Nasenspray-Abhängigkeit: Risiken, Folgen und Wege zur Entwöhnung

Nasenspray-Abhängigkeit

Abschwellende Nasensprays mit Wirkstoffen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin gehören zu den am häufigsten verwendeten Medikamenten in Deutschland. Sie sorgen für eine schnelle Linderung, indem sie die Nasenschleimhäute abschwellen lassen und somit die Atmung durch die Nase erleichtern. Vielen Anwendern ist jedoch nicht bewusst, dass sich bereits nach wenigen Tagen regelmäßiger Anwendung ein Gewöhnungseffekt einstellt, der in eine Abhängigkeit münden kann. Schätzungen zufolge sind in Deutschland etwa 100.000 bis 120.000 Menschen abhängig von abschwellendem Nasenspray. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen. Zusätzlich setzen rund 15 Millionen Menschen solche Präparate zumindest gelegentlich oder „regelmäßig“ bei chronischem Schnupfen ein[1]. Dies kann medizinisch problematisch werden, da sich mit zunehmender Dauer der Verwendung das Risiko für bleibende Schäden an der empfindlichen Nasenschleimhaut vergrößert[2]. Dieser Beitrag beleuchtet die wichtigsten Risiken des langfristigen Gebrauchs abschwellender Nasensprays und zeigt konkrete Wege auf, wie eine erfolgreiche Entwöhnung gelingen kann.

Welche Arten von Nasensprays gibt es?

Nasensprays lassen sich anhand ihrer Wirkstoffe in vier Hauptgruppen unterteilen. Am bekanntesten sind die abschwellenden Präparate mit Wirkstoffen wie Xylometazolin oder Oxymetazolin. Sie wirken bei akut verstopfter Nase kurzfristig sehr effektiv, sind jedoch mit einem Risiko für Abhängigkeit verbunden. Meerwassersprays befeuchten und pflegen die Nasenschleimhaut und gelten auch bei langfristiger Nutzung als gesundheitlich unbedenklich. Pflanzliche Nasensprays enthalten beispielsweise Extrakte aus Eukalyptus oder Kamille und zielen auf eine natürliche Linderung von Schnupfensymptomen ab. Kortisonhaltige Nasensprays werden insbesondere bei der Behandlung von Allergien (z.B. Heuschnupfen oder allergische Rhinitis) sowie bei Nasenpolypen eingesetzt. Sie wirken entzündungshemmend und sind größtenteils verschreibungspflichtig.

Wie abschwellende Nasensprays wirken

Die in abschwellenden Nasensprays enthaltenen Wirkstoffe Xylometazolin oder Oxymetazolin verengen die feinen Blutgefäße in der Nasenschleimhaut. Dieser Vorgang wird in der Fachsprache als Vasokonstriktion bezeichnet. Durch die gezielte Gefäßverengung reduziert sich die Durchblutung der Schleimhaut und führt zu einem rapiden Abschwellen des Gewebes. Der Effekt tritt in der Regel innerhalb weniger Minuten ein und sorgt für eine sofort spürbare Erleichterung der Nasenatmung. Gerade in Fällen einer akut verstopften Nase, wie sie beispielsweise bei einem grippalen Infekt auftritt, empfinden viele Nutzer diese Wirkung als besonders wohltuend. Der freie Luftstrom durch die Nase verbessert nicht nur die Atmung (vgl. Blogbeitrag „Warum die Nasenatmung viel gesünder ist“), sondern kann auch das Einschlafen erleichtern, da eine behinderte Nasenatmung vor allem nachts als besonders störend wahrgenommen wird. Die schnelle und subjektiv als unverzichtbar empfundene Wirkung des Sprays verleitet jedoch dazu, es häufig und reflexartig anzuwenden, selbst dann, wenn keine medizinische Notwendigkeit mehr besteht. In der Folge kann sich ein Gewöhnungseffekt entwickeln, der die erneute Benutzung begünstigt und so schleichend in eine Abhängigkeit münden kann.

Warum Nasensprays abhängig machen können

Die Abhängigkeit von abschwellenden Nasensprays entsteht normalerweise nicht durch eine klassisch psychotrope Wirkung, sondern durch einen sogenannten Rebound-Effekt[3]. Hierbei handelt es sich um eine körpereigene Gegenregulation, die einsetzt, sobald die Wirkung der Medikamente nachlässt. Nachdem die gefäßverengende Wirkung von Xylometazolin oder Oxymetazolin abklingt, typischerweise nach vier bis sechs Stunden, kommt es zu einer verstärkten Erweiterung der Blutgefäße in der Nasenschleimhaut (Vasodilatation). Diese überschießende Reaktion geht mit einer erneuten und oft noch stärkeren Schleimhautschwellung einher, wodurch sich wiederholt das Gefühl einer verstopften Nase einstellt.

Betroffene greifen daraufhin wiederkehrend zum Nasenspray, um die subjektiv empfundene Blockade zu lindern. Dieses Verhalten reizt die Nasenschleimhaut zusätzlich und beeinträchtigt zunehmend die natürliche Regulation der Gefäßweite. Es bildet sich ein Teufelskreis: Die Schleimhaut wird dauerhaft in ihrer Funktion gestört, was wiederum den erneuten Einsatz des Sprays provoziert. Der ursprünglich situative Gebrauch, beispielsweise im Rahmen eines grippalen Infekts, geht letztlich schleichend in eine dauerhafte Anwendung über. Vielen Nutzern bleibt dieser Übergang zunächst verborgen. Langfristig kann daraus eine Abhängigkeit resultieren, die nicht nur psychisch belastend ist, sondern auch das Risiko irreversibler Schäden an der Nasenschleimhaut birgt.

Gesundheitsrisiken bei langfristiger Nutzung von Nasenspray

Der langfristige und unsachgemäße Gebrauch abschwellender Nasensprays kann erhebliche gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. Zu den häufigsten Komplikationen zählt der sogenannte medikamenteninduzierte Dauerschnupfen, auch bekannt als Privinismus[4]. Es handelt sich dabei um eine chronische Schleimhautschwellung, die paradoxerweise durch das ständige Nachdosieren des abschwellenden Sprays selbst verursacht wird. Die Nasenschleimhäute reagieren zunehmend überempfindlich, schwellen ohne medikamentösen Reiz kaum noch ab und verbleiben kontinuierlich in einem angeschwollenen Zustand.

Mit fortschreitender Verwendung trocknet die Schleimhaut immer stärker aus, verliert ihre natürliche Schutzfunktion und wird anfälliger für Reizungen, Mikroverletzungen und entzündliche Prozesse. Durch die dauerhafte Belastung degenerieren die Flimmerhärchen (Zilien), die normalerweise für den Abtransport von Schleim, Staub und Krankheitserregern verantwortlich sind[5]. Im weiteren Verlauf steigt die Anfälligkeit für Infektionen der oberen Atemwege, insbesondere für wiederkehrende Nasennebenhöhlenentzündungen (Sinusitiden).

Auch die Geruchswahrnehmung kann erheblich eingeschränkt werden. Infolge der chronischen Schleimhautreizung und der verminderten Nasenluftzirkulation kann es zu einem partiellen oder vollständigen Geruchsverlust (Hyposmie bzw. Anosmie) kommen. Bei ausgeprägter Schleimhautdegeneration und strukturellen Veränderungen der Nasenmuscheln ist in manchen Fällen sogar ein operativer Eingriff erforderlich, um die Nasenatmung wiederherzustellen. Derartige Maßnahmen sind jedoch mit Risiken verbunden und können das anatomische Gleichgewicht im Nasenraum anhaltend verändern.

Erfolgreiche Wege aus der Nasenspray-Abhängigkeit

Die Entwöhnung von abschwellenden Nasensprays ist in den meisten Fällen möglich, erfordert jedoch Geduld, Konsequenz und in manchen Fällen auch ärztliche Unterstützung. Eine in der Praxis häufig empfohlene Methode ist die sogenannte „Ein-Loch-Entwöhnung“. Bei dieser wird zunächst lediglich ein Nasenloch vollständig vom Spray entwöhnt, während das andere weiterhin behandelt wird. Auf diese Weise kann sich die Schleimhaut des therapiefreien Nasenlochs allmählich regenerieren, während die Nasenatmung insgesamt erträglich bleibt. Nach der Rückbildung der Schwellung im ersten Nasenloch wird auch die Anwendung im zweiten Nasenloch schrittweise beendet. Diese Vorgehensweise hat sich vor allem bei langjähriger Abhängigkeit als effektiv erwiesen, da sie psychisch besser toleriert wird als ein sofortiger vollständiger Verzicht.

In spezifischen Fällen kann der temporäre Einsatz von kortisonhaltigen Nasensprays zielführend sein, um die Entzugserscheinungen zu lindern und die Schleimhautregeneration zu fördern[6]. Die Präparate zeichnen sich durch eine entzündungshemmende Wirkung aus, ohne den für abschwellende Sprays typischen Rebound-Effekt auszulösen. Allerdings sollten sie ausschließlich in Rücksprache mit einem Arzt angewendet werden, da ihre längerfristige Nutzung an spezifische Indikationen (z. B. allergische Rhinitis) und medizinische Kontrollmaßnahmen gebunden ist.

Unabhängig von der gewählten Strategie ist es wichtig zu verstehen, dass die Abgewöhnung auch eine psychische Herausforderung darstellt. Der Griff zum Spray ist inzwischen zur festen Gewohnheit geworden. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, eine klare Entscheidung für den Ausstieg zu treffen. Diese sollte idealerweise durch einen konkreten Umsetzungsplan gestützt und von einer realistischen Erwartung an den Verlauf der Entwöhnungsphase begleitet werden.

Wann ärztlicher Rat eingeholt werden sollte

In seltenen Fällen verläuft die Entwöhnung von abschwellenden Nasensprays nicht wie gewünscht oder bleibt trotz konsequenter Umsetzung ohne spürbare Besserung. Sollten die Beschwerden auch Wochen nach dem Absetzen des Sprays weiterhin anhalten oder gar zunehmen, ist ärztlicher Rat einzuholen. Besteht der Verdacht auf anatomische oder strukturelle Ursachen, wie eine Nasenscheidewandverkrümmung (Septumdeviation), Nasenpolypen oder eine chronisch hypertrophe Schleimhaut, ist eine fachärztliche Abklärung durch einen HNO-Spezialisten indiziert.

Eine fachärztliche Unterstützung ist auch dann empfehlenswert, wenn der Entzug psychisch stark belastet oder sich Begleitsymptome wie chronische Nasennebenhöhlenentzündungen oder Geruchsstörungen entwickeln. Je nach individueller Diagnose können gezielte medikamentöse oder operative Maßnahmen erforderlich sein, um eine dauerhafte Verbesserung der Nasenatmung und der Lebensqualität zu erreichen.

Abschwellende Nasensprays nur kurzzeitig anwenden

Abschwellende Nasensprays verschaffen zwar rasch Erleichterung bei akut verstopfter Nase, sollten jedoch keinesfalls länger als drei bis sieben Tage zum Einsatz kommen[7]. Eine darüber hinausgehende Verwendung erhöht das Risiko einer Abhängigkeit und kann zu dauerhaften Schleimhautschäden führen. Wer über längere Zeit unter behinderter Nasenatmung leidet, sollte die Ursachen fachärztlich abklären lassen. In solchen Fällen ist eine Untersuchung durch den HNO-Arzt auf anatomische Engstellen oder chronische Entzündungsprozesse ratsam. Der wiederholte Gebrauch des Sprays ohne medizinische Notwendigkeit stellt keine dauerhafte Lösung dar, sondern verschärft sogar das Problem. Eine frühzeitige Entwöhnung, idealerweise noch vor dem Entstehen einer Gewohnheit, gewährleistet den Schutz der empfindlichen Nasenschleimhaut und erhält ihre natürliche Funktion. Nur durch einen verantwortungsbewussten Umgang lässt sich die gewünschte Linderung erzielen, ohne langfristige Gesundheitseinbußen zu riskieren.

Anmerkungen:

[1] AOK Sachsen-Anhalt: https://www.deine-gesundheitswelt.de/vorsorge-impfschutz/nasenspray-sucht

[2] Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/news/hno-news/abschwellendes-nasenspray-nur-kurze-zeit-anwenden.html

[3] Allergologie in Klinik und Praxis (Trautmann, Axel et al., Georg Thieme Verlag, 3. Auflage, 2018): [PDF] „Idiopathische Rhinitis und arzneimittelinduzierte Rhinopathie durch Abusus topischer α-Agonisten […]“

[4] Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte e.V.: https://www.hno-aerzte-im-netz.de/news/hno-news/nasenspray-abhaengige-geringer-dosierte-praeparate-helfen-bei-der-entwoehnung.html

[5] Pharmazeutische Zeitung: https://www.pharmazeutische-zeitung.de/mit-nasensprays-wieder-frei-durchatmen-121390/

[6] Süddeutsche Zeitung: https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/nasenspray-auch-saeuglingsspray-fuehrt-zu-gewoehnung-1.147586

[7] AOK: https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/haut-und-allergie/suchtgefahr-nasensprays-koennen-abhaengig-machen/