Eingesperrt im eigenen Körper: Ursachen, Symptome und Behandlung der Schlafparalyse
Von den über 80 verschiedenen Formen von Schlafstörungen (Parasomnien), die in der „International Classification of Sleep Disorders“ (ICSD) beschrieben wurden, ragt ein Phänomen besonders heraus, das bei den Betroffenen außergewöhnliche Ängste hervorruft: die Schlafparalyse. Sie zählt zweifelsohne zu den rätselhaftesten und verstörendsten Krankheiten des menschlichen Schlafs. Als Schlaflähmung oder Schlafstarre bekannt, manifestiert sie sich in einem augenscheinlichen Verlust der motorischen Kontrolle während der Rapid Eye Movement (REM) Schlafphase. Betroffene, die diesen Zustand bewusst erleben, sind vorübergehend nicht in der Lage sich zu bewegen oder zu sprechen[1]. Der folgende Beitrag widmet sich den Ursachen und Symptomen dieser Parasomnie und stellt die effektivsten Bewältigungsstrategien vor.
Ursachen der Schlafparalyse
Die Lähmung der Muskulatur in der REM-Schlafphase wird in der Fachterminologie als REM-Atonie bezeichnet. In diesem Zustand bleiben lediglich die Augenmuskulatur und die Zwerchfellatmung von der Lähmung ausgenommen. Die REM-Atonie schützt den Schlafenden davor Trauminhalte in der physischen Realität auszuleben und verschwindet daher normalerweise unmittelbar nach dem Erwachen. Bei der Schlafparalyse kommt es allerdings zu einer Entkoppelung der Lähmung von der Schlafphase. Die für den REM-Schlaf charakteristische Muskelatonie erstreckt sich folglich auf benachbarte Wachphasen, wobei die genauen Gründe für diese Dissoziation noch nicht vollständig verstanden wurden[1]. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass die Schlafstarre ein vergleichsweise wenig erforschtes Gebiet darstellt. Es ist jedoch klar, dass bestimmte Faktoren die Anfälligkeit für die Schlaflähmung erhöhen können. Zu den Risikofaktoren zählen Stress, unregelmäßige Schlafzeiten, obstruktive Schlafapnoe, Schlafen in Rückenlage, psychiatrische Erkrankungen und Narkolepsie[2].
Die Tatsache, dass die Schlafparalyse häufig zusammen mit Narkolepsie in Erscheinung tritt, brachte Schlafmediziner zur Unterscheidung von zwei Formen der Schlafstarre: Der isolierten Schlaflähmung (isolated sleep paralysis, ISP) und der rezidivierenden Schlafparalyse (recurrent sleep paralysis, RSP). ISP steht nicht im Zusammenhang mit einer zugrundeliegenden Narkolepsie-Diagnose, einer neurologischen Störung, die das Gehirn daran hindert, den Wachzustand richtig zu kontrollieren, was häufig zu Schlaflähmungen führt[3]. Im Gegensatz dazu sind RSP-Episoden gekennzeichnet durch ihr wiederholtes Auftreten über einen längeren Zeitraum hinweg. Sie korrelieren vermehrt mit Narkolepsie oder psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angstzuständen[2]. Zusätzlich zu den Erkenntnissen aus der Schlafforschung zeigt die Zwillingsforschung, dass es bei der Schlafparalyse auch eine erbliche Komponente gibt. Wenn einer von zwei eineiigen Zwillingen Schlaflähmungsepisoden erlebt, steigt die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass auch der andere Zwilling von der Schlafstarre betroffen ist[4]. Dies unterstreicht die Bedeutung genetischer Faktoren bei der Entstehung dieser Schlafstörung.
Symptome der Schlafstarre
Das wichtigste Symptom der Schlaflähmung ist die Atonie, also die Unfähigkeit, den Körper zu bewegen oder zu sprechen. Die bewusst erlebte Lähmung ist in medizinischer Hinsicht harmlos, wird aber von den meisten Menschen als äußerst unangenehm oder sogar als angsteinflößend empfunden. Die Betroffenen berichten oft auch von Atembeschwerden, Druckgefühlen in der Brust sowie beunruhigenden Emotionen wie Panik und Hilflosigkeit. Derartige Empfindungen sind nachvollziehbar, da die Betroffenen während der Lähmung ihre Atmung nicht spüren und daher das Gefühl haben, zu ersticken. Nicht selten führt eine Schlaflähmungsepisode am folgenden Tag zu übermäßiger Tagesmüdigkeit oder Erschöpfung. Schätzungsweise drei Viertel dieser Ereignisse gehen mit Halluzinationen einher, die sich von gewöhnlichen Träumen unterscheiden, und visueller, taktiler oder akustischer Natur sein können[1]. Solche Halluzinationen können sogar den Charakter von außerkörperlichen Erfahrungen annehmen, bei denen die Betroffenen ihren eigenen Körper von außen zu sehen glauben (Autoskopie)[5]. Obwohl die Schlafparalyse üblicherweise nur wenige Minuten andauert, hinterlässt sie oftmals einen bleibenden Eindruck, begleitet von Unruhe und Ängsten. Es ist daher für die Betroffenen von essentieller Bedeutung, zu erkennen, dass die Schlafstarre keine physischen Schäden hinterlässt und die allgemeine Gesundheit nicht negativ beeinflusst.
Wie verbreitet ist die Schlaflähmung?
Eine systematische Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2011, die die Daten von insgesamt 36.533 Personen aus 35 Einzelstudien analysierte, kam zu der Erkenntnis, dass knapp 8 Prozent der Bevölkerung im Verlauf ihres Lebens mindestens eine Schlafparalyse erlebten. Diese Studie verdeutlichte zudem, dass die Lebenszeitprävalenz bei Studenten mit etwa 28 Prozent und bei Psychiatriepatienten mit circa 32 Prozent signifikant erhöht war. Besonders auffällig ist auch die überdurchschnittliche Häufigkeit von Schlaflähmungen als eines der typischen Symptome bei Narkolepsie: Ungefähr 40 bis 50 Prozent der Narkolepsiepatienten berichteten von Episoden der Schlafstarre als Teil ihres Krankheitsbildes[6]. Obwohl Schlaflähmungen in jedem Lebensalter auftreten können, manifestieren sich erste Symptome häufig während der Kindheit und Adoleszenz, wobei die Prävalenz mit fortschreitendem Alter abzunehmen scheint.
Wie erfolgt die nicht-medikamentöse Therapie der Schlafparalyse?
Die nicht-medikamentöse Behandlung der Schlaflähmung fokussiert sich auf die Reduktion auslösender Faktoren und die Verbesserung der Schlafhygiene (siehe Blogbeitrag vom 19.03.2019). Ein entscheidender Schritt ist die konsequente Einhaltung regelmäßiger und ausreichender Schlafzeiten. Die Vermeidung von Stress und Schlafentzug spielen ebenfalls eine bedeutende Rolle in der Prävention von Schlafparalysen. Techniken zur Stressbewältigung wie Meditation und Entspannungsübungen können hilfreich sein. Darüber hinaus sollte auf die „richtige“ Schlafposition geachtet werden, da das Schlafen in Rückenlage das Risiko von Schlafstarren erhöhen kann. Daher wird empfohlen, ausschließlich in der Seiten- oder Bauchlage zu schlafen. Der Einsatz einer Rückenlageverhinderungsweste (siehe Blogbeitrag vom 16.10.2020) stellt sicher, dass sich der Körper daran gewöhnt die Rückenlage zu meiden. Die Schaffung eines gesunden Schlafumfelds durch die Minimierung von Licht und Lärm wird ebenfalls die Schlafqualität verbessern und normalerweise das Auftreten von Schlafparalysen reduzieren[1].
Zusätzlich zu diesen Präventionsmaßnahmen ist die Aufklärung der Patienten über ihr Krankheitsbild von entscheidender Bedeutung. Es ist essenziell, dass den Betroffenen während einer Schlafparalyse bewusst wird, dass es sich um ein völlig ungefährliches, natürliches und wohlbekanntes Phänomen handelt. Vor allem das Wissen, dass jede Schlaflähmung von selbst endet, hilft dabei, mögliche Ängste und Panik zu durchbrechen. Gleiches gilt für das Bewusstsein, dass wahrgenommene Halluzinationen nicht der Realität entsprechen[1]. Einige Personen haben sogar Techniken entwickelt, um die Schlafparalyse selbstständig zu beenden. Durch hartes Training und äußerste Willenskraft gelingt es ihnen, während einer Schlafstarre kleine Bewegungen mit den Zehen zu initiieren, um sich so aus der Lähmung zu befreien. Eine clevere Strategie besteht darin, den Bettpartner durch besonders lautes Atmen auf sich aufmerksam zu machen. Der Partner kann dann durch eine Berührung die Lähmung beenden. Die Praxis hat gezeigt, dass die emotionale Belastung einer Schlaflähmung umso geringer ausfällt, je besser das Verständnis für dieses Phänomen ist.
Wie sieht die medikamentöse Behandlung der Schlafstarre aus?
Die Verordnung von Medikamenten sollte nur in Betracht gezogen werden, wenn nicht-medikamentösen Ansätze keine ausreichende Besserung der Symptome erzielen. In solchen Fällen stehen verschiedene Medikamente zur Verfügung, darunter selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) und trizyklische Antidepressiva wie Imipramin oder Clomipramin. Letztgenannte Medikamente verkürzen unter anderem den REM-Schlaf. Dadurch können sie häufig Episoden einer Schlafparalyse verhindern, da diese nur während des REM-Schlafs auftreten[7]. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass der Einsatz von Medikamenten nicht die erste Wahl sein sollte. Der Gebrauch von Antidepressiva kann mit potenziell schwerwiegenden Nebenwirkungen verbunden sein, wie verstärkte Tagesmüdigkeit und mögliche Abhängigkeits- oder Gewöhnungseffekte bei längerer Anwendung. Daher erfordert die Entscheidung für eine medikamentöse Behandlung eine äußerst sorgfältige Abwägung der Vor- und Nachteile.
Prävention und Aufklärung: Priorität in der Behandlung der Schlafparalyse
Die Schlafparalyse gehört zweifelsfrei zu den verstörendsten Schlafstörungen. Dennoch birgt sie keine dauerhaften gesundheitlichen Gefahren. Die Erkenntnis, dass es sich um ein natürliches und harmloses Phänomen handelt, kann entstehende Ängste erheblich mindern. Präventive Maßnahmen wie die Verbesserung der Schlafhygiene und die Aufklärung der Betroffenen sind von maßgeblicher Bedeutsamkeit. Die nicht-medikamentöse Therapie und die Reduzierung auslösender Faktoren sollten stets die erste Wahl sein, bevor der Einsatz von Medikamenten in Erwägung gezogen wird. Es bleibt abzuwarten, ob zukünftige Forschung tiefere Einblicke in die Neurophysiologie der Schlafparalyse liefert und Betroffenen ermöglicht, das Phänomen ursachenbezogen zu therapieren.
Anmerkungen und Quellen: Schlafparalye
[1] Sleep Foundation: https://www.sleepfoundation.org/parasomnias/sleep-paralysis
[2] Sleep Medicine Reviews, Volume 38, April 2018, S. 141-157: Dan Denis, Christopher C. French, Alice M. Gregory: „A systematic review of variables associated with sleep paralysis“
[3] Sleep Medicine, Volume 58, Juni 2019, S. 102-106: Brian A. Sharpless, Monika Kliková: „Clinical features of isolated sleep paralysis“
[4] Cell, Volume 146, Ausgabe 2, Juli 2011, S. 194-207: Amita Sehgal, Emmanuel Mignot: „Genetics of sleep and sleep disorders“
[5] James Allan Cheyne: „Recurrent isolated sleep paralysis“ In: Michael J. Thorpy, Giuseppe Plazzi (Herausgeber): „The Parasomnias and Other Sleep-Related Movement Disorders“ Cambridge University Press, Cambridge/UK 2010, ISBN 978-1-139-48572-2, S. 145–147
[6] Geert Mayer: „Narkolepsie“ Georg Thieme Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-13-134431-1, S. 14
[7] James Allan Cheyne: „Recurrent isolated sleep paralysis“ In: Michael J. Thorpy, Giuseppe Plazzi (Herausgeber): „The Parasomnias and Other Sleep-Related Movement Disorders“ Cambridge University Press, Cambridge/UK 2010, ISBN 978-1-139-48572-2, S. 142–152