Schlafbezogene Atmungsstörungen führen zu Übergewicht

2. Mai 2019
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Die allermeisten übergewichtigen Schlafapnoe Patienten erhalten von ihren behandelnden Ärzten die Empfehlung zur Gewichtsreduzierung, um die überflüssigen Pfunde loszuwerden und damit auch gleichzeitig die nächtlichen Atemaussetzer.

Grundsätzlich ist diese Empfehlung immer richtig. Es stellt sich dennoch die Frage, ob es sich hierbei um eine ursächliche Therapieempfehlung handelt, oder doch nur um eine Symptombekämpfung. Die entscheidende Frage ist also: Kommt die obstruktive Schlafapnoe vom Übergewicht oder ist das Übergewicht eine Folge der Schlafapnoe?

Schlafapnoe & Übergewicht – was sagt die Statistik?

Das Statistische Bundesamt hat Ende Oktober 2018 veröffentlicht, dass knapp zwei Drittel der Männer übergewichtig sind. Im Bundesdurchschnitt leiden nach der aktuellen Statistik etwa 18% an Fettleibigkeit (Adipositas). Deutlich stärker vertreten ist die Übergewichtsproblematik bei Schlafapnoe Betroffenen: Die patienteneigene Statistik der MEOCLINIC in Berlin zeigt, dass über 95% der Apnoiker übergewichtig sind. Der Anteil der fettleibigen Patienten liegt hier bei rund 50% und ist damit mehr als 2,5fach so hoch wie im bundesdeutschen Durchschnitt. Alleine diese Statistik belegt also, dass es einen Zusammenhang zwischen der Gefahr einer Gewichtszunahme und den nächtlichen Atemaussetzern gibt.

Übergewicht verursacht Schlafapnoe?

Im Mittelalter nahmen die Menschen im Durchschnitt zwischen 3.500 und 4.000 Kalorien täglich zu sich. Dies entsprach auch in etwa dem täglichen Kalorienverbrauch. Dieser war im Vergleich zu heute deutlich höher, da schwere körperliche Arbeit und lange Arbeitstage den Normalfall darstellten. Übergewichtige Menschen waren im Mittelalter die absolute Ausnahme. Heutzutage liegt der durchschnittliche Kalorienverbrauch nur noch bei rund 2700 täglich. Eine Folge der modernen Arbeitswelt, in der uns Maschinen die meiste körperliche Arbeit abnehmen. Sehr problematisch ist aber, dass wir unsere tägliche Kalorienaufnahme kaum verändert haben: Sie liegt in Deutschland im Durchschnitt bei über 3.500 Kalorien. Deswegen kann es kaum verwundern, dass die Mehrheit der Menschen in Deutschland übergewichtig oder sogar fettleibig ist. Die überflüssigen Fettpolster setzen sich dabei nicht nur am Bauch oder an den Hüften an, sondern auch am Hals zu beiden Seiten des Rachens. Übergewichtige Menschen bilden also Fettgewebspolster, die von außen auf den Rachen drücken. Die Atemwege werden hierdurch eingeengt und der Luftstrom entsprechend behindert. Wenn dann während des Schlafs die Rachenmuskulatur kollabiert, kann sie diesem Druck nicht mehr ausreichend Widerstand leisten. Die oberen Atemwege verschließen sich. Es kommt zu den gefürchteten Atemaussetzern. Das Ausmaß der Fetteinlagerungen korreliert dabei mit dem Schweregrad der Schlafapnoe. Menschen mit einem Doppelkinn und Männer mit einem Halsumfang von über 43 cm (Frauen mit einem Halsumfang von über 38 cm) besitzen nicht nur ein erhöhtes Risiko zu schnarchen, sondern sind auch überdurchschnittlich stark apnoegefährdet. Eine nachhaltige und dauerhafte Gewichtsreduzierung ist deshalb in jedem Fall zu empfehlen. Etliche klinische Studien belegen, dass Apnoiker, die eine signifikante Gewichtsabnahme realisieren, fast immer ihren CPAP-Therapiedruck reduzieren können. In nicht seltenen Fällen ist es sogar möglich, vollständig auf die nächtliche Überdruckbeatmung zu verzichten.

Schlafapnoe trotz Gewichtsreduzierung

Der Mehrheit der Schlafapnoiker gelingt es jedoch nicht ihre Krankheit durch eine Gewichtsabnahme zu überwinden. Dies ist dann der Fall, wenn das Übergewicht eine Folgeerkrankung und nicht die Ursache der Schlafapnoe darstellt. Eine Gewichtsreduzierung würde lediglich die Schlafapnoesymptome abschwächen können, wenn die tatsächlichen Ursachen beispielsweise in einer Kieferfehlstellung (z.B. Ober- und Unterkieferrücklage) oder in Weichgewebeanomalien der Mundhöhle (z.B. übergroße Zunge) begründet sind. Daraus ergibt sich die Folgerung, dass eine obstruktive Schlafapnoe ebenso eine Gewichtszunahme fördern, teilweise sogar auslösen kann.

Keine Fettverbrennung ohne ausreichenden Sauerstoff

Fragt man nach den Gründen für Übergewicht kommen in der Regel nur zwei Antworten: Ein Missverhältnis zwischen Energiezufuhr und Energieverbrauch (überhöhte Kalorienaufnahme) und Bewegungsmangel bzw. zu wenig Sport. Weitestgehend unbekannt ist, dass auch die sogenannte Hypoxie als Verursacher und Beschleuniger für Übergewicht oder Adipositas verantwortlich ist. Unter Hypoxie versteht man eine Minderversorgung des Körpers mit Sauerstoff. Sie ist damit eine typische Folge einer Verengung (Obstruktion) der oberen Atemwege. Die Verengung der Atemwege hat zur Konsequenz, dass mit jedem Atemzug weniger Atemluft, und damit auch gleichzeitig weniger Sauerstoff, in den menschlichen Körper gelangt. Dies hat weitreichende Konsequenzen: Die Folge ist eine Verschlechterung der Zellatmung, bei der über die Nahrung aufgenommene Fette und Kohlehydrate in Energie verwandelt werden. Dabei kann man sich die Funktionsweise des Stoffwechsels (Metabolismus) bei der Zellatmung ähnlich vorstellen, wie die Verbrennung von Benzin in einem Verbrennungsmotor. Auch bei dieser Verbrennung wird Sauerstoff als Oxidationsmittel verwendet. Die Zellatmung ist allerdings keine explosionsartige Verbrennung, wie etwa in einem Automotor, sondern eine „kalte Oxidation“. Die hierbei freiwerdende Energie wird zu großen Teilen in ATP (Adenosintriphosphat) gespeichert. Das ATP ist der menschliche Energiespeicher und durchaus mit einer Batterie vergleichbar. Die beschriebene „kalte Verbrennung“ läuft beim Apnoiker allerdings deutlich schlechter. Dies liegt daran, dass in den Körperzellen die für einen optimalen Metabolismus notwendige Sauerstoffmenge nicht vorhanden ist. In der Folge lagert dann der Körper die nicht verbrannten Nahrungsbestandteile in Form von Fettdepots ein. Übergewicht oder Fettleibigkeit ist mittel- bis langfristig dann die sichtbare Konsequenz dieses Prozesses. Der wissenschaftliche Nachweis über die Zusammenhänge zwischen Hypoxie und der Ausprägung von Adipositas wurde 2012 in einer englischen Studie erbracht.

Gewichtsreduzierung nach Heilung der Schlafapnoe

Unter medizinischen Gesichtspunkten sind insbesondere die Folgeerkrankungen der Adipositas von entscheidender Bedeutung. Die Gesundheitsfolgeschäden wie Diabetes Typ 2, Bluthochdruck, Gelenkschäden, übergewichtsbedingte Infarkte, Schlaganfälle oder Krebserkrankungen verursachen alleine in Deutschland jährlich einen volkswirtschaftlichen Milliardenschaden. Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass die Betroffenen nicht nur eine starke Einschränkung ihrer Lebensqualität hinzunehmen haben, sondern insbesondere auch eine verkürzte Restlebenserwartung. Eine Reduzierung der Morbidität von Schlafapnoe Patienten ist deshalb nur möglich, wenn man die wirklichen Ursachen der Adipositas und deren Folgeerkrankungen ermittelt. Einer der Hauptgründe liegt meist in einer suboptimalen Sauerstoffversorgung der Körperzellen. Dies führt zur beschriebenen Beeinträchtigung des Stoffwechselvorgangs. Eine ursächliche Therapie der Schlafapnoe ist damit fast immer gleichbedeutend mit der Beseitigung der (Haupt-)Ursachen von Übergewicht oder Adipositas. Nach der kausalen operativen Therapie (Atemwegserweiterung durch Kiefervorverlagerung mit Rotation) fällt es den Betroffenen deutlich leichter durch Ernährungsumstellung und mehr Bewegung nachhaltig an Gewicht zu verlieren und insbesondere dieses reduzierte Gewicht auch langfristig zu halten.