Immer mehr Deutsche klagen darüber, dass sie an Werktagen nicht genügend Schlaf bekommen. Die Ursachen hierfür sind sehr unterschiedlich, in den meisten Fällen dürfte es schlichtweg an einer zu hohen Arbeitsbelastung aufgrund familiärer oder beruflicher Verpflichtungen liegen. Hierzu kommt noch die ständige Erreichbarkeit durch eMail, Telefon und Messenger-Dienste. Dieses von Montag bis Freitag angesammelte Schlafdefizit versuchen die Wenigschläfer dann meist durch längeres Schlafen am Wochenende auszugleichen. Hierbei stellt sich die Frage, ob die gesundheitlichen Risiken des werktäglichen Schlafmangels durch das Nachschlafen kompensiert werden können.
Schwedische Langzeitstudie untersuchte das (Schlaf-)Verhalten von etwa 38.000 Menschen
Forscher des Stockholmer Karolinska Instituts evaluierten den Zusammenhang zwischen der Schlafdauer und der Sterblichkeitsrate. Die schwedischen Wissenschaftler werteten dabei die Schlaf- und Lebensgewohnheiten von 38.015 Menschen in Schweden aus, die 1997 an einer landesweiten Studie teilgenommen hatten. Die Probanden wurden zu Beginn der Studie, die 2018 im Journal of Sleep Research veröffentlicht wurde, mittels eines 36seitigen Fragebogens zu ihrem Lebensstil und ihrer Krankengeschichte befragt. Anschließend wurde die Sterblichkeit der Studienteilnehmer durch Abgleich mit dem nationalen schwedischen Sterberegister über einen Zeitraum von 13 Jahren verfolgt. Neben der Schlafdauer wurden auch andere gesundheitliche Einflussfaktoren wie Geschlecht, Body-Mass-Index, Tabak- und Alkoholkonsum, körperliche Aktivität und Schichtarbeit bei der Datenanalyse berücksichtigt.
Schlafmangel ist mit einer deutlich erhöhten Sterblichkeitsrate verbunden
Die schwedische Langzeitstudie zeigte eindeutig, dass zu kurzer Schlaf mit einer erhöhten Mortalität verbunden ist. Erwachsene unter 65 Jahren, die jede Nacht durchschnittlich fünf Stunden oder weniger schliefen, hatten eine um 65% erhöhte Sterberate im Vergleich zu Personen, die täglich sechs oder sieben Stunden schliefen. Die Ergebnisse waren eindeutig statistisch signifikant, so dass andere gesundheitliche Risikofaktoren die erhöhte Sterblichkeit nicht erklären konnten. Bis zum Ende der Studie traten insgesamt 3.234 Todesfälle auf. Die Haupttodesursachen waren Krebs und Herz- und Kreislauferkrankungen.
Langer Schlaf am Wochenende kann einen Schlafmangel kompensieren
Die schwedischen Wissenschaftler gaben jedoch Entwarnung für Menschen, die während der Arbeitswoche ein Schlafdefizit anhäuften und dafür am Wochenende länger schliefen. Tatsächlich zeigten die Studienergebnisse kein erhöhtes Todesrisiko für diejenigen, die werktags fünf oder weniger Stunden schliefen und dafür dann an Wochenendtagen acht oder mehr Stunden Schlaf bekamen. Die Hypothese lautet, dass die positiven Effekte auf die Lebenserwartung vom „Nachholschlaf“ am Wochenende ausgehen. Dies konnte die Studie zwar nicht beweisen, es ist aber höchstwahrscheinlich, dass es sich hierbei nicht nur um eine Korrelation handelte, sondern um eine Beziehung zwischen Ursache und Wirkung.
Auch zu langer Schlaf erhöht die Sterblichkeit
Interessanterweise zeigte die Studie auch, dass zu langer Schlaf ebenfalls mit einer erhöhten Sterblichkeit verbunden war. Die Studienteilnehmer, die durchweg mehr als acht Stunden pro Nacht schliefen, hatten eine um 25% erhöhte Mortalitätsrate. Zwar konnten die Forscher die Ursache hierfür im Rahmen der Studie nicht klären, vermuteten jedoch, dass ein zu langer Schlaf ein Zeichen für eine andere Erkrankung sein könnte. Die Begründung für diese Vermutung klingt plausibel: Wer einen ungestörten Nachtschlaf hat und nicht unter einer anderen Krankheit leidet, der wacht automatisch auf, wenn er die richtige Schlafdosis erhalten hat.
Kein Zusammenhang zwischen Schlafmustern und Sterblichkeit bei Personen ab 65 Jahren
Die schwedische Studie belegte, dass der bei Studienteilnehmern unter 65 Jahren gezeigte Zusammenhang zwischen Schlafdauer und Mortalität bei Personen ab 65 Jahren wieder verschwand. Die Wissenschaftler vermuten, dass ältere Menschen auch werktags tendenziell eher die Schlafmenge bekommen, die sie auch tatsächlich benötigen. Die durchschnittliche Schlafdauer am Wochenende und der Prozentsatz derjenigen, die angaben, sich beim Aufwachen nicht erholt zu fühlen, sank mit zunehmendem Alter. Laut der Studie hatten ältere Menschen im Wochenverlauf mehr Konstanz in ihren Schlafgewohnheiten. Die Studie hatte allerdings auch gewisse Limitierungen, da sie die Teilnehmer nur zu Studienbeginn zu ihren Schlafgewohnheiten befragte. Änderungen in den Schlafmustern der Probanden konnten somit weder verfolgt, noch evaluiert werden.
Die optimale Schlafdauer liegt bei 6 bis 7 Stunden pro Nacht
Die schwedischen Schlafforscher stellten fest, dass die beste Schlafdauer bei Erwachsenen bei sechs bis sieben Stunden pro Nacht liegt. Allerdings gibt es hinsichtlich des individuellen Schlafbedürfnisses eine sehr große Varianz. Diese ergibt sich unter anderem durch die unterschiedlichen Lebensumstände, den Beruf und die Familiensituation. Kinder brauchen allgemein deutlich mehr Schlaf als Erwachsene und bei diesen nimmt das individuelle Schlafbedürfnis mit zunehmendem Lebensalter wieder kontinuierlich ab. Darüber hinaus bestimmen auch die Geschlechterfrage (Frauen schlafen etwas länger als Männer), die Jahreszeit (im Winter ist das Schlafbedürfnis etwas größer als im Sommer) und die eigenen Gewohnheiten über die Länge der Schlafanforderung. Insbesondere sollte der Schlaf nach der eigenen „inneren Uhr“ ausgerichtet werden. Die Schlafforschung unterscheidet hier zwischen zwei unterschiedlichen Schlaftypen: Die Frühaufsteher („Lerchen“) und die Spätaufsteher („Eulen“). Wer entgegen seines eigenen biologischen Rhythmus schläft, bekommt häufig zu wenig Schlaf. Dieser Kurzschlaf ist gesundheitsgefährdend, ebenso wie zu langer Schlaf. Allerdings reduziert ein dauerhaftes Schlafdefizit die Restlebenserwartung deutlich stärker als zu viel Schlaf. Immerhin kann aber ein in der Arbeitswoche aufgebauter Schlafmangel am Wochenende aufgeholt werden. Kurzfristige „Schlafschulden“ können also ohne gesundheitliche Nachteile zurückbezahlt werden.