Das sogenannte „Snoozen“ gehört für viele Menschen fest zum morgendlichen Aufwachritual. Kaum ertönt der Wecker, wird die Schlummerfunktion gedrückt, oft mehrfach hintereinander. In Ratgebern und insbesondere in den sozialen Medien finden sich jedoch immer wieder Warnungen, das Snoozen könne die Gesundheit beeinträchtigen und die Schlafqualität langfristig verschlechtern[1,2]. Derartige Behauptungen klingen alarmierend, sind jedoch in ihrer wissenschaftlichen Grundlage häufig nicht eindeutig belegt. Bislang ist tatsächlich wenig darüber bekannt, welche physiologischen und psychologischen Effekte das wiederholte Unterbrechen des Aufwachprozesses hat. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob das Snoozen lediglich eine harmlose Alltagsgewohnheit ist oder ob damit tatsächlich gesundheitliche Risiken verbunden sind. Der folgende Beitrag analysiert die wissenschaftliche Datenlage und ordnet gängige Annahmen in einen fachlich fundierten Kontext ein.
Ursprung und Bedeutung des Snoozens
Unter dem Begriff „Snoozen“ versteht man das wiederholte Nutzen der sogenannten Schlummertaste eines Weckers oder Smartphones, um den Aufwachprozess hinauszuzögern. Der Begriff leitet sich vom englischen „to snooze“ ab, das mit „dösen“ oder „leicht schlafen“ zu übersetzen ist. Nach Betätigung der Schlummertaste wird das akustische Signal des Weckers unterbrochen und nach einem kurzen Intervall, das in der Regel neun Minuten beträgt, erneut aktiviert. Diese Taktung hat einen historischen Ursprung: Bereits 1913 wurde ein mechanischer Wecker mit einer derartigen Funktion entwickelt, wobei sich das 9-Minuten-Intervall aufgrund technischer Restriktionen durchsetzte und bis heute bei einer Vielzahl von Geräten beibehalten wird[3]. Funktional betrachtet erlaubt das Snoozen eine scheinbare Verlängerung der Nachtruhe in kleinen Etappen, allerdings um den Preis einer wiederholten Unterbrechung des Schlaf-Wach-Übergangs.
Mythen und Vorurteile über das Snoozen
Das Snoozen ist in der öffentlichen Wahrnehmung überwiegend mit negativen Zuschreibungen verbunden. Es gilt nicht selten als Ausdruck mangelnder Disziplin oder ungesunder Lebensführung und wird in eine Reihe mit anderen vermeintlich „schlechten“ Alltagsgewohnheiten gestellt, etwa dem wiederholten Aufschieben von Aufgaben. In Ratgebern und populären Medien findet sich zudem oft die Behauptung, dass das Snoozen zwangsläufig zu einer Störung des natürlichen Schlafrhythmus und einer Minderung der Leistungsfähigkeit am Tag führe. Die wiederholte Unterbrechung des Aufwachprozesses soll ursächlich für erhöhte Tagesmüdigkeit und verringerte Konzentrationsfähigkeit sein[1]. Diese Ansicht zeigt sich jedoch durch vereinfachende Annahmen geprägt, für die bislang nur unzureichende wissenschaftliche Belege vorliegen. Vielmehr gilt es zu differenzieren, in welchem Umfang das Snoozen praktiziert wird und wie es sich im individuellen Schlafverhalten auswirkt.
Wissenschaftliche Erkenntnisse zum Snoozen
Im Jahr 2024 wurde das Snoozen erstmals systematisch wissenschaftlich analysiert. Forscher der Universität Stockholm veröffentlichten im „Journal of Sleep Research“ eine Studie, die das Verhalten sowie die physiologischen Auswirkungen des Snoozens detailliert beleuchtete. In einem experimentellen Setting wurden 31 junge, gesunde Erwachsene, die gewohnheitsmäßig snoozten, in einem Schlaflabor untersucht. Verglichen wurden dabei zwei Szenarien: das unmittelbare Aufstehen nach dem ersten Wecksignal und ein 30‑minütiges Snoozen mit wiederholtem kurzen Einschlafen.
Die Ergebnisse fielen für das Snoozen überraschend positiv aus. Durch das Snoozen verkürzte sich die gesamte Schlafdauer im Durchschnitt lediglich um etwa sechs Minuten – ein unter schlafphysiologischen Gesichtspunkten vernachlässigbarer Wert. Zugleich zeigte sich, dass das Snoozen meist aus leichteren Schlafphasen heraus erfolgte und somit ein abruptes Erwachen aus dem Tiefschlaf verhinderte. Dadurch konnten die Teilnehmenden nach dem Aufstehen schneller in einen wachen und geistig leistungsfähigen Zustand übergehen. Tatsächlich schnitten sie in kognitiven Tests unmittelbar nach dem Aufstehen besser ab als die Vergleichsgruppe ohne Snoozen.
Auch physiologische und emotionale Parameter veränderten sich durch das Snoozen nicht. Weder der Cortisolspiegel als Maß für die Aktivierung der Stressachse noch die Stimmungslage oder das subjektive Wachheitsgefühl zeigten relevante Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Die Wissenschaftler folgerten daraus, dass ein kurzes Snoozen von bis zu 30 Minuten den Schlaf nicht wesentlich stört und sogar dabei helfen kann, die sogenannte Schlafträgheit zu reduzieren. Insbesondere für späte Chronotypen („Eulen“) und Menschen mit ausgeprägter morgendlicher Müdigkeit ist dies von Bedeutung.
Vorteile des Snoozens für Körper und Geist
Zu den entscheidenden Vorteilen des Snoozens zählt die Möglichkeit, den Übergang vom Schlaf zum Wachzustand schrittweise zu gestalten. Dieses allmähliche Aufwachen kann das subjektive Wohlbefinden am Morgen fördern und den Start in den Tag erleichtern. Zudem hilft das Snoozen Personen mit ausgeprägter morgendlicher Trägheit, den Kreislauf sanfter zu aktivieren und den ersten Anforderungen des Tages gelassener zu begegnen.
Auch psychologisch wirkt das bewusste Einplanen einer kurzen „Übergangsphase“ nach dem ersten Wecksignal entlastend, da es das Gefühl vermittelt, den Aufwachprozess selbstbestimmt zu gestalten. Nicht zuletzt ermöglicht das Snoozen eine kurze Phase des mentalen Sammelns, in der sich Körper und Geist auf den bevorstehenden Tag einstellen. Besonders Menschen mit hoher beruflicher oder emotionaler Belastung können davon spürbar profitieren.
Grenzen der bisherigen Studienlage zum Snoozen
Die Aussagekraft der bislang vorliegenden Forschung zum Snoozen ist deutlich eingeschränkt. Die einzige systematische Untersuchung basiert auf einer relativ kleinen Stichprobe von lediglich 31 Teilnehmenden, wodurch die statistische Belastbarkeit der Ergebnisse begrenzt ist. Hinzu kommt, dass ausschließlich Personen untersucht wurden, die bereits ein regelmäßiges Snooze-Verhalten aufwiesen. Ob die beobachteten positiven Effekte auch bei Personen auftreten, die nur gelegentlich snoozen oder dieses Verhalten neu übernehmen, bleibt daher offen.
Die Untersuchung fand unter kontrollierten Laborbedingungen statt, die das natürliche Schlafumfeld sowie Alltagsfaktoren wie beruflichen Stress, Lichtverhältnisse oder individuelle Schlafqualität nur eingeschränkt abbilden. Entsprechend ist die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf die Allgemeinbevölkerung mit Vorsicht zu bewerten. Wie in der Schlafforschung üblich, betonen die Autoren, dass weiterführende Studien mit größeren und diverseren Stichproben erforderlich sind, um die bisherigen Erkenntnisse zu bestätigen und individuelle Unterschiede präziser zu erfassen.
Lichtwecker und Schlafhygiene als Alternativen zum Snoozen
Aus den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen lässt sich ableiten, dass das Snoozen in moderatem Umfang gesundheitlich unbedenklich ist. Wird die Schlummerfunktion in einem zeitlich begrenzten Rahmen von bis zu 30 Minuten genutzt, sind keine nachteiligen Effekte auf Schlafqualität, Stimmung oder Leistungsfähigkeit zu erwarten. Vielmehr kann gezieltes Snoozen für späte Chronotypen einen sanften Übergang zwischen Schlaf und Wachzustand ermöglichen und den Kreislauf allmählich aktivieren.
Gleichzeitig sollte ein übermäßig langes oder wiederholtes Snoozen als mögliches Warnsignal verstanden werden. Wer regelmäßig Schwierigkeiten hat, beim ersten Wecksignal aufzustehen, leidet häufig unter chronischem Schlafmangel oder eingeschränkter Schlafqualität. In solchen Fällen ist es sinnvoller, die tatsächliche Schlafdauer zu verlängern oder die eigenen Schlafgewohnheiten zu überprüfen, anstatt den Aufwachprozess weiter hinauszuzögern.
Als unterstützende Alternative kann der Einsatz eines sogenannten Lichtweckers sinnvoll sein. Durch den simulierten Sonnenaufgang wird der natürliche circadiane Rhythmus angeregt, sodass das Aufwachen physiologisch unterstützt und die Notwendigkeit zum Snoozen beträchtlich reduziert wird. Auf diese Weise lässt sich ein gesünderes und zugleich angenehmeres morgendliches Aufstehen fördern.
Snoozen ist bei maßvollem Einsatz unbedenklich
Die schwedische Studie bringt zum Ausdruck, dass Snoozen nicht per se gesundheitsschädlich ist, sondern bei maßvollem Einsatz sogar Vorteile bieten kann. Wer die Schlummerfunktion gezielt und innerhalb eines begrenzten Zeitrahmens nutzt, profitiert überwiegend von einem sanfteren Aufwachprozess und einem angenehmeren Start in den Tag. Entscheidend bleibt jedoch das Maß: Wiederholtes oder übermäßig langes Snoozen deutet meist auf ein Schlafdefizit hin, das sich nicht durch eine kurze „Nachschlafphase“ kompensieren lässt. Anstatt die Aufstehzeit immer weiter hinauszuzögern, sollte die tatsächliche Schlafqualität in den Mittelpunkt rücken, etwa durch konsequente Schlafhygiene (vgl. Blogbeitrag vom 19.03.2019), feste Aufstehzeiten und gegebenenfalls den Einsatz eines Lichtweckers. Auf diese Weise gelingt ein selbstbestimmter und energiegeladener Start in den Tag, ohne beim ersten Drücken der Snooze-Taste ein schlechtes Gewissen haben zu müssen.
Anmerkungen:
[1] Journal of Physiological Anthropology, Volume 41, Ausgabe 1, Dez. 2022: Keiko Ogawa, Emi Kaizuma-Ueyama, Mitsuo Hayashi: „Effects of using a snooze alarm on sleep inertia after morning awakening“
[2] Sleep, Volume 45, Ausgabe 10, Aug. 2022, zsac184: Stephen M. Mattingly, Gonzalo Martinez, Jessica Young, Meghan K. Cain, Aaron Striegel: „Snoozing: an examination of a common method of waking“
[3] SWR: https://www.swr.de/leben/gesundheit/schlummertaste-das-bewirkt-die-snooze-funktion-am-wecker-100.html






