11.2018 ausführlich erörtert werden. Eine im Schlaf vorherrschende Mundatmung kann die Schlafqualität erheblich verschlechtern. Beim nächtlichen Atmen durch den Mund rutscht der Unterkiefer zurück, wodurch die Zunge näher an den Rachen heranrückt. Dies verengt die oberen Atemwege und erhöht die Strömungsgeschwindigkeit der eingeatmeten Luft. Nachfolgend können Vibrationen des weichen Gaumens und des Zäpfchens auftreten, welche die Hauptursache für Schnarchgeräusche darstellen. Je ausgeprägter diese Verengung ist, desto größer ist auch das Risiko für kurzzeitige Atemaussetzer, welche wiederum zu wiederholten Schlafunterbrechungen führen. Die unzureichende Sauerstoffversorgung infolge nächtlicher Atemstörungen kann den Körper zudem in eine Stressreaktion versetzen, wodurch die Schlafarchitektur gestört und die Erholung beeinträchtigt wird[1]. Das gezielte Fördern der Nasenatmung durch das Zukleben des Mundes könnte demnach sowohl das Schnarchen als auch potenzielle schlafbezogene Atemstörungen vermindern.

Wie das Mouth Taping richtig angewendet wird

Für die Anwendung des Mouth Tapings kommen spezielle, hautfreundliche Klebestreifen zum Einsatz, die eigens für diesen Zweck entwickelt wurden. Diese sogenannten „Mouth Strips“ bestehen in der Regel aus hypoallergenem Material und lassen sich rückstandslos entfernen. Alternativ greifen einige Anwender auf medizinisches Kinesiotape oder Micropore-Klebeband zurück, wobei hier besonders auf eine gute Hautverträglichkeit geachtet werden sollte.

Die gängigste Methode des Mouth Tapings ist das vertikale Anbringen eines schmalen Streifens Fixierpflasters mittig über die Lippen. Diese Methode erlaubt eine gewisse Mundöffnung im Notfall und gilt daher als sicherer als das vollständige Abkleben der Lippen mit einem breiten Tape. Einige Hersteller bieten zudem speziell geformte Klebestreifen an, die eine natürliche Lippenbewegung ermöglichen und gleichzeitig die Mundatmung zuverlässig einschränken. Um eine optimale Haftung zu gewährleisten, ist es empfehlenswert, das Tape auf trockene Lippen aufzubringen. Am nächsten Morgen sollte das Mundpflaster behutsam entfernt werden, um Hautirritationen zu vermeiden.

Erste wissenschaftliche Hinweise auf Wirksamkeit des Mouth Taping

Erste wissenschaftliche Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Mouth Taping potenziell positive Effekte auf die nächtliche Atmung haben könnte – zumindest bei bestimmten Patientengruppen. Eine im Herbst 2022 veröffentlichte taiwanesische Studie untersuchte die Auswirkungen des Mouth Tapings bei 20 Probanden mit leichtgradiger obstruktiver Schlafapnoe (OSA), die überwiegend durch den Mund atmeten. Die Ergebnisse zeigten, dass das Zukleben des Mundes zu einer signifikanten Reduktion der Atemstörungen führte: Der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) sank im Median um 43 % (von 8,3 auf 4,7 Ereignisse pro Stunde). Gleichzeitig verringerte sich die Schnarchintensität um mehr als die Hälfte, und nächtliche Sauerstoffabfälle fielen weniger stark aus. Insbesondere Patienten mit stärkerem Schnarchen und höheren Ausgangswerten beim AHI profitierten von dieser Methode.

Trotz dieser vielversprechenden Ergebnisse weist die Studie jedoch deutliche Einschränkungen auf. Mit nur 20 Teilnehmern ist ihre statistische Aussagekraft begrenzt, und es fehlen Langzeitdaten, die den Nutzen sowie mögliche Risiken über einen längeren Zeitraum hinweg untersucht hätten. Ferner wurde die Methode ausschließlich bei Personen mit leichtgradiger OSA getestet, sodass unklar bleibt, ob sich ähnliche Ergebnisse auch bei Patienten mit schwergradiger Schlafapnoe oder bei Personen ohne diagnostizierte Atemstörungen zeigen würden.

Typische Risiken des Mouth Taping und wie man sie vermeidet

Das Mouth Taping richtet sich in erster Linie an Personen, die während des Schlafs unbewusst durch den Mund atmen, obwohl ihre Nasenatmung anatomisch gut funktioniert. Das Zukleben des Mundes soll ihnen dabei helfen, die nächtliche Mundatmung abzutrainieren und die Nasenatmung zu fördern. In diesem Zusammenhang liegt jedoch auch ein Risiko: Ist die Nasenatmung im Schlaf nicht so uneingeschränkt möglich wie angenommen, kann das Abkleben des Mundes unerwünschte und potenziell gefährliche Nebenwirkungen haben.

Aus Praxisberichten geht hervor, dass in derartigen Fällen unterschwelliger Atemstress auftreten kann. Ist die Nase beispielsweise durch eine leichte, jedoch unbemerkte Obstruktion oder Schwellung der Schleimhäute beeinträchtigt, reagiert der Körper möglicherweise auf die erzwungene Nasenatmung mit innerer Unruhe. Dies kann sich in häufigen nächtlichen Weckreaktionen, einer gestörten Schlafarchitektur und einer insgesamt schlechteren Schlafqualität äußern. Darüber hinaus ist bekannt, dass Atemstress während des Schlafs eine unbewusste Anspannung der Kiefermuskulatur auslösen kann – insbesondere bei Menschen, die ohnehin zu Zähneknirschen Bruxismus neigen. Die verstärkte Muskelanspannung kann das Knirschen intensivieren und somit zu Zahnschäden, Verspannungen im Kiefer- und Nackenbereich oder morgendlichen Kopfschmerzen führen.

Das Mouth Taping kann auch für Menschen mit empfindlicher Haut problematisch sein. Wer auf bestimmte Klebstoffe allergisch reagiert oder zu Hautirritationen im Mundbereich neigt, könnte durch das wiederholte Aufkleben und Entfernen des Tapes gereizte oder rissige Lippen entwickeln. Personen, die an wiederkehrendem Lippenherpes leiden, wird empfohlen, beim Anbringen des Tapes Vorsicht walten zu lassen, da der mechanische Reiz des Klebestreifens einen erneuten Virusausbruch begünstigen kann.

Es empfiehlt sich, vor der Anwendung dieser Methode eine ärztliche Abklärung durchzuführen, um anatomische oder funktionelle Einschränkungen der Nasenatmung auszuschließen. Eine schrittweise Herangehensweise, etwa durch das zunächst partielle Abkleben des Mundes mit einem schmalen Tape-Streifen, kann dabei helfen, die individuelle Verträglichkeit besser einzuschätzen. Bei Unsicherheit bezüglich der nächtlichen Nasenatmung sollte das Mouth Taping nur unter sehr sorgfältiger Selbstbeobachtung getestet werden. Treten trotz zugeklebtem Mund regelmäßig Unwohlsein, eine unzureichende Erholung oder morgendliche Verspannungen auf, ist es ratsam, diese Methode kritisch zu hinterfragen.

Mouth Taping nur bei gewohnheitsmäßiger Mundatmung sinnvoll

Erste wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Mouth Taping die nächtliche Atmung verbessern und das Schnarchen verringern kann. Allerdings eignet sich diese Methode nur für Personen, die anatomisch uneingeschränkt durch die Nase atmen können, jedoch aus reiner Gewohnheit nachts durch den Mund atmen. Das Zukleben des Mundes kann in diesem Fall eine sinnvolle Unterstützung darstellen, um den Übergang zur Nasenatmung zu trainieren und dadurch eine bessere Schlafqualität zu erreichen. Es ist jedoch entscheidend, im Vorfeld eine ärztliche Abklärung vorzunehmen, um etwaige Einschränkungen der Nasenatmung feststellen zu können. Die Anwendung der Technik sollte unterbleiben, wenn trotz freier Nasenatmung Unwohlsein oder Stress auftreten.

 

Anmerkungen:

[1] European Respiratory Review, Volume 22, Ausgabe 129, Sept. 2013, S. 365-375: Walter T. McNicholas, Johan Verbraecken, Jose M. Marin: „Sleep disorders in COPD: the forgotten dimension“