Schlafstörungen gehören zu den häufigsten neurologischen Problemen und umfassen ein sehr breites Spektrum sogenannter Parasomnien. Eine dieser Störungen, der Pavor nocturnus (Nachtschreck/Nachtangst), zählt zweifellos zu den verstörendsten Phänomenen, da sie sowohl die Betroffenen selbst als auch ihre Angehörigen erheblich belasten. Der folgende Beitrag beleuchtet die spezifischen Symptome, die möglichen Ursachen sowie wirksame Gegenmaßnahmen zur Bewältigung dieser besonderen Form der Parasomnie.
Symptome der nächtlichen Angst
Die Nachtangst manifestiert sich insbesondere bei Klein- und Schulkindern im Alter zwischen drei und acht Jahren, wobei etwa ein bis sechs Prozent dieser Altersgruppe betroffen sind[1]. In sehr seltenen Fällen wird diese Form der Parasomnie auch bei Erwachsenen beobachtet. Die Episoden des Pavor nocturnus äußern sich typischerweise in Form plötzlicher, intensiver Angstzustände während des Schlafes. Diese gehen oft mit lautem Schreien, unverständlichen Lauten, Wimmern, starkem Schwitzen, erhöhtem Puls und beschleunigter Atmung einher. Die Betroffenen sitzen vielfach aufrecht im Bett, weinen, schlagen unkontrolliert mit den Armen oder Beinen um sich und erkennen weder ihre Bezugspersonen noch ihre Umgebung. Als charakteristisch gilt, dass sich die betroffenen Kinder in einem Zustand zwischen Schlaf und Wachsein befinden und demzufolge nicht vollständig wach sind. Sie sind nicht ansprechbar und reagieren meist nicht auf die Beruhigungsversuche ihrer Eltern. Diese Episoden finden überwiegend in der ersten Nachthälfte statt, mehrheitlich während der Tiefschlafphase, und dauern in der Regel fünf bis fünfzehn Minuten. Am Ende eines Anfalls erfolgt gewöhnlich ein kurzes Erwachen, welches von einer erneuten Einschlafphase abgelöst wird[1].
Eine besondere Herausforderung bei der Diagnose des Nachtschrecks ist die Amnesie der Betroffenen: Nach dem Aufwachen am Morgen können sie sich fast nie an die Episode erinnern, was dieses Phänomen von Albträumen unterscheidet, bei denen oft noch Erinnerungsfragmente vorhanden sind[1]. Während Albträume meistens in der REM-Phase des Schlafes (Schlafphase mit intensiver Gehirnaktivität und schnellen Augenbewegungen) auftreten und mit bewusster Angst einhergehen, sind die Betroffenen des Pavor nocturnus nach einem Anfall nicht zu bewussten Erinnerungen fähig. Eltern wird daher geraten, während der nächtlichen Angst ruhig zu bleiben und nicht zu versuchen, das Kind zu wecken, da dies die Verwirrung und Angst des Kindes potenziell verstärken könnte. Stattdessen sollten sie sicherstellen, dass sich das Kind nicht selbst verletzt und abwarten, bis das Ereignis von selbst endet. Diese behutsame Reaktion hilft, das Kind nicht zusätzlich zu erschrecken, sodass es auf natürliche Weise in den Schlaf zurückfinden kann.
Ursachen und Risikofaktoren des Nachtschrecks
Die genauen Ursachen des Pavor nocturnus sind bislang nicht vollständig geklärt. Dennoch existieren diverse Theorien sowie Risikofaktoren, die mit der Entstehung dieser nächtlichen Schlafstörung in Verbindung gebracht werden. Ein bedeutender Faktor scheint die genetische Disposition zu sein: Studien haben gezeigt, dass Kinder, deren Eltern oder Geschwister ebenfalls unter nächtlichen Ängsten oder ähnlichen Parasomnien (wie Schlafwandeln) leiden, ein erhöhtes Risiko aufweisen, ebenfalls betroffen zu sein[2,3]. Darüber hinaus können Stress und emotionale Belastungen, wie familiäre Konflikte oder schulische Herausforderungen, die Wahrscheinlichkeit von Nachtschreck-Episoden erhöhen. Auch Schlafmangel, Stress und ein unregelmäßiger Schlaf-Wach-Rhythmus können eine wesentliche Rolle spielen, da sie die Stabilität des Schlafzyklus stören und das Risiko für das Auftreten von Pavor nocturnus steigern können[4].
Als weitere potenzielle Auslöser sind physiologische Faktoren wie Fieber oder Erkrankungen zu nennen, welche den Schlaf beeinträchtigen. In einigen Fällen wird der Nachtschreck durch die Einnahme von Medikamenten, insbesondere solchen, die das zentrale Nervensystem beeinflussen, begünstigt. Des Weiteren gibt es Hinweise darauf, dass Kinder mit Entwicklungsverzögerungen oder neurologischen Störungen anfälliger für diese Form der Parasomnie sein könnten. Letztlich wird angenommen, dass ein Zusammenwirken genetischer, psychologischer und physiologischer Faktoren für das Auftreten der Nachtangst verantwortlich ist[1].
Gegenmaßnahmen und Behandlungsmöglichkeiten der Nachtangst
Die Bewältigung von Nachtschreck-Episoden erfordert die Schaffung eines sicheren und beruhigenden Umfelds für das betroffene Kind. Eltern oder Bezugspersonen sollten während des Ereignisses ruhig bleiben und darauf achten, dass sich das Kind nicht selbst verletzen kann. Es ist kontraproduktiv, das Kind in diesem Zustand zu wecken, da es nicht ansprechbar ist. Vielmehr sollten die Eltern Ruhe bewahren und abwarten, bis der Anfall von selbst endet. Für die Bezugspersonen ist es ratsam, sich bewusst zu machen, dass der Pavor nocturnus für das betroffene Kind völlig ungefährlich ist und letztlich ein Phänomen ohne Krankheitswert darstellt.
Eine konsequente Schlafhygiene (vgl. Blogbeitrag vom 19.03.2019), die feste Schlafenszeiten sowie einen regelmäßigen Schlaf-Wach-Rhythmus umfasst, kann präventiv dazu beitragen, die Häufigkeit von Nachtangst-Episoden zu verringern. Die Etablierung einer Abendroutine, wie etwa das Vorlesen einer Gute-Nacht-Geschichte, erleichtert das Einschlafen und fördert gleichzeitig eine entspannte Schlafumgebung. Es ist empfehlenswert, Aktivitäten zu vermeiden, die zu einer Überstimulation des Kindes führen könnten. Im Rahmen präventiver Maßnahmen ist es sinnvoll, potenziell stressreiche Situationen zu identifizieren und zu minimieren, um die emotionale Belastung des Kindes zu reduzieren. In seltenen Fällen kann auch eine psychologische Beratung indiziert sein, insbesondere bei einer dominierenden Rolle emotionaler oder psychologischer Faktoren.
Eine medikamentöse Behandlung ist lediglich in absoluten Ausnahmefällen erforderlich. Sollten präventive Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg zeigen und der Nachtschreck häufig und schwerwiegend auftreten oder mit funktionellen Beeinträchtigungen wie Tagesschläfrigkeit und Angststörungen einhergehen, kann die kurzfristige Einnahme von Clonazepam vor dem Schlafengehen in Erwägung gezogen werden[1]. Diese Therapieform wird jedoch stets individuell und unter ärztlicher Aufsicht angepasst.
Darüber hinaus kann die sogenannte „Wecktherapie“ eine wirksame Gegenmaßnahme darstellen. Dabei wird das Kind kurz vor dem typischen Zeitpunkt einer Episode sanft geweckt und kurzzeitig aus dem Schlaf geholt. Diese Methode unterbricht den Schlafzyklus und hilft, die Häufigkeit der Anfälle zu minimieren. Langfristig ist es jedoch maßgeblich, dass die Bezugspersonen Geduld und Verständnis aufbringen, da der Pavor nocturnus in den meisten Fällen von selbst abklingt und keine bleibenden Schäden hinterlässt.
Ruhe bewahren: Tipps gegen Nachtangst
Der Pavor nocturnus bezeichnet eine vorübergehende Schlafstörung bei Klein- und Schulkindern, die für Eltern sehr beängstigend sein kann. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass der Nachtschreck für die Kinder harmlos ist und keine langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach sich zieht. Präventive Maßnahmen wie die Schaffung einer angenehmen Schlafumgebung, Stressreduktion vor dem Einschlafen sowie die Einhaltung einer konsequenten Schlafhygiene können erfolgreich zur Bewältigung dieser Schlafstörung beitragen. Gewöhnlich verschwindet die Nachtangst von selbst, ohne dass eine spezifische Therapie erforderlich wäre. Die Bezugspersonen der Betroffenen sollten auf eine Nachtschreck-Episode ruhig und verständnisvoll reagieren.
Anmerkungen:
[1] Current Pediatric Reviews, Volume 16, Ausgabe 3, 2020, S. 176-182: Alexander K. C. Leung, Amy A. M. Leung, Alex H. C. Wong, Kam Lun Hon: „Sleep Terrors: An Updated Review“
[2] JAMA Pediatrics, Volume 169, Ausgabe 7, Juli 2015, S. 653-658: Dominique Petit, Marie-Hélène Pennestri, Jean Paquet, Alex Desautels, Antonio Zadra, Frank Vitaro, Richard E. Tremblay, Michel Boivin, Jacques Montplaisir: „Childhood Sleepwalking and Sleep Terrors: A Longitudinal Study of Prevalence and Familial Aggregation“
[3] Pediatrics, Volume 122, Ausgabe 6, Dez. 2008, e1164-1167: Bich Hong Nguyen, Daniel Pérusse, Jean Paquet, Dominique Petit, Michel Boivin, Richard E. Tremblay, Jacques Montplaisir: „Sleep terrors in children: a prospective study of twins“
[4] Australian & New Zealand Journal of Psychiatry, Volume 33, Ausgabe 5, Okt. 1999, S. 734-739: S. F. Gau, W. T. Soong: „Psychiatric comorbidity of adolescents with sleep terrors or sleepwalking: a case-control study“