Wer öfters im Flugzeug weite Strecken Richtung Westen oder Osten zurücklegt, der kennt das Problem: Jetlag. Der eigene biologische Rhythmus (auch circadianer Rhythmus genannt) gerät, durch die schnelle Reise über mehrere Zeitzonen, aus dem Takt. Die innere Uhr des Menschen kann sich nicht so schnell an die neue Uhrzeit am Zielort anpassen. Es prägen sich daher unterschiedliche körperliche und psychische Symptome aus. Im Folgenden werden die Ursachen und die Symptome des sogenannten Jetlags beschrieben und die wirkungsvollsten Handlungsempfehlungen gegeben, um die Beschwerden abzumildern.
Ursachen des Jetlags
Über 90 Prozent der Fernreisenden in Richtung Westen oder Osten leiden unter dem Zeitumstellungssyndrom[1]. Jede Zelle des menschlichen Körpers verfügt über eine eigene innere Uhr. Diese ist von enormer Relevanz, da sie wichtige Funktionen wie Körpertemperatur, Hormonproduktion, Schlaf- und Wachphasen und den Blutdruck steuert (siehe auch Blogbeitrag vom 18.06.2022). Die biologische Uhr „tickt“ perfekt nach heimatlicher Gewohnheit, doch nach dem Fernstreckenflug am Zielort angekommen, wird der Reisende unvermittelt mit einer völlig anderen Tageszeit konfrontiert. Es ist wichtig zu wissen, dass die innere Uhr insbesondere durch das Licht der Sonne, bzw. durch den Hell-Dunkel-Rhythmus der Tageszeiten „gestellt“ wird. Die biologische Uhr des Menschen wird also synchronisiert mit der Uhr, die durch den Tag- und Nachtrhythmus der Erdrotation zur Verfügung gestellt wird. Sie wird daher häufig auch als Sonnenuhr bezeichnet. Um den Jetlag zu überwinden, muss sich folglich die innere Uhr des Menschen an den Stand der Sonnenuhr am Reiseziel anpassen.
Symptome des Jetlag (Zeitumstellungssyndrom)
Aufgrund der Dissoziation zwischen dem inneren und dem äußeren Zeitgeber, geraten die natürlichen Rhythmen wie Essens- und Schlafenszeit, Körpertemperatur oder Hormonproduktion aus der Balance, was die Entstehung von Symptomen zur Folge hat. Die häufigsten Beschwerden des Jetlags sind Schlafstörungen. Die Betroffenen können am Zielort nicht einschlafen, oder wachen mitten in der Nacht auf und können dann nicht wieder in den Schlaf zurückfinden. Sehr häufig wird auch eine extreme Tagesmüdigkeit beklagt, die sogar bis zum Einschlafzwang führen kann. Während eines Jetlags ist die Gemütslage nicht selten depressiv und Stimmungsschwankungen, Konzentrationsstörungen und gesteigerte Reizbarkeit werden vielfach berichtet. Aber auch körperliche Symptome wie Herzfrequenzschwankungen, Verdauungsprobleme oder Appetitlosigkeit gehen auf das Konto der plötzlichen Zeitumstellung[2]. Die Ausprägung dieser Beschwerden variiert bei jedem Menschen sehr stark. Es gibt Reisende, die bereits nach ein bis zwei Tagen wieder völlig symptomfrei sind, während andere Wochen brauchen, um ihren Körper an die neue Zeitzone zu adaptieren. Grundsätzlich hängt der Schweregrad der Jetlag Symptome vom Umfang der erlebten Zeitverschiebung ab. Je mehr Zeitzonen mit dem Flugzeug durchreist werden, desto stärker fallen typischerweise die Beschwerden aus. Die Praxis zeigt, dass Zeitumstellungen bis zu drei Stunden meist symptomfrei bleiben, während Reisen über mehr als fünf Zeitzonen fast immer deutliche Jetlag Beschwerden nach sich ziehen.
Welchen Einfluss die Flugrichtung auf den Jetlag hat
Das Ausmaß des Zeitumstellungssyndroms hängt insbesondere von der Flugrichtung ab. Wer nach Westen reist, verlängert seinen Tag, während Flüge Richtung Osten den Tag verkürzen. Da es den meisten Menschen leichter fällt, sich an einen längeren Tag anzupassen, ist der Jetlag bei Flügen Richtung Westen überwiegend erträglicher. Der Flug nach Westen bedeutet für den Reisenden, dass sich Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang verzögern. Ein längeres Aufbleiben wird somit notwendig, was der Mehrheit leichter fällt, als morgens früher aufzustehen. Genau gegensätzlich verhält es sich bei den Flügen Richtung Osten: Der Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang wird vorzeitig erlebt, was ein früheres Aufstehen erforderlich macht.
Handlungsempfehlungen für Flüge Richtung Westen
Die nachfolgenden Empfehlungen gelten für einen typischen Flug aus Europa an die US-Ostküste. In der Regel starten Transatlantikflüge in Europa um die Mittagszeit und erreichen dann beispielsweise New York am Nachmittag oder späten Nachmittag. Auf derartigen Flügen ist es bedeutsam nicht im Flugzeug zu schlafen. Falls unbedingt notwendig, sollte höchstens ein kurzer Powernap von maximal 30 Minuten genutzt werden (siehe auch Blogbeitrag vom 28.10.2019). Um diese Zeit nicht zu überschlafen, bietet sich die Aktivierung eines Weckalarms an. Da die Luft im Flugzeug extrem trocken ist, sollte viel getrunken werden, um einer Dehydrierung vorzubeugen. Es empfiehlt sich auf Koffein und Alkohol vollständig zu verzichten. Koffein und Alkohol entziehen dem Körper Flüssigkeit und beeinträchtigen den Flüssigkeitshaushalt noch zusätzlich[3]. Darüber hinaus raten Vielreisende auf Langstreckenflügen nur leichte Kost einzunehmen, um den Magen von übermäßiger Verdauungsarbeit zu entlasten.
Am Reiseziel angekommen ist es entscheidend, sich möglichst schnell an die neue Zeit anzupassen, indem man sich an den örtlichen Essens- und Schlafenszeiten orientiert. Der eigene Rhythmus sollte allerdings beibehalten werden: Wer also an seinem Heimatort beispielsweise um 22 Uhr ins Bett geht, der sollte dies auch am Zielort zu seiner gewohnten Zeit tun. Die letzte Mahlzeit des Tages wird optimalerweise 3 Stunden vor dem Zubettgehen eingenommen. Im Zusammenhang mit Fernreisen ist die Einhaltung der Regeln zur Schlafhygiene (siehe auch Blogbeitrag vom 19.03.2019) besonders relevant. Weiterhin verbietet sich auch am Reiseziel die Einnahme von Alkohol. Zwar kann Alkohol das Einschlafen erleichtern, aber er erschwert gleichzeitig auch das Durchschlafen und vermindert die Schlafeffizienz (siehe auch Blogbeitrag vom 24.08.2021). Am nächsten Morgen, nach einer hoffentlich sehr guten Nacht, ist es sehr sinnvoll, gleich nach dem Aufstehen, einen längeren Spaziergang in der Sonne zu machen. Durch den Einfluss des Sonnenlichts gelingt es schneller die innere Uhr an die Lokalzeit anzugleichen.
Handlungsempfehlungen für Flüge Richtung Osten
Das folgende Praxisbeispiel behandelt nun den Rückflug von der US-Ostküste nach Europa. Hier kommt es insbesondere auf die Flugplanung und auf die „richtige“ Abflugzeit an. Vorzugsweise wird ein Flug gewählt, der zwischen 20 Uhr und 21 Uhr Lokalzeit von der US-Ostküste startet. Der Flugreisende wird dann am Vormittag des nächsten Tages in Europa ankommen. Der Passagier fliegt dem Sonnenaufgang entgegen, was dementsprechend seinen Tag verkürzt. In dieser Konstellation ist es unerlässlich die etwa siebenstündige Flugzeit zum Schlafen zu nutzen. Aus diesem Grund sollte der Reisende direkt nach dem Start Zubettgehen. Ein Sitzplatz in der Business-Class wird dieses Vorhaben unterstützen. Die Praxis zeigt nämlich, dass die allermeisten Menschen in der engen Economy-Class nicht schlafen können. Der Sitz in der Business-Class lässt sich normalerweise in ein vollständig flaches Bett umwandeln, so dass die Grundvoraussetzung für einen erholsamen Schlaf gegeben ist. Zusätzliche Hilfsmittel wie Oropax, warme Wollsocken, die Reisedecke der Airline und eine vollständig abdunkelnde Schlafmaske dürften für zusätzlichen Schlafkomfort sorgen. In jedem Fall sollte auf das Abendessen an Bord verzichtet werden, um das schnelle Einschlafen nach dem Start nicht zu behindern. Nach der Landung am Zielort bietet sich wieder ein Spaziergang in der Sonne an, um die biologische Uhr schnellstmöglich mit der neuen Ortszeit zu synchronisieren.
Ist Melatonin gegen Jetlag empfehlenswert?
Erfahrungsgemäß wird es vielen Reisenden dennoch nicht gelingen längere Zeit im Flugzeug zu schlafen. Die durch einen Langstreckenflug verursachte Zeitverschiebung stört wie beschrieben den natürlichen Schlaf-Wach-Rhythmus des Körpers, da die innere Uhr aus dem Takt gerät. Hier kann eine Melatonin Supplementierung helfen den Körper schneller an die neue Zeitzone anzupassen. Das menschliche Schlafhormon Melatonin wird in der Zirbeldrüse produziert und im Wesentlichen bei Dunkelheit, also abends und in der Nacht, freigesetzt. Das Hormon koordiniert die circadian-rhythmischen Vorgänge im Körper und wirkt als Taktgeber für die biologische Uhr. Als Schlafhormon fördert Melatonin sowohl das Einschlafen, als auch das Durchschlafen (siehe auch Blogbeitrag vom 04.05.2021). Fernreisende, die insbesondere Schwierigkeiten mit dem Einschlafen an Bord haben, kann daher diese Form der Hormonergänzung empfohlen werden. Hierbei ist insbesondere der Faktor ausschlaggebend, dass das körpereigene Melatonin, im Gegensatz zu synthetischen Schlafmitteln, keine Abhängigkeits- und Gewöhnungseffekte induziert.
Jetlag lässt sich nicht vermeiden, aber deutlich abschwächen
Die genannten Verhaltensempfehlungen können einen Jetlag nicht verhindern, aber sie können dessen Symptome merklich reduzieren. Das Zeitumstellungssyndrom ist zwar keine Krankheit, aber es kann die ersten Ferientage oder auch den Wiedereinstieg in den Beruf nach dem Urlaub ganz erheblich stören. Zum großen Problem wird der Jetlag vorwiegend für Geschäftsreisende, die beispielsweise direkt nach einem Langstreckenflug komplexe Verhandlungen führen müssen. Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass das Immunsystem, während der Anpassungszeit an den neuen Tagesrhythmus, unter erheblichem Stress steht. Eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen ist kurzfristig wahrscheinlich[4]. Es ist daher auch unter gesundheitlichen Aspekten von grundsätzlicher Wichtigkeit, die Diskrepanz zwischen der biologischen Uhr und der neuen Zeit am Reiseziel, so schnell wie möglich aufzulösen.
Anmerkungen:
[1] The Upjohn Company: „Tips for Overcoming Jet Lag“ (leaflet); Kalamazoo, mi: The Upjohn Co.
[2] Mayo Clinic: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/jet-lag/symptoms-causes/syc-20374027
[3] Medical News Today: https://www.medicalnewstoday.com/articles/dehydrating-drinks
[4] Sleep Medicine, Volume 93, Mai 2022, S. 71-74: Julien Coelho, Jean-Arthur Micoulaud-Franchi, Anne-Sophie Wiet, Duc Nguyen, Jacques Taillard, Pierre Philip: „Circadian misalignment is associated with Covid-19 infection“