Gibt es einen Zusammenhang zwischen Schlafapnoe und der Fibromyalgie?

17. Mai 2022
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Die Krankheiten Schlafapnoe und Fibromyalgie weisen ähnliche Symptome auf. Sie sind unter anderem an Schlafstörungen, erheblicher Tagesschläfrigkeit, vermehrter Erschöpfung und Konzentrationsproblemen zu erkennen. Eine bereits 2006 veröffentlichte brasilianische Studie zeigte, dass die Häufigkeit des Fibromyalgie-Syndroms bei Personen, die unter schlafbezogenen Atmungsstörungen litten, deutlich erhöht war[1]. Wörtlich übersetzt bedeutet Fibromyalgie so viel wie „Muskelschmerz“. Es handelt sich um ein Syndrom verbreiteter Schmerzen in den verschiedensten Körperregionen. Umgangssprachlich wird die Erkrankung auch „Weichteilrheuma“ oder „Muskelrheuma“ genannt. Die Ursachen sind bis heute nicht geklärt, es ist aber bekannt, dass es sich nicht um eine entzündliche Erkrankung handelt. Vielmehr liegt bei den Betroffenen eine Störung der Schmerzwahrnehmung- und Verarbeitung vor. Diese gesteigerte Schmerzempfindlichkeit stört den Schlaf und beeinträchtigt die Schlafqualität negativ. Ein vergleichbares Bild ist auch beim Schlafapnoe-Syndrom festzustellen: Die nächtlichen Atemstörungen schädigen die Schlafarchitektur, was letztlich eine verminderte Erholsamkeit des Schlafs zur Folge hat. Der folgende Blogbeitrag geht der Frage nach, ob es zwischen beiden Krankheiten einen Zusammenhang gibt.

Oxidativer Stress als Verbindung zwischen Schlafapnoe und Fibromyalgie?

Eine Anfang 2017 veröffentlichte türkische Studie eruierte die Rolle von oxidativem Stress hinsichtlich einer möglichen Verbindung zwischen den beiden Krankheiten. Untersucht wurden 131 zufällig ausgewählte Schlafapnoe Patienten auf oxidativen Stress. Dieser wurde durch Messung der Malondialdehydwerte (MDA) bestimmt. MDA ist ein wichtiger Biomarker für oxidativen Stress. Die Kontrollgruppe bestand aus 129 Probanden, die keine klinischen Schlafapnoesymptome aufwiesen. Im Rahmen der Studie wurden beide Gruppen auf Fibromyalgiesymptome überprüft. Hierzu bewerteten die Studienteilnehmer ihre Schmerzen anhand visueller Analogskalen (VAS) und füllten den sogenannten „Fibromyalgie-Impact-Fragebogen“ aus. Die Studie belegte, dass die Prävalenz (Krankheitshäufigkeit) der Fibromyalgie bei Schlafapnoe Patienten viel höher war, als in der Allgemeinbevölkerung. Das deutet darauf hin, dass oxidativer Stress eine Rolle in der Pathophysiologie beider Erkrankungen spielen könnte, insbesondere wenn er bei denselben Patienten vorkommt. Die Studie bewies allerdings nur eine Korrelation zwischen Schlafapnoe und Fibromyalgie. Eine Ursache-Wirkungs-Beziehung konnte daraus nicht abgeleitet werden.

Verschlechterung der Fibromyalgiesymptome durch Hypoxämie?

Eine weitere, ebenfalls türkische Studie, die im Frühjahr 2017 publiziert wurde, evaluierte das Vorhandensein der obstruktiven Schlafapnoe bei Fibromyalgie Patienten. Darüber hinaus sollten Veränderungen im Schlafmuster bei den Studienteilnehmern mit Fibromyalgie objektiv nachgewiesen werden. Die Forscher untersuchten 24 Patienten, die unter Fibromyalgie litten, mittels Polysomnographie (Schlaflaboruntersuchung) auf obstruktive Schlafapnoe. Im Anschluss wurden die Probanden in zwei Gruppen eingeteilt: Patienten mit und ohne obstruktiver Schlafapnoe (Gruppe 1 bzw. Gruppe 2). Weitere 40 Patienten ohne Fibromyalgie, die sich zur Schlafapnoe Erstdiagnostik in einer Klinik für Schlafstörungen vorstellten, wurden der Gruppe 3 zugeordnet. Die Ergebnisse waren eindeutig: Eine obstruktive Schlafapnoe wurde bei 50% der Patienten mit Fibromyalgie festgestellt. Des Weiteren zeigte sich eine positive Korrelation zwischen den Werten aus dem sogenannten „Fibromyalgie-Impact-Fragebogen“ und den Sauerstoffentsättigungszeiten bei Patienten mit Fibromyalgie. Es gab Belege dafür, dass der Schweregrad der Hypoxämie (Sauerstoffmangel im arteriellen Blut) mit den Fibromyalgiesymptomen, auf Basis des „Fibromyalgie-Impact-Fragebogen“, korrelierte. Das würde logisch Sinn ergeben, da die nächtlichen Atemaussetzer der obstruktiven Schlafapnoe zu einem Sauerstoffmangel im arteriellen Blut führen können. Eine Hypothese lautet, dass die erhöhte Gewebehypoxämie die Verschlechterung der Fibromyalgiesymptome erklären könnte. Auch diese Studie dokumentierte lediglich eine Korrelation, aber keine Kausalität (Ursache-Wirkungs-Beziehung) der beiden Krankheiten. Zudem war die Studie, in Bezug auf die Patientenanzahl, sehr klein, so dass die Ergebnisse der Korrelationsanalysen mit Vorsicht betrachtet werden sollten.

Wechselwirkung zwischen Fibromyalgie und Adipositas

Die dauerhaften Schmerzen, welche für die Fibromyalgie typisch sind, begünstigen körperliche Inaktivität bzw. Bewegungsmangel. Wer unter permanenten Schmerzen leidet, wird tendenziell weniger Sport betreiben, um potenziell schmerzauslösende Faktoren zu vermeiden. Es ist daher realistisch anzunehmen, dass die Fibromyalgie die Wahrscheinlichkeit einer Gewichtszunahme vergrößert. Eine im April 2021 publizierte Metastudie erbrachte den Nachweis, dass über 35% der Fibromyalgie Patienten auch unter Adipositas (Fettleibigkeit) litten[2]. Die Fibromyalgie begünstigt gleichzeitig eine hyperkalorische Ernährung. Sportliche Aktivität erleichtert die Ausschüttung von Glückshormonen, wie Endorphin, Dopamin oder Serotonin. Durch biochemische Prozesse im Gehirn werden diese Hormone, bei körperlicher Aktivität, zunehmend freigesetzt[3]. Bewegungsmangel bzw. fehlender Sport bedeutet im Umkehrschluss eine zu geringe Sezernierung dieser Glückshormone. Die Praxis zeigt, dass ein derartiger Glückshormonmangel nicht selten durch den Gang zum Kühlschrank kompensiert wird. Denn gerade eine zucker- bzw. kohlenhydratreiche Ernährung stimuliert das Belohnungszentrum im Gehirn und bewirkt eine gesteigerte Dopaminausschüttung[4]. Diese Determinanten unterstützen letztlich nicht nur einen Gewichtsanstieg, und damit Übergewicht oder sogar Adipositas, sondern letztlich auch nächtliche Atemstörungen. Bekanntermaßen lagert sich Fett nicht nur am Bauch oder an den Hüften an, sondern auch im Bereich des Rachens und in der Zunge (siehe Blogbeitrag vom 27.01.2020), was eine entsprechende Verengung der oberen Atemwege nach sich zieht. In der Konsequenz treten nächtliche Atempausen oder Atemflussreduzierungen, die für die obstruktive Schlafapnoe kennzeichnend sind, häufiger auf. Die beiden Krankheiten Fibromyalgie und Schlafapnoe könnten also auch auf diesem Weg indirekt miteinander zusammenhängen. Diese Hypothese wird auch dadurch unterstützt, dass der Fokus in der Behandlung der Fibromyalgie auf Sport- und Bewegungsangeboten liegt[5].

Es darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass die Adipositas auch ein verschlimmernder Faktor, oder sogar ein potenzieller Auslöser der Fibromyalgie sein kann: In klinischen Studien wurde festgestellt, dass es eine positive Korrelation zwischen einem Anstieg des Body-Mass-Index und dem Auftreten von Schmerzen des Bewegungsapparats gibt[6-7]. Fettleibigkeit steht in einem komplexen wechselseitigen Zusammenhang mit Schmerzen. Diese sind vor allem auf die mechanische Überlastung der Gelenke und den, durch Adipositas verursachten, proinflammatorischen Zustand zurückzuführen[8]. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Fibromyalgie und Fettleibigkeit gemeinsame pathophysiologische Mechanismen aufweisen, die zu einem komplexen Zusammenspiel führen. Adipositas kann ein möglicher Auslöser der Fibromyalgie sein, und gleichzeitig kann die Fibromyalgie die Entwicklung von Adipositas unterstützen oder verstärken.

Linderung der Fibromyalgiesymptome durch CPAP

Die Fibromyalgie ist überdurchschnittlich oft mit schlafbezogenen Atmungsstörungen verbunden. Eine Kausalität der beiden Krankheiten konnte auf Basis der aktuellen Studienlage bisher nicht bewiesen werden. Sollte die obstruktive Schlafapnoe die Fibromyalgiesymptome mitverursachen, dann ist den Betroffenen die nächtliche Überdruckbeatmung mittels CPAP (continuous positive airway pressure) uneingeschränkt zu empfehlen. Eine Ende 2015 in der Fachzeitschrift „European Journal Of Internal Medicine“ veröffentlichte Studie konnte nachweisen, dass CPAP nicht nur die Schlafapnoesymptome reduzierte, sondern insbesondere auch die charakteristischen Anzeichen der Fibromyalgie[9]. Durch die Überdruckbeatmung profitierten die Patienten signifikant von einer verminderten Tagesschläfrigkeit und gleichzeitig auch von der Reduzierung ihrer Schmerzwahrnehmung und Schmerzempfindlichkeit.

 

Anmerkungen:

[1] Jornal Brasileiro de Pneumologia, Volume 32, Ausgabe 4, August 2006, S. 333-338: Dienaro GermanowiczMagali Santos LumertzDenis MartinezAne Freitas Margarites: „Sleep disordered breathing concomitant with fibromyalgia syndrome“

[2] Seminars in Arthritis and Rheumatism, Volume 51, Ausgabe 2, April 2021, S. 409-424: Martina D’OnghiaJacopo CiaffiLucia LisiLuana MancarellaSusanna RicciNicola StefanelliRiccardo MeliconiFrancesco Ursini: „Fibromyalgia and obesity: A comprehensive systematic review and meta-analysis“

[3] SPIEGEL Gesundheit: https://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/endorphine-serotonin-flow-warum-sport-gluecklich-macht-a-959763.html

[4] Max-Planck-Gesellschaft: https://www.mpg.de/12627063/dopamin-essen

[5] Deutsche Schmerzgesellschaft: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Fibromyalgiesyndroms, S3-Leitlinie, 2. Aktualisierung 2017, S. 61 ff.

[6] Psychiatry Research, Volume 8, Ausgabe 2, Februar 1983, S: 119-125: Miriam J. McKendall, Richard J. Haier: „Pain sensitivity and obesity“

[7] Journal of Psychosomatic Research, Volume 59, Ausgabe 5, November 2005, S. 275-282: Jennifer R. Shapiro, Drew A. Anderson, Sharon Danoff-Burg: „A pilot study of the effects of behavioral weight loss treatment on fibromyalgia symptoms“

[8] The Journal of Pain, Volume 18, Ausgabe 12, Dezember 2017, S. 1542-1550: Andrew Schrepf, Steven E. Harte, Nicole Miller, Christine Fowler, Catherine Nay, David A. Williams, Daniel J. Clauw, Amy Rothberg: „Improvement in the Spatial Distribution of Pain, Somatic Symptoms, and Depression After a Weight Loss Intervention“

[9] European Journal Of Internal Medicine, Volume 26, Ausgabe 9, e49-e50, November 2015: Maurizio Marvisi, Laura Balzarini, Chiara Mancini, Sara Ramponi, Chiara Marvisi: „Fibromyalgia is frequent in obstructive sleep apnea and responds to CPAP therapy“