Die Zahnschiene – die bessere Alternative zur CPAP-Therapie?

6. November 2018
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Die Überdruckbeatmung mittels CPAP gilt seit Jahrzehnten als Goldstandard in der Therapie der obstruktiven Schlafapnoe. Viele Apnoiker stellen jedoch die Beatmungstherapie schnell wieder ein, weil sie die Maske zu stark beim Ein- und Durchschlafen stört. Auch rein medizinische Gründe wie beispielsweise Kontaktallergien oder nächtliche Panikattacken können dazu führen, dass sich die Maskenbeatmung nicht einsetzen lässt. Als Alternative verordnen die behandelnden Ärzte dann meist eine sogenannte Unterkieferprotrusionsschiene.

Wie funktioniert diese Therapie?

Bei der Unterkieferprotrusionsschiene (von lat.protrusio „vorschieben“) handelt es sich um eine Zahnschiene, die den Unterkiefer gegenüber dem Oberkiefer nach vorne verschiebt. Hierdurch wird auch die Zunge, die am Unterkiefer angewachsen ist, und Weichgewebestrukturen im Unterkiefer und Rachenraum weiter nach vorne positioniert. Die Atemwege im hinteren Rachenbereich weiten sich, der Atemwegswiderstand nimmt ab und die Luft kann ungehindert ein- und ausströmen. Die Zahnschiene wird nach Abformung der Zähne anhand von Kiefermodellen des Patienten individuell im Labor hergestellt. Die Kosten für eine solche individuelle Protrusionsschiene liegen meist zwischen 1.000 Euro und 1.500 Euro.

Wie erfolgreich ist die Unterkieferprotrusionsschiene?

Die Praxis zeigt, dass die Zahnschiene ein äußerst effektives Hilfsmittel gegen lautes Schnarchen ist. In den meisten Fällen wird durch die Schiene das Schnarchen beseitigt oder zumindest deutlich reduziert. Darüber hinaus ist die individuell angefertigte Zahnschiene eine sehr wirksame und auch äußerst komfortable Therapiemethode insbesondere bei leicht- bis mittelgradiger Schlafapnoe. In diesen Fällen gelingt es der Unterkieferprotrusionsschiene die typischen Symptome der Schlafapnoe wirkungsvoll zu unterdrücken. Die Protrusionsschiene wird von der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) bei einfachem Schnarchen oder leichter Schlafapnoe empfohlen.

Wo liegen die Grenzen der Protrusionsschiene?

Insbesondere in Fällen einer schwergradigen Schlafapnoe ist der Vorschub des Unterkiefers, der durch die Zahnschiene erreicht wird, meist nicht groß genug, um eine ausreichende Unterdrückung der Schlafapnoe Symptome zu erreichen. Je höher der Schweregrad der Schlafapnoe, desto stärker muss auch die Vorbewegung des Unterkiefers ausfallen, um ein akzeptables Therapieergebnis (Apnoe-Hypopnoe-Index unter 5 pro Stunde) zu erzielen. Die maximal mögliche Vorbewegung des Unterkiefers liegt bei der Zahnschienentherapie bei deutlich unter 8 Millimeter. Es gibt jedoch viele Fälle von sehr schwergradiger Schlafapnoe, die eine Vorbewegung des Unterkiefers von bis zu 20 Millimeter erforderlich machen.

In diesen Fällen ist also nur eine Verbesserung des Apnoe-Hypopnoe-Index als Erfolg zu bewerten. Das Schlafapnoe heilen ist damit nicht möglich. Hinzu kommt, dass bei schwergradiger Schlafapnoe meist auch eine Vorbewegung des Oberkiefers notwendig ist, um die oberen Atemwege ausreichend stark zu erweitern. Dies ist durch die Zahnschiene bauartbedingt nicht möglich. Um eine Vorhersage über die Effektivität einer Zahnschienentherapie erstellen zu können, ist eine bildgebende Atemwegsanalyse (optimalerweise dreidimensional) notwendig. Zeigt sich, dass die Obstruktion (= Verengung) der oberen Atemwege im Bereich des Oberkiefers liegt, so wird eine Unterkieferprotrusionsschiene nur einen vergleichsweise geringen Therapieeffekt erzielen können. Eine Ursachenerforschung der nächtlichen Atemaussetzer durch eine Röntgenuntersuchung der Atemwege sollte deshalb in jedem Fall vorgenommen werden, bevor eine Zahnschiene individuell im Labor angefertigt wird.

Wo liegen die Nachteile der Zahnschiene?

Es handelt sich um eine vergleichsweise nebenwirkungsarme Schlafapnoe Therapie. Bei längerfristiger Anwendung der Protrusionsschiene werden sich jedoch mehr oder weniger starke Spannungsgefühle im Bereich der Kiefergelenke und der Zähne nicht vermeiden lassen. Je mehr Vorschub des Unterkiefers durch die Zahnschienentherapie erreicht wird, desto größer wird auch das Spannungsgefühl nach einer Tragenacht ausfallen müssen. Die Kräfte, die auf die Kiefergelenke und Zähne einwirken, sind entsprechend größer. Weiterhin wurde beobachtet, dass sich über lange Tragezeiten die Zahnachsen der Zähne verändern können. In der entsprechenden Literatur ist nachzulesen, dass eine vierjähre Tragezeit etwa 1,5 Grad Achsenveränderung der Zähne zur Folge hat.

Welche Vorgehensweise ist zu empfehlen?

Bei leichtgradiger Schlafapnoe ist eine individuell gefertigte Zahnschiene nahezu uneingeschränkt, noch vor der CPAP-Therapie, zu empfehlen. Bei mittelgradiger Schlafapnoe ist die Therapie mittels Schiene eine echte Alternative zur Überdruckbeatmung, falls diese nicht toleriert werden kann. Bei schwergradiger Schlafapnoe sind die Therapieeffekte der Unterkieferprotrusionsschiene meist nicht ausreichend groß genug. Eine Verringerung des Apnoe-Hypopnoe-Index ist jedoch zumindest ein Teilerfolg. Besonders bei schwergradiger Schlafapnoe ist eine deutlich größere Vorbewegung sowohl des Unterkiefers, als auch des Oberkiefers notwendig, um den angestrebten Therapieerfolg zu erreichen. Dies kann nur durch eine operative Therapie mittels Kieferumstellungsosteotomie (bimaxilläres Advancement) mit Rotation erreicht werden.