Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Schlafapnoe und Ängsten?

27. November 2023
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Es ist weithin bekannt, dass die obstruktive Schlafapnoe nicht nur mit physischen Symptomen wie Schnarchen oder Tagesmüdigkeit einhergeht, sondern auch oft psychische Erkrankungen wie Depressionen verursacht. Die Verbindung zwischen Schlafapnoe und Ängsten oder Angststörungen ist jedoch kaum publik und nur in geringem Maße erforscht. Der folgende Beitrag analysiert die Korrelation zwischen obstruktiver Schlafapnoe und Ängsten sowie Angststörungen. Zusätzlich werden die physiologischen, neurologischen und psychologischen Mechanismen beleuchtet, die erklären können, warum Schlafapnoe das Risiko für das Auftreten von Angstzuständen oder Panikattacken erhöht.

Korrelation zwischen Schlafapnoe und Angstzuständen

Eine Anfang 2020 in der Fachzeitschrift „Behavioral Sleep Medicine“ veröffentlichte Metastudie evaluierte die Wechselbeziehung zwischen Schlafapnoe und Ängsten bzw. Angststörungen[1]. Dazu wurden insgesamt 73 Fachbeiträge von Wissenschaftlern der Universität Genua ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten eine signifikante Assoziation zwischen obstruktiver Schlafapnoe und depressiven sowie ängstlichen Symptomen bei erwachsenen Patienten. Die Metaanalyse ergab, dass die Prävalenz von depressiven Symptomen bei Schlafapnoe Patienten 35 Prozent betrug, während Angstsymptome bei 32 Prozent der Patienten vorlagen. Die Studienautoren vermuteten, dass es wahrscheinlich eine bidirektionale Verbindung zwischen diesen Krankheiten gibt.

Iranische Forscher konnten mit einer 2014 publizierten Studie zeigen, dass die Häufigkeit von Angstzuständen bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe höher ist als in der Allgemeinbevölkerung, unabhängig von Geschlecht und Alter. Die Studie bewies zudem, dass der Schweregrad der Schlafapnoe mit der Häufigkeit von Angstgefühlen zusammenhing. Von den Patienten, die Schläfrigkeit beklagten, litten nur 23,1 Prozent unter schwergradiger Schlafapnoe, während dies bei 66,7 Prozent der Patienten mit Angstsymptomen der Fall war.

Taiwanesische Wissenschaftler gingen in einer Studie, die Mitte 2015 im Journal „Annals of Family Medicine“ veröffentlicht wurde, einen Schritt weiter. Sie untersuchten, ob es nach der Diagnose einer Schlafapnoe häufiger zur Entwicklung von Panikstörungen kommt. Hierfür wurden 8.704 Schlafapnoe Patienten und 34.792 Kontrollpatienten ohne Schlafapnoe in die Studie einbezogen. Von den insgesamt 43.496 Patienten erkrankten 263 (0,60 Prozent) während einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 3,92 Jahren an einer Panikstörung, darunter 117 (1,34 Prozent) aus der Schlafapnoe-Kohorte und lediglich 146 (0,42 Prozent) aus der Kontrollgruppe[2]. Schlafapnoe scheint folglich ein deutlich höheres Risiko für die spätere Entwicklung einer Panikstörung mit sich zu bringen. Dies lässt den Schluss zu, dass zwischen Schlafapnoe und Panikstörungen nicht nur eine Korrelation besteht, sondern höchstwahrscheinlich auch eine Ursache-Wirkungs-Beziehung.

Wie die Pathophysiologie der Schlafapnoe Ängste verursachen kann

Die obstruktive Schlafapnoe ist durch Zyklen von Apnoen (Atemaussetzer) und Hypopnoen (Atemflussreduzierungen) während des Schlafs gekennzeichnet. Diese Atemstörungen führen zu einem Sauerstoffmangel (Hypoxie) und einem Anstieg des Kohlendioxidgehalts (Hyperkapnie). Diese grundlegenden Veränderungen in der Atemphysiologie können direkte Auswirkungen auf das autonome Nervensystem haben. Hypoxie aktiviert den physiologischen Stressantwortmechanismus, was die erhöhte Freisetzung von Stresshormonen wie Cortisol und Adrenalin hervorruft[3]. Diese Hormone können in größeren Konzentrationen zu verstärkter Erregbarkeit des zentralen Nervensystems beitragen, was wiederum die Schwelle für Angstreaktionen senken kann. Die chronische Aktivierung des sympathischen Nervensystems, insbesondere während nächtlicher Apnoen, kann den Stresshormonspiegel dauerhaft erhöhen und damit die neuroendokrine Regulation beeinträchtigen. In der Folge wird die Entstehung von Angstzuständen begünstigt.

Des Weiteren verursachen die wiederholten Atemaussetzer und die daraus resultierenden Arousal-Episoden (Weckreaktionen) Schlafstörungen, die die emotionale Verarbeitung erschweren. Störungen im Schlaf-Wach-Rhythmus und eine fragmentierte Schlafarchitektur sind Faktoren, die in Zusammenhang mit Angststörungen stehen können. Eine gesteigerte Aktivität des limbischen Systems, das für die Verarbeitung von Emotionen verantwortlich ist, könnte aufgrund der durch Apnoen bedingten Schlafunterbrechungen zur emotionalen Dysregulation beitragen.

Neuroinflammatorische Auswirkungen von nächtlichen Atemstillständen

Wiederholte Phasen der Hypoxie und Reoxygenierung während nächtlicher Atemstillstände können zu einer vermehrten Produktion von reaktiven Sauerstoffspezies führen. Diese Moleküle beeinträchtigen neuronale Strukturen und fördern entzündliche Prozesse im Gehirn. Die daraus resultierenden neuroinflammatorischen Veränderungen könnten die Regulation von Neurotransmittern verändern, insbesondere solcher, die mit Angststörungen in Zusammenhang stehen, wie zum Beispiel Serotonin und Gamma-Aminobuttersäure (GABA). Ein gestörtes Gleichgewicht dieser Neurotransmitter kann die Anfälligkeit für Ängste steigern[4]. Zusätzlich kann oxidativer Stress die Blut-Hirn-Schranke beeinflussen, was eine erhöhte Permeabilität (Durchlässigkeit) nach sich zieht. Dies ermöglicht den Eintritt von Entzündungsmediatoren in das zentrale Nervensystem, was wiederum die neuroinflammatorischen Prozesse verstärken und Nervenzellen weiter schädigen könnte.

Wie kann die psychologische Dimension der Schlafapnoe Ängste auslösen?

Die nächtlichen Zyklen von Atemaussetzern und Erwachens-Episoden haben eine Disruption des normalen Schlafmusters zur Folge. Diese permanenten Unterbrechungen des Schlafs können die Fähigkeit des Betroffenen verschlechtern, Stressoren angemessen zu bewältigen, was die emotionale Reaktivität vergrößern kann. Beispielsweise könnte das plötzliche Erwachen infolge einer Atempause zu einer gesteigerten Stressantwort führen, wodurch selbst geringfügige Stressreize während des Tages überproportional stark erlebt werden.

Des Weiteren kann die beständige Unsicherheit hinsichtlich der Fragmentierung des Schlafs eine allgemeine Tendenz zur Angstentwicklung begünstigen. Die Besorgnis über nächtliche Atemaussetzer und deren mögliche Auswirkungen auf die Gesundheit stellt nicht selten eine anhaltende mentale Belastung dar. Hieraus resultiert sehr oft ein auffälliges Schlafvermeidungsverhalten. Der Erkrankte entwickelt aufgrund seiner Angst vor der Atmungsdysfunktion und den nächtlichen Schlafstörungen eine ausgeprägte Scheu vor dem Zubettgehen. Dieses Kompensationsverhalten zieht wiederum entsprechenden Schlafmangel nach sich, der das psychische Gleichgewicht weiter destabilisieren kann.

Darüber hinaus ist aus der Schlafforschung bekannt, dass die wiederholten Apnoen und Aufwachphasen der Schlafapnoe vermehrt intensive Albträume hervorrufen können[5]. Der abrupte Wechsel zwischen verschiedenen Schlafphasen während dieser nächtlichen Zyklusstörungen führt des Öfteren zu unangenehmen Traumerlebnissen, die von Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe überaus häufig berichtet werden. Die Albträume können zu einer zusätzlichen Belastung für das psychische Wohlbefinden werden und den Kreislauf von Schlafunterbrechungen und Angstproblematiken weiter antreiben. Traumatische Inhalte, die im Schlaf erlebt werden, vermögen das emotionale Gleichgewicht zu schwächen und Ängste im Wachzustand zu intensivieren. Es ist unstrittig, dass die komplexe Interaktion zwischen physiologischen Schlafbeeinträchtigungen und den psychischen Folgen maßgeblich zur Entstehung von Angstzuständen beitragen kann.

CPAP-Therapie lindert Angstsymptome

Obstruktive Schlafapnoe und Ängste bedingen sich vielfach gegenseitig. Daher liegt es nahe zu vermuten, dass eine effektive Therapie der Schlafapnoe auch eine Linderung von Angstgefühlen bewirken könnte. Norwegische Forscher analysierten den Einfluss der Continuous Positive Airway Pressure (CPAP)-Therapie auf Angst- und Depressionssymptome bei Patienten mit obstruktiver Schlafapnoe. Ihre Ende 2020 veröffentlichte Studie bewies anhand einer Stichprobe von 468 Schlafapnoe Patienten eine signifikante Abnahme der Symptome von Angst und Depression zwischen dem Ausgangszustand und den Nachuntersuchungsergebnissen. Interessanterweise war die Abnahme der Angstsymptome unabhängig von der CPAP-Adhärenz, während die Verbesserung der Depressionssymptome nur in der Gruppe mit CPAP-Adhärenz (CPAP-Einsatz ≥ 4 Stunden pro Nacht) beobachtet wurde. Trotz geringer Effektstärken betonten die Studienautoren, dass die Beachtung der CPAP-Therapieprotokolle entscheidend ist, um bestmögliche Resultate für die psychische Gesundheit von Schlafapnoe Patienten zu erzielen.

Schlafapnoe und Angststörungen: Eine multidisziplinäre Perspektive

Obstruktive Schlafapnoe und Angstzustände sind vielfältig miteinander verknüpft. Die Metaanalyse von 2020 verdeutlichte eine signifikante Assoziation zwischen Schlafapnoe und depressiven sowie ängstlichen Symptomen bei erwachsenen Patienten[1]. Diverse Studien deuten nicht nur auf eine Korrelation hin; vielmehr legen sie nahe, dass höchstwahrscheinlich eine Kausalität zwischen Schlafapnoe und Angststörungen besteht. Die pathophysiologischen Mechanismen, insbesondere neuroendokrine und neuroinflammatorische Veränderungen, bieten Erklärungen dafür, wie Schlafapnoe Ängste begünstigen kann. Weiterhin bewies die effektive Therapie der Schlafapnoe mittels CPAP, dass sie auch positive Effekte auf Angstsymptome ausübt. Diese Erkenntnisse unterstreichen die Bedeutung einer interdisziplinären Zusammenarbeit zwischen Pneumologie und Psychiatrie bei der Versorgung von Schlafapnoe Patienten mit Angstzuständen. Dabei gilt es sowohl die physischen, als auch die psychischen Aspekte zu berücksichtigen, um die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

 

Anmerkungen:

[1] Behavioral Sleep Medicine, Volume 18, Ausgabe 1, Jan. 2020, S. 35-57: Sergio GarbarinoWayne A. BardwellOttavia GuglielmiCarlo ChiorriEnrica BonanniNicola Magnavita: „Association of Anxiety and Depression in Obstructive Sleep Apnea Patients: A Systematic Review and Meta-Analysis“

 [2] Annals of Family Medicine, Volume 13, Ausgabe 4, Jul/Aug 2015, S. 325-330: Vincent Yi-Fong SuYung-Tai ChenWei-Chen LinLi-An WuShi-Chuan ChangDiahn-Warng PerngWei-Juin SuYuh-Min ChenTzeng-Ji ChenYu-Chin LeeKun-Ta Chou: „Sleep Apnea and Risk of Panic Disorder“

 [3] Journal of Hypertension, Volume 15, Ausgabe 12, Dez. 1997, S. 1613-1619: K. NarkiewiczV. K. Somers: „The sympathetic nervous system and obstructive sleep apnea: implications for hypertension“

 [4] Neuropsychiatric Disease and Treatment, Volume 11, Jan. 2015, S. 165-175: Philippe Nuss: „Anxiety disorders and GABA neurotransmission: a disturbance of modulation“

 [5] Frontiers in Neurology, Volume 10, Okt. 2019, Article 1127: Ahmed S. BaHammamAljohara S. Almeneessier: „Dreams and Nightmares in Patients With Obstructive Sleep Apnea: A Review“