Ursachen von Wintermüdigkeit und welche Maßnahmen dagegen helfen

Wintermüdigkeit

Millionen von Menschen in Europa leiden regelmäßig zu Beginn der dunklen Jahreszeit unter verstärkter Müdigkeit und verminderter Vitalität. Dieser physiologische Zustand wird als Wintermüdigkeit bezeichnet und tritt typischerweise zwischen November und Februar auf. Er resultiert aus den veränderten meteorologischen Bedingungen und den damit einhergehenden biologischen Anpassungsprozessen des menschlichen Körpers. In der Tierwelt sind vergleichbare Phänomene zu beobachten: Bären, Murmeltiere oder Igel verfallen beispielsweise in der kalten Jahreszeit in einen Winterschlaf. Die Wintermüdigkeit ist also nicht nur ein pathologisches Phänomen, sondern Teil eines evolutionären Adaptationsmechanismus. Trotz ihrer natürlichen Grundlage ist es dennoch ratsam, geeignete Maßnahmen zur Linderung der Wintermüdigkeit zu ergreifen. Solche präventiven Maßnahmen sind sinnvoll, da unbehandelte Wintermüdigkeit häufig zu ernsteren Störungen wie der Winterdepression führen kann. Im Folgenden werden die Ursachen erklärt sowie wirksame Strategien aufgezeigt, um individuelles Leiden zu minimieren und die Lebensqualität während der Wintermonate zu erhalten.

Wie meteorologische Faktoren zur Wintermüdigkeit beitragen

Die Wintermüdigkeit ist in erster Linie auf den gravierenden Lichtmangel in den Wintermonaten zurückzuführen. Dieser ist in den höheren Breiten besonders ausgeprägt. Die verkürzten Tageslichtstunden beeinflussen den circadianen Rhythmus erheblich. Dieser biologische Prozess, der umgangssprachlich auch als „innere Uhr“ bezeichnet wird, regelt unter anderem die Schlaf- und Wachphasen des Menschen (siehe auch Blogbeitrag vom 18.06.2022). Tageslichtmangel führt zu einer verminderten Ausschüttung des Neurotransmitters Serotonin, der nicht nur für die Stimmungsregulierung, sondern auch für das Energieniveau entscheidend ist. Die Störung des zirkadianen Rhythmus kann vermehrte Tagesschläfrigkeit nach sich ziehen und gleichzeitig das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen.

Ein weiterer entscheidender meteorologischer Faktor ist der Einfluss der Temperatur auf den menschlichen Organismus. Kältebedingte Stressreaktionen bewirken eine verstärkte Freisetzung von Stresshormonen wie zum Beispiel Cortisol. Der physiologische Stress kann sich negativ auf das Energieniveau auswirken und so zur Wintermüdigkeit beitragen. Stressreaktionen auf niedrige Temperaturen sind Teil eines komplexen Zusammenspiels von Umweltfaktoren und biologischen Anpassungsprozessen, die in der kalten Jahreszeit eine Herausforderung für den Organismus darstellen.

Welche Rolle spielt Melatonin bei der Wintermüdigkeit?

Die kurzen Tage des Winters verursachen oftmals ein Ungleichgewicht des Melatoninspiegels. Melatonin, als Schlafhormon bekannt, (siehe auch Blogbeitrag vom 04.05.2021) wird zunehmend bei Dunkelheit von der Zirbeldrüse ausgeschüttet, um den Körper auf den Schlaf vorzubereiten. Die geringe Tageslichtexposition im Winter resultiert in einem erhöhten Melatoninspiegel, was wiederum vermehrte Müdigkeit und Antriebslosigkeit zur Folge hat. Denn die Ganglienzellen im menschlichen Auge können in den Wintermonaten nur relativ wenig blaues Licht aufnehmen. Das blaue Licht hemmt normalerweise die Produktion von Melatonin in der Zirbeldrüse. Zu wenig Sonnenlicht schwächt diesen Hemmungsmechanismus und ermöglicht der Zirbeldrüse mehr Melatonin freizusetzen[1]. Infolgedessen fühlen sich Betroffene frühzeitig müde und verspüren den Wunsch nach längerem Schlaf.

Wie das Sonnenhormon das Energieniveau beeinflusst

Ein weiterer biologischer Aspekt, der zur Wintermüdigkeit beiträgt, ist der Mangel an Vitamin D, das auch als „Sonnenhormon“ bekannt ist. Durch die geringere Sonneneinstrahlung in den dunklen Wintermonaten wird weniger Vitamin D in der Haut gebildet. Vitamin D spielt eine entscheidende Rolle bei verschiedenen physiologischen Prozessen, unter anderem bei der Regulation des Immunsystems und des Energiestoffwechsels. Ein zu geringer Vitamin D-Spiegel kann sich negativ auf die Stimmungslage auswirken, da Vitamin D an der Synthese von Serotonin beteiligt ist, einem Neurotransmitter, der für die Regulation der Stimmung und des Schlafs wichtig ist (siehe auch Blogbeitrag vom 22.10.2023). Zudem kann ein Vitamin D-Mangel zu verminderter Muskelkraft und Erschöpfung beitragen, was eine bereits bestehende Wintermüdigkeit noch verstärken kann.

Der Einfluss psychosozialer Aspekte auf die Stimmung im Winter

Bei der Wintermüdigkeit spielen auch psychosoziale Einflüsse eine ganz entscheidende Rolle. Die dunklen und kalten Wintermonate können oft mit einer Verschlechterung der Stimmungslage einhergehen[2]. Der reduzierte Lichteinfall bringt, wie bereits erläutert, eine verringerte Freisetzung von Serotonin mit sich. Serotonin ist maßgeblich an der Regulierung von Stimmung, Appetit und Schlaf beteiligt. Ein Rückgang des Serotoninspiegels ist daher nicht selten mit Gefühlen der Niedergeschlagenheit und verminderter Lebensfreude verbunden.

Im Winter halten sich Menschen oft weniger im Freien auf, was folglich die körperliche Aktivität und Frischluftzufuhr beschränkt. Der Mangel an Bewegung und Sonnenlicht beeinträchtigt den Abbau von Stresshormonen (insbesondere Cortisol), was wiederum zu anhaltender Müdigkeit beitragen kann[3]. Zudem ist in der kalten Jahreszeit die soziale Isolation stärker ausgeprägt. Die Tendenz, sich in den dunkleren Monaten vermehrt in den eigenen vier Wänden aufzuhalten, bedingt auch einen Rückzug aus sozialen Aktivitäten. Die damit einhergehende Einsamkeit und der Mangel an sozialer Interaktion können emotionale Belastungen verstärken und gleichzeitig das Risiko von Stimmungsschwankungen erhöhen.

Die 3 wichtigsten Tipps gegen Wintermüdigkeit

Betroffene der Wintermüdigkeit können relativ einfache Strategien umsetzen, um ihre Symptome zu lindern. Die drei effektivsten Maßnahmen sind:

Möglichst viel Tageslicht am Morgen

Zur Linderung der Wintermüdigkeit hat sich die Tageslichttherapie als äußerst wirkungsvoll herausgestellt. Die Verwendung von Tageslichtlampen hilft den Mangel an natürlicher Helligkeit während des Winters effektiv auszugleichen. Derartige Lampen sind speziell darauf ausgelegt, ein Lichtspektrum zu emittieren, das dem natürlichen Sonnenlicht sehr nahe kommt. Die Tageslichttherapie zielt darauf ab, den circadianen Rhythmus zu stabilisieren und die Ausschüttung von Serotonin zu fördern. Die Anwendung am Morgen über einen Zeitraum von 30 bis maximal 120 Minuten gibt der inneren Uhr das Startsignal, um Körperzellen und physiologischen Funktionen wie den Schlaf-Wach-Rhythmus, die Stimmung und das Energieniveau mit der äußeren Tageszeit zu synchronisieren[4]. Um die gewünschten Effekte zu erzielen, empfiehlt es sich eine Tageslichtlampe mit einer Lichtstärke von mindestens 10.000 Lux zu verwenden. Während der Lichttherapie sollte man nicht direkt in die Lichtquelle schauen und einen Abstand von etwa 30 bis 60 cm einhalten. Es ist sinnvoll, während der Therapiesitzung alltägliche Aktivitäten wie Lesen, Essen oder Büroarbeiten zu erledigen. Bereits wenige Tage nach Therapiebeginn sind typischerweise erste Verbesserungen der Symptome von Wintermüdigkeit spürbar.

Im Winter Vitamin D supplementieren

Ein Mangel an Vitamin D stellt, wie bereits ausgeführt, eine häufige Ursache für Abgeschlagenheit und Müdigkeit im Winter dar. In Mittel- und Nordeuropa leiden während der kalten Jahreszeit mindestens 80% der Bevölkerung unter einem reduzierten oder zu niedrigen Vitamin D-Spiegel im Körper[5]. Daher ist die Einnahme von Vitamin D als Nahrungsergänzungsmittel dringend zu empfehlen, um ein ausreichend hohes Vitamin D-Niveau sicherzustellen. Gleichzeitig wirkt die Supplementierung den negativen Auswirkungen eines Vitamin D-Mangels auf das Stimmungs- und Antriebsniveau entgegen. Die empfohlene Dosierung von Vitamin D variiert von Person zu Person und hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie etwa dem Hauttyp, dem Alter oder den Ernährungsgewohnheiten. In Europa gilt eine tägliche Zufuhr von 2.000 IE (= Internationale Einheiten) als empfohlene Maximaldosis[6]. Vor der Einnahme von Vitamin D-Präparaten ist es ratsam, einen Arzt zu konsultieren, um eine angemessene Dosierung und mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten zu besprechen.

Sportliche Betätigung an der frischen Luft

Regelmäßige Bewegung im Freien wie Joggen oder Fahrradfahren ist vermutlich die effektivste Maßnahme gegen Wintermüdigkeit. Sie fördert nicht nur die körperliche Fitness, sondern vor allem auch die mentale Gesundheit. Durch Sport verbessert sich die Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Gehirns. Zudem werden Endorphine freigesetzt, die als natürliche Stimmungsaufheller fungieren. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien belegt die positiven Auswirkungen von Sport auf die Stimmungslage[7-9]. Um optimale Effekte zu erzielen, empfiehlt es sich Sporteinheiten während der Tageslichtstunden zu absolvieren, um zusätzlich von den positiven Wirkungen des natürlichen Lichts zu profitieren. Speziell Joggen oder Fahrradfahren im Freien ermöglicht eine erhöhte Tageslichtexposition, was zusätzlich die Ausschüttung von Serotonin begünstigt. Die Kombination von körperlicher Aktivität und Sonnenlicht verstärkt folglich die Wirkung gegen Müdigkeit im Winter.

Präventive Maßnahmen entscheidend um Winterdepressionen zu verhindern

Wintermüdigkeit ist ein weit verbreitetes, aber gut behandelbares Phänomen, das vor allem durch den Mangel an Sonnenlicht und Störungen des circadianen Rhythmus hervorgerufen wird. Die empfohlenen Maßnahmen wie Tageslichttherapie, Vitamin D-Supplementierung und Sport im Freien zeigen nachweislich wirksame Ergebnisse bei der Symptomlinderung. Durch die bewusste Integration dieser Strategien in den Alltag können Betroffene nicht nur der Müdigkeit im Winter entgegenwirken, sondern auch präventiv einer Winterdepression vorbeugen. Es ist wichtig, Wintermüdigkeit als Ansporn zu verstehen, aktiv für das eigene Wohlbefinden zu sorgen und den Winter vital zu gestalten.

Wintermüdigkeit
Wintermüdigkeit

Anmerkungen und Quellen: Wintermüdigkeit

[1] Science Translational Medicine, Volume 2, Ausgabe 31, Mai 2010, S. 31-33: Joshua J. Gooley, Shantha M. W. Rajaratnam, George C. Brainard, Richard E. Kronauer, Charles A. Czeisler, Steven W. Lockley: „Spectral responses of the human circadian system depend on the irradiance and duration of exposure to light“

[2] Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, Volume 39, Ausgabe 4, April 2004, S. 273-279: Lene Skou Nilsen, Vidje Hansen, Reidun Olstad: „Improvement in mental health over time in northern Norway- a prospective study of a general population followed for 9 years, with special emphasis on the influence of darkness in winter“

[3] Psychoneuroendocrinology, Volume 143, Sept. 2022, 105843: Len De Nys, Kerry Anderson, Esther F. Ofosu, Gemma C. Ryde, Jenni Connelly, Anna C. Whittaker: „The effects of physical activity on cortisol and sleep: A systematic review and meta-analysis“

[4] Neuropsychobiology, Volume 64, Ausgabe 3, Juli 2011, S. 152-162: Gerald Pail, Wolfgang Huf, Edda Pjrek, Dietmar Winkler, Matthaeus Willeit, Nicole Praschak-Rieder, Siegfried Kasper: „Bright-light therapy in the treatment of mood disorders“

[5] Robert-Koch-Institut: Journal of Health Monitoring, 2016 1(2), DOI 10.17886/RKI-GBE-2016-036: Martina Rabenberg, Gert B. M. Mensink: „Vitamin-D-Status in Deutschland“

[6] The American Journal of Clinical Nutrition, Volume 69, Ausgabe 5, Mai 1999, S. 842-856: Reinhold Vieth: „Vitamin D supplementation, 25-hydroxyvitamin D concentrations, and safety“

[7] The Journal of Psychology, Volume 153, Ausgabe 1, 2019, S. 102-125: John S. Y. Chan, Guanmin Liu, Danxia Liang, Kanfeng Deng, Jiamin Wu, Jin H Yan: „Special Issue – Therapeutic Benefits of Physical Activity for Mood: A Systematic Review on the Effects of Exercise Intensity, Duration, and Modality“

[8] Clinics, Volume 60, Ausgabe 1, Feb. 2005, S. 61-70: Marco Aurélio Monteiro Peluso, Laura Helena Silveira Guerra de Andrade: „Physical activity and mental health: the association between exercise and mood“

[9] Cureus, Volume 15, Ausgabe 1, Jan. 2023, e33475: Aditya Mahindru, Pradeep Patil, Varun Agrawal: „Role of Physical Activity on Mental Health and Well-Being: A Review“