Risiko Sekundenschlaf

Risiko Sekundenschlaf

Wie wirkt sich die Schlafapnoe auf die Fahrtauglichkeit aus?

Unser Schlaf ist ein unverzichtbarer biologischer Prozess. Ein tiefer und gesunder Schlaf ist mindestens ebenso wichtig wie Essen und Trinken. Der Schlaf erfüllt dabei drei Hauptaufgaben, die mit den Begriffen „Regenerierung“, „Revitalisierung“ und „Reparatur“ beschrieben werden können. Nur ein ausreichend erholsamer und effektiver Schlaf kann diese Funktionen übernehmen. Es ist unstrittig, dass unser Schlaf für unseren Körper eine überlebenswichtige Funktion erfüllt. Allerdings kann der Schlaf zur Unzeit auch genau das Gegenteil bewirken: Ein Sekundenschlaf beim Autofahren kann ein lebensbedrohliches Ereignis darstellen. Bereits wenige Sekunden dieses Kurzschlafs können ausreichen, um die Kontrolle über das eigene Fahrzeug zu verlieren. Das ungewollte Einschlafen für mehrere Sekunden kann sogar tödlich enden, wenn eine Müdigkeitsattacke genau in einer kritischen Verkehrssituation auftritt.

Wie kann die Schlafapnoe zum Sekundenschlaf führen?

Für das ungewollte Einschlafen und die erhöhte Tagesmüdigkeit gibt es zwei Hauptursachen: Entweder hat sich über Tage und Wochen ein zu großes Minus auf dem Schlafkonto angesammelt, oder es liegt eine behandlungsbedürftige Schlafstörung vor. Als die mit Abstand häufigste organische Schlafstörung gilt die obstruktive Schlafapnoe. Sie ist durch Atemaussetzer und Atemflussreduzierungen im Schlaf gekennzeichnet, die durch eine „mechanische Verengung“ der oberen Atemwege verursacht wird. Um den nächtlichen Erstickungstod zu verhindern, schlägt der Körper Alarm und löst eine Weckreaktion aus. Der Schlafende erwacht, begleitet von einem explosionsartigen Schnarchgeräusch, und ringt nach Luft, bis die Atmung wieder einsetzt. Bereits nach wenigen Sekunden schläft der Betroffene wieder ein und die Atemwege verschließen sich erneut. Die nächste Aufweckreaktion beginnt. Dieser ständige Wechsel zwischen kurzen Schlaf- und Wachphasen führt zu einer starken Fragmentierung des Schlafs. Die Nachtruhe ist dann nicht mehr erholsam und eine übermäßige Müdigkeit am Folgetag vorprogrammiert. Diese Tagesschläfrigkeit führt wiederum zu einer reduzierten Monotonietoleranz. Bei langen und reizarmen Autobahnfahrten steigt dann das Risiko, ungewollt kurz am Steuer einzuschlafen, deutlich an.

Wie gefährlich ist der Sekundenschlaf?

Schläfrigkeit im Straßenverkehr kann genauso gefährlich sein, wie alkoholisiert zu fahren. Wer müde ist, reagiert langsamer, zeigt weniger Konzentrationsvermögen und neigt gleichzeitig zu einem riskanteren Fahrstil. Die Fahrleistung wird ganz erheblich beeinträchtigt: Bereits nach 17 Stunden ohne Schlaf ist sie ähnlich schlecht, wie bei einem Blutalkoholspiegel von 0,5 Promille. Ganze 22 Stunden ohne Schlaf entsprechen sogar knapp einem Promille Alkohol. Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat zitiert eine vielbeachtete Studie des HUK-Verbandes, nach der eingeschlafene Fahrer für jeden vierten tödlichen PKW-Verkehrsunfall auf Autobahnen verantwortlich waren. Etwa 16% der schweren Unfälle mit LKW-Beteiligung gehen auf das Konto übermüdeter Berufskraftfahrer. Die übermäßige Schläfrigkeit ist gleichzeitig auch die zweithäufigste Ursache für LKW-Unfälle. Den Zusammenhang zwischen Müdigkeit und Unfallhäufigkeit belegen auch die Statistiken: Nachts, gegen 2 Uhr und nachmittags, gegen 14 Uhr ereignen sich die meisten müdigkeitsbedingten Verkehrsunfälle. Dies kann nicht verwundern, da der Mensch genau zu diesen Zeitpunkten, im Rahmen seines sogenannten circadianen Rhythmus, jeweils sein biologisches Leistungstief erreicht. Die Übermüdung am Steuer verursachte 2019 in Deutschland über 2034 Verkehrsunfälle mit Personenschaden. Die Dunkelziffer ist nach Expertenmeinung sicher höher. Schließlich werden nur die Unfälle auf Schläfrigkeit zurückgeführt, wo dies auch explizit im Polizeiprotokoll angegeben wurde.

Patienten, die unter Schlafapnoe leiden, verursachen mehr als 6-mal häufiger Verkehrsunfälle als andere motorisierte Verkehrsteilnehmer mit ungestörtem Schlaf. Zu diesem Ergebnis kam eine spanische Studie die bereits 1999 im New England Journal of Medicine veröffentlicht wurde. Die spanischen Wissenschaftler bezogen in ihre Fall-Kontroll-Studie insgesamt 102 Autofahrer ein, die nach Autobahn-Verkehrsunfällen zwischen April und Dezember 1995 zur Notfallbehandlung in zwei spanische Krankenhäuser eingeliefert worden waren. Als Kontrollgruppe dienten randomisiert 152 Personen, die im gleichen Zeitraum in spanische Erste-Hilfe-Zentren aufgenommen wurden. Die Forscher sind sich sicher, dass die Gründe für das erhöhte Unfallrisiko bei Schlafapnoikern auf die ausgeprägte Tagesmüdigkeit und die verschlechterte Konzentrationsfähigkeit zurückzuführen sind. Die Einschränkung der Fahrtauglichkeit ist als direkte Folge der schlafbezogenen Atmungsstörungen zu sehen, die das Krankheitsbild obstruktive Schlafapnoe kennzeichnen.

Welche Konsequenzen kann eine behandlungsbedürftige Schlafapnoe für den Führerschein haben?

Aufgrund der Tatsache, dass ermüdungsbedingte Verkehrsunfälle vergleichbar gefährlich sind wie Alkohol oder Drogen im Straßenverkehr, sah sich der Gesetzgeber Mitte 2007 gezwungen, die Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr in Bezug auf Schlafstörungen zu novellieren. Die über 80 verschiedenen Formen von Schlafstörungen zählen seitdem zu den Mängeln, die die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen für längere Zeit beeinträchtigen oder gar aufheben können.

In der abgebildeten Anlage 4 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) wird in der Mängel- und Krankheitenliste die obstruktive Schlafapnoe in mittelschwerer und schwerer Form mit Auflagen versehen.

Anlage 4 FeV

Demnach dürfen Schlafapnoiker nur dann ein Kraftfahrzeug führen, wenn sie ihre Krankheit in geeigneter Form therapieren (also zum Beispiel mit einer CPAP-Maske) und „keine messbare auffällige Tagesschläfrigkeit“ mehr vorliegt. Darüber hinaus sind regelmäßige Kontrollen der Tagesschläfrigkeit notwendig, um die Fahrerlaubnis zu erhalten bzw. diese zu verlängern. Dies wird meist mit einem Vigilanztest (Test zur Messung der Daueraufmerksamkeitsleistung) durchgeführt. Bei LKW-, Bus- und Taxifahrern erfolgt die ärztliche Kontrolle in Abständen von höchstens einem Jahr, bei Motorrad- und Autofahrern soll die ärztliche Begutachtung spätestens nach drei Jahren erneut stattfinden. Werden die genannten Bedingungen eingehalten, gelten Schlafapnoiker als „bedingt fahrtauglich“.

Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass Schlafapnoiker, die unter „messbarer auffälliger Tagesschläfrigkeit“ leiden und ihre Krankheit nicht angemessen therapieren, als „nicht fahrtauglich“ gelten. Die Fahrerlaubnis ist in diesen Fällen von der entsprechenden Behörde einzuziehen.

Für Betroffene ist es wichtig zu wissen, dass das Einschlafen am Steuer zu den schwersten Verkehrsverstößen gehört. Es wird mit dem Fahren unter Alkohol- oder Drogeneinfluss gleichgestellt. Sekundenschlaf mit Unfallfolgen erfüllt einen Straftatbestand und es drohen nach § 315 c StGB (Strafgesetzbuch) bis zu 5 Jahre Haft oder Geldstrafe sowie der Entzug der Fahrerlaubnis. Zudem wird der eigene Versicherungsschutz aufs Spiel gesetzt. Die Kaskoversicherung kann im Fall eines ermüdungsbedingten Verkehrsunfalls die Regulierung des Schadens verweigern.

Gegen Sekundenschlaf hilft nur effektiver und erholsamer Schlaf

Wer erste Anzeichen von Müdigkeit am Steuer bemerkt, sollte schnellstmöglich den nächsten Parkplatz ansteuern. Bereits ein kurzer Powernap von 15 bis 20 Minuten ist meist ausreichend, um den Körper wieder mit ausreichender Energie zu versorgen. Wie im Fachbeitrag vom 28.10.2019 beschrieben, erhöht das kurze Nickerchen das Reaktions-, Leistungs- und Konzentrationsvermögen ganz erheblich. Wer allerdings unter einer chronischen Schlafstörung leidet, wie der obstruktiven Schlafapnoe, der muss entweder auf das Autofahren verzichten, oder seine Krankheit in angemessener Weise therapieren. Hierzu wird meist die Überdruckbeatmungstherapie (CPAP-Behandlung) eingesetzt, um die Tagesmüdigkeit ausreichend zu unterdrücken. Wer hingegen an einer nachhaltigen Beseitigung der Ursache interessiert ist, entscheidet sich für die operative Therapie, die durch Vorverlagerung der Kiefer die oberen Atemwege dauerhaft erweitert, so dass es nachts nicht mehr zu Atemstörungen kommen kann. Durch diese Vorgehensweise wird es möglich wieder mit ruhigem Gewissen am Straßenverkehr teilzunehmen. Darüber hinaus wird hierdurch auch ein großer Beitrag zur Sicherheit der anderen Verkehrsteilnehmer geleistet.

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