COMISA – Wenn Schlafapnoe und Insomnie zusammen auftreten

COMISA-Patient

COMISA (comorbid insomnia and sleep apnea) bezeichnet die gleichzeitige Präsenz von Schlafapnoe und Insomnie, einer besonders belastenden Kombination der beiden Schlafstörungen. Untersuchungen belegen, dass bis zu 50 Prozent der Menschen, die an obstruktiver Schlafapnoe (OSA) leiden, zusätzlich von Insomnie betroffen sind. Umgekehrt weisen etwa 30 bis 40 Prozent der Insomnie-Betroffenen eine zugrunde liegende Schlafapnoe auf[1]. Diese doppelte Belastung hat erhebliche Auswirkungen auf die Lebensqualität der Betroffenen, da sich die beiden Schlafstörungen gegenseitig verstärken können. Der folgende Beitrag beleuchtet die komplexen Wechselwirkungen zwischen Insomnie und Schlafapnoe, erläutert die Diagnosestandards für COMISA und stellt wirksame Therapieansätze vor. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf der individuellen Anpassung der Behandlungsstrategien, da die Komplexität der Erkrankung häufig einen interdisziplinären Ansatz erfordert.

Schlafapnoe als Auslöser von Ein- und Durchschlafstörungen

Die obstruktive Schlafapnoe kann Ein- und Durchschlafstörungen auslösen oder bestehende Insomnien ausweiten. Die wiederholten nächtlichen Atemstillstände aufgrund der Schlafapnoe führen zu kurzen Weckreaktionen, den sogenannten Arousals, die von den Betroffenen meist nicht bewusst wahrgenommen werden. Diese Arousals fragmentieren den Schlaf jedoch erheblich und können in einigen Fällen in längere Wachphasen übergehen, insbesondere bei Vorliegen zusätzlicher Begleitsymptome wie nächtlichem Harndrang. Das vermehrte nächtliche Wasserlassen, eine typische Folge der OSA, zwingt die Betroffenen, mehrmals aufzustehen, was das Wiedereinschlafen erschwert. Darüber hinaus können die Betroffenen Angst und Beklemmungsgefühle verspüren, die auf die Erfahrung von Atemnot während einer Apnoe-Episode zurückzuführen sind. Die Fähigkeit zur Entspannung, die eine Grundvoraussetzung für erholsamen Schlaf ist, wird dadurch beeinträchtigt. In der Folge wird die durch OSA fragmentierte Nacht von Insomnie Patienten, mit ohnehin gestörter Schlafwahrnehmung, vielfach als „komplett schlaflos“ empfunden.

Warum Insomnie nächtliche Atemstörungen intensiviert

Zwischen OSA und Insomnie besteht eine wechselseitige Beziehung: Während die Atemaussetzer der Schlafapnoe Ein- und Durchschlafstörungen hervorrufen können, verstärkt die Insomnie ihrerseits den Schweregrad der Schlafapnoe. Wiederholte Schlafunterbrechungen bei Insomnie Patienten können die Entstehung von Atemwegsobstruktionen begünstigen, da ein Schlafdefizit den Spannungszustand der oberen Atemwegsmuskulatur herabsetzt. Studien belegen, dass insbesondere der Musculus genioglossus (Kinn-Zungen-Muskel) bei Schlafmangel an Tonus verliert, was wiederum die Atemwege leichter kollabieren lässt[2,3]. Bei Patienten, die bereits an Schlafapnoe leiden, kann dies einen höheren Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) und vermehrte Sauerstoffentsättigungen zur Folge haben. Gleichzeitig senkt Insomnie auch die Weckschwelle, sodass Betroffene bei Atemstillständen leichter aufwachen können. In der Konsequenz vermindert sich der Tiefschlafanteil und der stabilisierende Einfluss dieses Schlafstadiums auf die Atmung bleibt aus. Entsprechend vergrößern sich die nächtlichen Atemwegsprobleme und die Gesamtschlafqualität nimmt weiter ab.

Diagnose von COMISA: Wie Schlafapnoe und Insomnie erkannt werden

Die Diagnostik von COMISA erfordert eine sorgfältige und differenzierte Herangehensweise, da sich die Symptome von Schlafapnoe und Insomnie in vielen Fällen überschneiden und eine klare Abgrenzung erschweren. Die ausführliche Anamnese stellt einen wesentlichen Bestandteil der Diagnostik dar. In diesem Rahmen werden sowohl das Schlafverhalten als auch charakteristische Merkmale beider Störungen, wie Schnarchen, Tagesmüdigkeit, nächtliches Erwachen und Schwierigkeiten beim Wiedereinschlafen, erhoben. Ergänzend kommen standardisierte Fragebögen wie der Insomnia Severity Index (ISI) oder die Epworth Sleepiness Scale (ESS) zum Einsatz, um das Beschwerdebild objektiv zu bewerten.

Eine polysomnographische Untersuchung im Schlaflabor ist eine unabdingbare Voraussetzung für die eindeutige Diagnose. Im Schlaflabor wird der Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ermittelt, welcher den Schweregrad der Schlafapnoe quantifiziert. Zudem werden typische Marker der Insomnie wie eine verlängerte Einschlafzeit oder eine reduzierte Gesamtschlafzeit gemessen. Ebenso wichtig ist die Abgrenzung zu anderen möglichen Ursachen wie dem Restless-Legs-Syndrom oder chronischem Stress, da diese ebenfalls schlafstörende Effekte verursachen können. Eine differenzierte Diagnostik ist essenziell, da sich die Therapieansätze bei COMISA deutlich von den standardisierten Verfahren zur Behandlung alleiniger Insomnie oder Schlafapnoe unterscheiden.

Warum eine individuell angepasste COMISA Therapie so wichtig ist

Die Therapie von COMISA erfordert eine enge Abstimmung zwischen der Behandlung der Schlafapnoe und der Insomnie, da eine starke Verflechtung der beiden Störungen besteht. Ein entscheidender Fokus liegt auf der individuellen Anpassung der Behandlungsstrategien, da standardisierte Verfahren häufig an der Komplexität der Erkrankung scheitern.

Ein etablierter Ansatz ist die Kombination aus nächtlicher Überdruckbeatmung (CPAP = Continuous Positive Airway Pressure) zur Behandlung der Schlafapnoe mit einer kognitiven Verhaltenstherapie (KVT) zur Linderung von Insomnie (vgl. Blogbeitrag vom 22.12.2024). Während CPAP den Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) senkt und gleichzeitig die nächtliche Atmung stabilisiert, unterstützt die KVT Patienten dabei, schlaffördernde Gewohnheiten zu entwickeln und den durch OSA verursachten Stress abzubauen. Studien belegen, dass diese Kombination sowohl die Therapietreue der Überdruckbeatmung als auch die gesamte Schlafqualität signifikant verbessert[4,5].

Die KVT ermöglicht es COMISA-Patienten nicht nur effektiv ihre Insomnie Symptome zu lindern, sondern erleichtert auch die Akzeptanz der CPAP-Therapie. Durch die gezielte Unterstützung schlaffördernder Denk- und Verhaltensmuster verbessert die KVT die Schlafqualität und hilft den Patienten, mit der CPAP-Anwendung besser zurechtzukommen. Die Reihenfolge der Behandlung wird allerdings unter Schlafmedizinern kontrovers diskutiert: Hinweise aus Studien deuten darauf hin, dass eine KVT vor Beginn der CPAP-Therapie die langfristige Akzeptanz und Wirksamkeit der nächtlichen Überdruckbeatmung deutlich steigern kann[6].

Die parallele Durchführung von CPAP-Therapie und KVT, ergänzt durch Schulungen zur Verbesserung der CPAP-Compliance, hat sich ebenfalls als erfolgreich erwiesen. Strukturierte Ansätze wie diese reduzieren die Herausforderungen bei der Anwendung der CPAP-Therapie und verbessern die Versorgung der Patienten. In Deutschland mangelt es jedoch an spezialisierten Programmen, die CPAP-Compliance-Schulungen gezielt mit umfassenden Schlaftrainings verbinden. Dies erschwert die Versorgung von COMISA-Patienten erheblich.

Neben der CPAP-Therapie sollten daher auch alternative Ansätze wie beispielsweise Unterkieferschienen oder die Positionstherapie in Betracht gezogen werden. Diese Methoden können die Belastung durch die CPAP-Therapie verringern und den Erfolg einer personalisierten Behandlung steigern. Liegt die Ursache der Insomnie ausschließlich in schlafbezogenen Atemstörungen, kann eine ursachenbezogene Therapie der Schlafapnoe eine vollständige Symptomfreiheit beider Erkrankungen ermöglichen. In jedem Fall ist ein interdisziplinärer Ansatz unerlässlich, da die Behandlung von COMISA sowohl medizinisches als auch psychologisches Fachwissen erfordert.

Wie COMISA Patienten ihre Therapie unterstützen können

COMISA-Patienten können durch gezielte Ad-hoc-Maßnahmen ihre Schlafqualität positiv beeinflussen und die Wirkung ihrer Therapie verstärken. Regelmäßige Schlafzeiten stabilisieren die Schlaf-Wach-Rhythmik und lindern Einschlafprobleme. Entspannende Rituale vor dem Zubettgehen – wie Meditation oder progressive Muskelentspannung – schaffen ideale Voraussetzungen für einen erholsamen Schlaf. Eine optimierte Schlafhygiene spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle: Der Verzicht auf Alkohol und Koffein am Abend, eine angenehme Schlafzimmertemperatur und das Reduzieren von Bildschirmzeit fördern einen leichteren Übergang in den Schlaf. Darüber hinaus begünstigt das Vermeiden von Mittagsschlaf den Aufbau des für die Nacht erforderlichen Schlafdrucks.

Für Patienten, die mit der CPAP-Therapie behandelt werden, ist eine behutsame Gewöhnung an das Überdruckbeatmungsgerät von entscheidender Bedeutung. Bei anfänglichen Schwierigkeiten empfiehlt es sich, frühzeitig den behandelnden Schlafmediziner zu konsultieren. Eine ergonomische Schlafposition, idealerweise in Seiten- oder Bauchlage, trägt zur Minimierung von Atemstörungen bei und verbessert die Nachtruhe. Durch die Kombination dieser einfachen Maßnahmen mit der medizinischen Therapie lässt sich die Lebensqualität nachhaltig steigern.

Warum die ganzheitliche Behandlung von COMISA erfolgversprechend ist

Die erfolgreiche Behandlung von COMISA erfordert ein interdisziplinäres und individuell abgestimmtes Therapiekonzept, da die komplexen Wechselwirkungen zwischen Insomnie und Schlafapnoe keine isolierte Herangehensweise erlauben. Eine Kombination aus evidenzbasierten Ansätzen – wie der CPAP-Therapie, kognitiver Verhaltenstherapie und unterstützenden schlaffördernden Maßnahmen – bildet die vielversprechendste Grundlage, um die Lebensqualität der Betroffenen dauerhaft zu verbessern. Dabei ist es entscheidend, sowohl medizinische als auch psychologische Aspekte der Erkrankung zu berücksichtigen und die Therapie an die individuellen Bedürfnisse anzupassen. Diese Methodik hat sich als effektiv erwiesen, um die belastenden Symptome beider Störungen wirksam zu lindern.

Anmerkungen:

[1] Sleep Epidemiology, Volume 2, Dez. 2022, e100043: Aexander Sweetman, Bastien Lechat, Sarah Appleton, Amy Reynolds, Robert Adams, Yohannes Adama Melaku: „Association of co-morbid insomnia and sleep apnoea symptoms with all-cause mortality: Analysis of the NHANES 2005-2008 data.“

[2] American Journal of Respiratory and Critical Care Medicine, Vol. 183, 2011, A6163: D.J. Eckert, S. Parikh, D.P. White, A.S. Jordan, P. Merchia, A. Malhotra: „Sleep deprivation impairs genioglossus muscle responsiveness“ 

[3] American Review of Respiratory Disease, Volume 132, Ausgabe 6, Dez. 1985, S. 1242-1245: J. C. Leiter, S. L. Knuth, D. Bartlett Jr.: „The effect of sleep deprivation on activity of the genioglossus muscle.“

[4] Sleep, Volume 44, Ausgabe 4, April 2021, zsaa235: Cathy A. Alessi, Constance H. Fung, Joseph M. Dzierzewski, Lavinia Fiorentino, Carl Stepnowsky, Juan C. Rodriguez Tapia, Yeonsu Song, Michelle R. Zeidler, Karen Josephson, Michael N. Mitchell, Stella Jouldjian, Jennifer L. Martin: „Randomized controlled trial of an integrated approach to treating insomnia and improving the use of positive airway pressure therapy in veterans with comorbid insomnia disorder and obstructive sleep apnea“

[5] Journal of Clinical Sleep Medicine, Volume 18, Ausgabe 3, März 2022, S. 789-800: Alice Y. Tu, Megan R. Crawford, Spencer C. Dawson, Louis F. Fogg, Arlener D. Turner, James K. Wyatt, Maria I. Crisostomo, Bantu S. Chhangani, Clete A. Kushida, Jack D. Edinger, Sabra M. Abbott, Roneil G. Malkani, Hrayr P. Attarian, Phyllis C. Zee, Jason C. Ong: „A randomized controlled trial of cognitive behavioral therapy for insomnia and PAP for obstructive sleep apnea and comorbid insomnia: effects on nocturnal sleep and daytime performance“

[6] Sleep, Volume 42, Ausgabe 12, Dez. 2019, zsz178: Alexander Sweetman, Leon Lack, Peter G. Catcheside, Nick A. Antic, Simon Smith, Ching Li Chai-Coetzer, James Douglas, Amanda O’grady, Nicola Dunn, Jan Robinson, Denzil Paul, Paul Williamson, R. Doug McEvoy: „Cognitive and behavioral therapy for insomnia increases the use of continuous positive airway pressure therapy in obstructive sleep apnea participants with comorbid insomnia: a randomized clinical trial“