Wie die Schlafstadien-Verteilung die Schlafqualität beeinflusst

16. August 2023
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Der Durchschnittsmensch verbringt beinahe ein Drittel seines Lebens im Zustand des Schlafs. Diese Tatsache brachte den renommierten US-amerikanischen Schlafforscher Allan Rechtschaffen zu seinem wohl bekanntesten Zitat: „Wenn der Schlaf nicht eine absolut lebenswichtige Funktion hat, dann ist er der größte Fehler, den der Evolutionsprozess jemals gemacht hat.[1] Es ist jedoch nicht nur die Länge des Schlafs, die die Wissenschaft intensiv beschäftigt, sondern insbesondere die Beantwortung der zentralen Frage, wie sich die Qualität des menschlichen Schlafs überhaupt objektiv bewerten lässt. Neben der Schlafdauer und der Anzahl der Schlafunterbrechungen gilt im besonderen Maße die Verteilung der Schlafstadien als Schlüsselkomponente der nächtlichen Regeneration. Der folgende Fachbeitrag beleuchtet die wichtigsten Aspekte der Schlafarchitektur und widmet sich eingehend der Frage, wie sich die Verteilung der Schlafstadien maßgeblich auf die Schlafqualität auswirkt.

Die Grundbausteine des Schlafs

Der menschliche Schlaf manifestiert sich in einer zyklischen Abfolge von Schlafstadien, die unterschiedliche charakteristische Muster und Phasen im Verlauf eines Schlafzyklus aufweisen. Ein durchschnittlicher Schlafzyklus erstreckt sich über etwa 90 Minuten und setzt sich aus den Schlafstadien N1, N2 und N3 sowie der REM-Schlafphase (von Englisch Rapid Eye Movement) zusammen. Die Schlafstadien N1 bis N3 werden als Non-REM Schlaf (abgekürzt NREM-Schlaf) bezeichnet. In der NREM-Phase durchläuft der Schlaf eine schrittweise Vertiefung von den leichteren Stadien (N1 und N2) zu einem tieferen Stadium (N3), welches durch erhöhte Delta-Aktivität im Elektroenzephalogramm (EEG) gekennzeichnet ist[2]. Die REM-Phase ist hingegen von schnellen Augenbewegungen und intensivierter neuronaler Aktivität geprägt, die an den Wachzustand erinnert. Eine typische Nacht besteht aus einer Sequenz von 4 bis 6 dieser Schlafzyklen, die in ihrer Gesamtheit die Basis für eine umfassende Regeneration von Körper und Geist bilden[2].

Stadium N1 – der leichte Schlaf

Im ersten Schlafstadium N1, auch als „leichter Schlaf“ bekannt, erfolgt der Übergang zwischen Wachsein und Schlaf. Während das Bewusstsein für die äußere Umgebung schwindet, verlangsamt sich die Herzfrequenz. Auf dem EEG zeichnen sich charakteristische Alpha-Wellen ab, die allmählich von schnelleren Theta-Wellen abgelöst werden. Die muskuläre Aktivität verringert sich, begleitet von gelegentlichen Muskelzuckungen. In diesem Stadium des leichten Schlafs können auch hypnagoge Phänomene wie sensorische Illusionen oder Bilderscheinungen auftreten. Zugleich besteht eine hohe Empfindlichkeit gegenüber Geräuschen und Lichtquellen. Hierdurch ist die Wahrscheinlichkeit eines ungewollten Aufwachens noch sehr groß[2]. Obwohl N1 nur von kurzer Dauer ist, spielt es eine bedeutende Rolle bei der Progression in tiefere Schlafstadien und dem Gesamtablauf des Schlafzyklus.

Stadium N2 – der stabile Schlaf

Im Stadium N2, der als „stabiler Schlaf“ bezeichnet wird, vertieft sich der Schlaf weiter. Die Körpertemperatur sinkt, und die Herzfrequenz verlangsamt sich noch mehr. Während dieser Phase gestaltet sich die Reaktion auf externe Stimuli, wie etwa Lärm, erheblich schwieriger. Die Trennung von äußeren Reizen wird zunehmend größer. Im Elektromyogramm (EMG) ist eine weitere Abnahme des Muskeltonus gegenüber dem Stadium N1 zu erkennen. Davon ist auch die Muskulatur im Rachenraum betroffen. Bei einigen Menschen führt das dazu, dass sie anfangen zu schnarchen. Charakteristisch für diese Phase ist auch die Präsenz von sogenannten Schlafspindeln und K-Komplexen im Elektroenzephalogramm. Das Auftreten von K-Komplexen repräsentiert vermutlich eine kortikale Schutzreaktion, was die Aufrechterhaltung des ungestörten Schlafs unterstützt. Der stabile Schlaf wird in der zweiten Nachthälfte zunehmend länger und nimmt durchschnittlich etwa 45 Prozent des Gesamtschlafs ein[2].

Stadium N3 – der Tiefschlaf

Im Schlafstadium N3, dem Tiefschlaf oder Slow-Wave-Schlaf, erreicht der Organismus den Höhepunkt seiner körperlichen Regeneration und Erholung. In diesem Stadium ist es deshalb mit Abstand am schwierigsten aufgeweckt zu werden. Im Slow-Wave-Schlaf zeigen sich die tiefsten Amplituden und langsamsten Frequenzen im EEG, was auf die verstärkte Aktivität von Delta-Wellen hinweist. Muskelaktivität und Stoffwechselprozesse sind auf ein Minimum reduziert, während das Immunsystem gestärkt wird und Zellreparaturmechanismen dominieren. Der Tiefschlaf ist für die Gedächtniskonsolidierung und die Wiederherstellung kognitiver Funktionen von herausragender Bedeutung. Die Länge des Tiefschlafs im Schlafzyklus korreliert stark mit der Gesamtschlafqualität und beeinflusst wesentlich das allgemeine Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit des Individuums[2].

REM-Stadium – der Traumschlaf

Im REM-Schlaf finden die meisten Träume statt, weshalb er auch oft als Traumschlafphase tituliert wird. In dieser Phase ist die Muskulatur gelähmt, wobei nur die Augenmuskulatur und die Zwerchfellatmung davon ausgenommen sind. Unter den geschlossenen Augenlidern bewegen sich die Augen rasch hin und her, was dieser Schlafphase ihren charakteristischen Namen gab. Die Lähmung der Muskulatur während des REM-Schlafs dient dem Schutz vor einer unkontrollierten physischen Umsetzung von Trauminhalten[2]. Die REM-Atonie (Schlaflähmung) erfüllt somit eine schützende Funktion, die unmittelbar nach dem Erwachen wieder verschwindet.

Während des Traumschlafs steigen Puls und Atemfrequenz deutlich an, begleitet von einer entsprechenden Blutdruckerhöhung. In der REM-Phase zeigt sich eine beträchtliche Steigerung der neuronalen Aktivität im Gehirn, vergleichbar mit dem Wachzustand. Das REM-Stadium übernimmt eine Schlüsselrolle bei der zerebralen Erholung des Gehirns. Ein dauerhaft zu geringer REM-Schlaf korreliert mit einem erhöhten Risiko geistiger Leistungseinschränkungen. Fähigkeiten wie Lern- und Konzentrationsvermögen, Sprachverarbeitung, Problemlösungskompetenz sowie emotionale Regulierung und soziale Kognition stehen in enger Verbindung zu einer ausreichend langen und qualitativ hochwertigen REM-Schlafphase[3].

Wie Tiefschlaf und REM-Schlaf die Schlafqualität definieren

Ein gesunder Erwachsener verbringt etwa 50 Prozent seiner Nachtruhe im Leichtschlaf, den Großteil davon im N2-Stadium mit einem durchschnittlichen Anteil von ca. 45 Prozent des Gesamtschlafs. Zu den erholsamen Schlafphasen zählen jedoch lediglich der Tiefschlaf und der REM-Schlaf. Im Wesentlichen ist der Tiefschlaf für die körperliche Regenerierung ausschlaggebend, während der REM-Schlaf für die kognitive Erholung verantwortlich zeichnet[2]. Ein adäquates Verhältnis dieser beiden Schlafstadien ist folglich von grundlegender Relevanz für eine ausreichende Schlafqualität. Die Schlafstadien-Verteilung stellt dabei keine feste Größe dar, sondern ist individuell sehr unterschiedlich. Die Zeit, die in den einzelnen Schlafstadien verbracht wird, entwickelt und verändert sich mit zunehmendem Alter, wobei die Schlafmenge im höheren Alter tendenziell abnimmt. Zudem unterliegt die Verteilung der Schlafstadien einer Vielzahl von weiteren Einflüssen, darunter Lebensstil, Umweltfaktoren, Gesundheitszustand, Medikamentennebenwirkungen, potenzieller Drogenmissbrauch sowie genetische Prädispositionen[4].

Der Tiefschlafanteil sollte sich bei einem gesunden Menschen idealerweise zwischen 20 bis 25 Prozent der gesamten Schlafdauer bewegen, während das REM-Stadium ebenfalls etwa 20 bis 25 Prozent der nächtlichen Ruhezeit ausmachen sollte[2]. Wer beispielsweise 7 Stunden schläft, sollte dementsprechend pro Nacht etwa 84 bis 105 Minuten, sowohl im Tiefschlaf, als auch im REM-Schlaf verbringen. Individuelle Abweichungen von diesen Niveaus können zwar bestehen, doch eine signifikante Unterschreitung dieser Schlafstadien-Anteile ist mittel- bis langfristig mit einem nicht erholsamen Schlaf und unzureichender Schlafqualität verknüpft. Dies kann zu Folgeerkrankungen wie Adipositas, Typ 2 Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Depressionen führen[5]. In Anbetracht der komplexen Wechselwirkungen zwischen Schlafstadien, individuellen Schlafbedürfnissen und äußeren Einflussfaktoren empfiehlt es sich, eine gezielte, auf den individuellen Zustand abgestimmte Herangehensweise zur Förderung einer gesunden Schlafqualität zu verfolgen. Hierbei erweist sich insbesondere die strikte Einhaltung der bewährten Schlafhygiene-Prinzipien (siehe auch Blogbeitrag vom 19.03.2019) von essentieller Bedeutung.

Wie lässt sich die Schlafqualität am einfachsten verifizieren?

Der Einblick in die eigene Schlafarchitektur legt die Basis zur Optimierung der Schlafqualität. Hierbei gilt die Polysomnographie (Schlaflaboruntersuchung) als Goldstandard zur präzisen Analyse der individuellen Schlafstadien und -phasen. Im Schlaflabor werden umfassende elektrophysiologische Messungen durchgeführt, wie die Aufzeichnung von Gehirnaktivität (EEG), Augenbewegungen (EOG) und Muskelspannung (EMG). Dieser Ansatz erlaubt eine detaillierte Charakterisierung der Schlafarchitektur und bietet eine unvergleichliche Genauigkeit in der Unterscheidung zwischen NREM-Stadien, REM-Schlaf und Wachzuständen[6]. Die Polysomnographie weist allerdings auch Limitationen auf. Der zeitliche Aufwand für Vorbereitung, Durchführung und Auswertung sowie die Kosten können erhebliche Hemmnisse darstellen. Häufig weichen die Ergebnisse aufgrund der begrenzten Dauer und des ungewohnten Umfelds des Schlaflabors (sogenannter First-Night-Effect) von den normalen Schlafgewohnheiten im heimischen Schlafzimmer ab. Die Tatsache, dass die meisten Untersuchungen nur auf eine einzelne Nacht beschränkt sind, verhindert die Erfassung statistisch signifikanter Daten und verzerrt die Repräsentativität der Ergebnisse.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen und eine praktikable Alternative zu bieten, liegt die Lösung zunehmend in der Home-Diagnostik des eigenen Schlafs. Hierbei kommen Technologien wie Apps, Smartwatches, Fitnesstracker oder spezialisierte Schlafsensortrackinggeräte zum Einsatz. Besonders hervorzuheben ist dabei der „Sleep Analyzer“ von Withings, welcher eine bemerkenswerte Genauigkeit in der Erkennung unterschiedlicher Schlafphasen ermöglicht. Platziert unterhalb der Bettmatratze, nutzt diese Schlafsensormatte präzise Sensoren zur Erfassung von Atemfrequenz, Körperbewegungen und Herzschlag. Die gewonnenen Daten werden anschließend durch Algorithmen verarbeitet, welche eine detaillierte Analyse der individuellen Schlafmuster erlauben. Diese Technologie hilft bei der permanenten Überwachung der nächtlichen Erholung und liefert gleichzeitig eine fundierte Analyse der eigenen Schlafqualität[7]. Der körperferne Einsatz im heimischen Schlafzimmer stellt zudem eine authentische Erfassung des Schlafs sicher, ohne die Schlafgewohnheiten durch das Schlaftracking zu verfälschen.

Tiefschlaf und REM-Schlaf sind entscheidend

Die sorgfältige Analyse der Schlafstadien-Verteilung stellt einen maßgeblichen Faktor für die Bewertung und Optimierung der Schlafqualität dar. Von der grundlegenden Rolle des Tiefschlafs für körperliche Erholung bis zur Bedeutung des REM-Schlafs für kognitive Funktionen – die Schlafarchitektur beeinflusst fundamental das Wohlbefinden. Traditionelle Schlaflaboruntersuchungen bieten zwar präzise Einblicke, jedoch sind sie zeitintensiv, teuer und liefern häufig nicht vollständig repräsentative Daten. Die Home-Diagnostik löst dieses Problem, da sie eine unkomplizierte und authentische Überwachung der Schlafqualität ermöglicht. Sie realisiert nicht nur eine kontinuierliche und präzise Erfassung individueller Schlafmuster im vertrauten heimischen Umfeld, sondern eröffnet gleichzeitig neue Wege zur Förderung eines gesunden Schlafs und somit einer verbesserten Lebensqualität.

 

Anmerkungen:

[1] Scientific American: https://www.scientificamerican.com/article/beyond-memory-the-benefits-of-sleep/

[2] StatPearls Publishing, Bookshelf ID: NBK526132, Sept. 2022: Aakash K. Patel, Vamsi Reddy, Karlie R. Shumway, John F. Araujo: „Physiology, Sleep Stages

[3] International Journal of Environmental Research and Public Health, Volume 18, Ausgabe 24, Dez. 2021: 12976: Giuseppe Barbato: „REM Sleep: An Unknown Indicator of Sleep Quality

[4] Sleep Foundation: https://www.sleepfoundation.org/sleep-hygiene/how-is-sleep-quality-calculated

[5] Current Opinion in Psychiatry, Volume 24, Ausgabe 4, Juli 2011, S. 346-354: Dimitris DikeosGeorgios Georgantopoulos: „Medical comorbidity of sleep disorders

[6] Handbook of Clinical Neurology, Volume 160, 2019, S. 381-392: Jessica Vensel RundoRalph Downey 3rd: „Polysomnography

[7] Journal of Clinical Sleep Medicine, Volume 17, Ausgabe 6, Juni 2021, S. 1217-1227: Paul EdouardDavid CampoPierre BartetRui-Yi YangMarie BruyneelGabriel RoismanPierre Escourrou: „Validation of the Withings Sleep Analyzer, an under-the-mattress device for the detection of moderate-severe sleep apnea syndrome