Schlafwandeln: Formen, Risiken und Prävention

Schlafwandeln

Schlafwandeln, in der Fachsprache auch als Somnambulismus bezeichnet, gehört zu den sogenannten Parasomnien und manifestiert sich vorwiegend im ersten Drittel des Schlafzyklus. Es handelt sich um eine Schlafstörung, bei der betroffene Personen während des Schlafs komplexe Handlungen ausführen, die von einfachem Aufsetzen im Bett bis hin zu gefährlichen Aktivitäten, wie dem Verlassen des Hauses reichen können. Nachtwandeln wird überwiegend bei Kindern beobachtet, kann jedoch auch bei Erwachsenen vorkommen. Die Ursachen sind vielfältig und reichen von genetischer Veranlagung bis hin zu Stress oder Schlafmangel. Im folgenden Beitrag werden die Prävalenz und Formen des Schlafwandelns beleuchtet, mögliche Gefahren diskutiert und effektive Maßnahmen zur Reduzierung der Störung vorgestellt.

Prävalenz des Schlafwandelns bei Kindern und Erwachsenen

Die Häufigkeit des Schlafwandelns variiert deutlich zwischen den Altersgruppen. Eine im Jahr 2016 veröffentlichte australische Metaanalyse, die Daten aus 51 Einzelstudien mit über 100.000 Kindern und Erwachsenen auswertete, liefert hierzu interessante Erkenntnisse. Demnach tritt Nachtwandeln bei Kindern wesentlich häufiger auf als bei Erwachsenen. Die Prävalenzrate des Schlafwandelns innerhalb der letzten 12 Monate betrug bei Kindern etwa 5 %, während sie bei Erwachsenen mit etwa 1,5 % signifikant niedriger ausfiel. Auffällig ist zudem, dass die Häufigkeit des Schlafwandelns während der Kindheit weitgehend konstant bleibt. In etwa 70 % bis 80 % der Fälle verschwindet die Neigung zum Schlafwandeln bis zur Pubertät. Auch bei Erwachsenen handelt es sich meist nicht um ein andauerndes Phänomen, sondern um vereinzelte Episoden. Insgesamt zeigt die Analyse, dass Schlafwandeln weitaus seltener vorkommt, als gemeinhin angenommen wird.

Formen des Schlafwandelns: Von harmlos bis gefährlich

Schlafwandeln kann in drei Hauptformen auftreten, die sich in ihrem Schweregrad sowie ihren möglichen Gefahren unterscheiden. Die häufigste und zugleich harmloseste Form des Schlafwandelns ist die unvollkommene Variante. Diese beschränkt sich typischerweise auf das Bett: Betroffene setzen sich auf, schauen sich um und murmeln oft unverständliche Worte, ohne dabei das Bett zu verlassen. Da keine weiterführenden Handlungen erfolgen, bleibt diese Variante in der Regel völlig ungefährlich.

Die klinisch voll ausgeprägte Form des Nachtwandelns birgt hingegen ein höheres Risiko. Hier verlassen die betroffenen Personen das Bett und bewegen sich im Raum oder sogar im Haus umher. Sie verrichten dabei teilweise alltägliche, aber auch komplexere Handlungen wie beispielsweise das Öffnen von Türen oder das Umhergehen in anderen Räumen. Infolge dieser unkontrollierten Bewegungen besteht ein vergrößertes Risiko für Verletzungen, sei es durch (Treppen-)Stürze oder Kollisionen mit Gegenständen.

Eine besonders seltene und zugleich sehr bedenkliche Variante stellt der aggressive Verlauf des Schlafwandelns dar. Hierbei können Betroffene unvorhersehbare, teils gewalttätige Handlungen ausführen. Personen, die versuchen zu helfen oder sich zufällig im Weg befinden, könnten dabei verletzt werden. Diese Verlaufsform des Schlafwandelns ist zwar extrem selten, kann jedoch erhebliche Risiken für das Umfeld der betroffenen Person mit sich bringen.

Gefahrenpotenzial des Schlafwandelns

Obwohl Schlafwandeln oft als gefährlich angesehen wird, bleibt es in den meisten Fällen für die Betroffenen relativ harmlos. Die sprichwörtliche “schlafwandlerische Sicherheit” beschreibt das Phänomen, dass viele Schlafwandler trotz ihrer unkontrollierten Handlungen im Allgemeinen sicher agieren. Während Tätigkeiten wie beispielsweise das Umherlaufen, die Nahrungsaufnahme oder das Geschirrspülen vergleichsweise ungefährlich sind, besteht dennoch ein gewisses Risiko. Die Mehrheit der Schlafwandler erleidet irgendwann leichte Verletzungen wie blaue Flecken oder leichte Schnittwunden. In seltenen Fällen können jedoch auch ernsthaftere Vorfälle beobachtet werden, etwa Treppenstürze oder das versehentliche Fallen vom Balkon oder aus dem Fenster.

Es liegen dokumentierte Fälle von Schlafwandlern vor, die sich Knochenbrüche zugezogen haben. Ferner sind Todesfälle infolge von Stürzen während des Nachtwandelns belegt[1]. Diese Gefahr resultiert in erster Linie aus der eingeschränkten Wahrnehmung von Hindernissen im Raum. Insbesondere ungesicherte Treppen und Fenster bergen ein signifikantes Risiko für Schlafwandler, da diese potenziellen Gefahrenquellen häufig unbewusst übersehen werden.

Die aggressivste und zugleich seltenste Form des Schlafwandelns kann jedoch weitaus schwerwiegendere Konsequenzen haben. Ein Extrembeispiel ist der Fall des Spaniers Antonio Nieto, der im Jahr 2001 im Zustand des Nachtwandelns seine Frau und Schwiegermutter mit einer Axt und einem Hammer tötete. Laut seiner Aussage befand er sich in einem Traum, in dem er sich gegen “aggressive Strauße” verteidigte[2]. Obwohl derartige Vorfälle extrem selten sind, veranschaulichen sie das Gefährdungspotenzial dieser seltenen Verlaufsform. Antonio Nieto wurde nach seiner Tat in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, doch das Ereignis bleibt ein erschreckendes Beispiel dafür, wie unvorhersehbar und gefährlich Schlafwandeln im Extremfall sein kann.

Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass wiederholtes Schlafwandeln die Schlafqualität beeinträchtigen kann, was langfristig negative Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Schlafmangel und gestörter Tiefschlaf können zu Erschöpfung, kognitiven Leistungseinschränkungen und einem erhöhten Risiko für stressbedingte Erkrankungen beitragen.

Effektive Schutzmaßnahmen für Schlafwandler

Um die Gefahren des Nachtwandelns zu minimieren, ist es entscheidend, dass sich Betroffene nicht durch unkontrollierte Bewegungen selbst verletzen können. Eine einfache, aber sehr wirksame Maßnahme besteht in der Verriegelung des Schlafzimmerfensters, sodass dieses sich lediglich kippen, jedoch nicht vollständig öffnen lässt. Der Einsatz eines sogenannten Türalarms kann ebenfalls eine effektive Sicherheitsmaßnahme darstellen. Dieser löst ein lautes akustisches Signal aus, sobald die Schlafzimmertür nachts geöffnet wird. Dadurch wird der Schlafwandler abrupt geweckt und die Episode unterbrochen.

Darüber hinaus empfiehlt es sich, den Schlafraum möglichst im Erdgeschoss zu wählen, um das Sturzrisiko zu reduzieren. Scharfe Gegenstände oder Waffen sollten weder im Schlafzimmer noch in angrenzenden Räumen aufbewahrt werden. Sofern sich im Haushalt Waffen befinden, müssen sie sicher verschlossen und für den Betroffenen unzugänglich sein. In Fällen, in denen der Schlafwandler den Schlaf seines Bettpartners stört oder potenziell gewalttätig agiert, stellen getrennte Schlafräume die einzige sinnvolle Lösung dar.

Präventive Maßnahmen gegen die Auslöser des Schlafwandelns

Neben der Minimierung der Risiken des Nachtwandelns ist es ebenso wichtig, mögliche Auslöser zu identifizieren und durch gezielte Maßnahmen zu begrenzen. Schlafwandelepisoden treten häufig in Phasen auf, in denen die Schlafqualität durch externe oder interne Faktoren beeinträchtigt ist. Als wesentlicher Auslöser gilt akuter oder chronischer Stress, der sich negativ auf die Schlafarchitektur auswirkt und das Risiko für schlafbezogene Störungen vergrößert[3]. Daher empfiehlt es sich, Techniken zur Stressbewältigung in den Alltag zu integrieren. Hierzu zählen regelmäßige Entspannungsübungen wie Meditation, autogenes Training, Yoga oder Atemtechniken, die das Einschlafen erleichtern und gleichzeitig die Schlafqualität verbessern.

Auch Schlafmangel und unregelmäßige Schlafgewohnheiten gelten als signifikante Trigger für das Schlafwandeln[3]. Ein konsistenter Schlaf-Wach-Rhythmus, der ausreichend Zeit für erholsamen Schlaf bietet, hilft das Risiko zu vermindern. Personen, die wiederholt unter Schlafentzug leiden, sollten daher versuchen, ihre Schlafzeiten zu stabilisieren und gegebenenfalls bestehende Schlafdefizite durch einen kurzen Mittagsschlaf auszugleichen.

Darüber hinaus spielen der Konsum von Alkohol und bestimmten Medikamenten eine wichtige Rolle. Es besteht der Verdacht, dass Schlafmittel wie Zolpidem oder Arzneistoffe wie Natriumoxybat (Handelsname Xyrem) das Auftreten des Nachtwandelns begünstigen[4]. Sofern derartige Medikamente Teil der täglichen Behandlung sind, ist es ratsam, diese in enger Absprache mit einem Facharzt zu überprüfen und gegebenenfalls alternative Therapien in Erwägung zu ziehen. Auch nächtliche Atemstörungen, wie sie für das Schlafapnoesyndrom typisch sind, werden als potenzielle Auslöser des Schlafwandelns diskutiert[3]. Eine erfolgreiche Behandlung der Atmungsstörung, etwa durch den Einsatz der nächtlichen Überdruckbeatmung (CPAP-Therapie), wird in den meisten Fällen dazu beitragen, die Häufigkeit der Episoden zu verringern.

Prävention und Risikominimierung – zentrale Schritte gegen Schlafwandeln

Die Ursachen des Schlafwandelns sind bis heute nicht vollständig geklärt, sodass es keine gezielte Therapie zur Behandlung dieser komplexen Schlafstörung gibt. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, potenzielle Risiken für Betroffene und deren Umfeld zu minimieren. In diesem Zusammenhang sollten präventive Ansätze ebenso in Erwägung gezogen werden wie die Etablierung von Sicherheitsvorkehrungen im häuslichen Umfeld. Durch vorbeugende Maßnahmen, wie beispielsweise die Reduktion von Stress, die Stabilisierung der Schlafgewohnheiten sowie die ärztliche Überprüfung medikamentöser Behandlungen, lassen sich zahlreiche Auslöser des Nachtwandelns erfolgreich kontrollieren. Eine frühzeitige Erkennung und Intervention sind der Schlüssel, um potenzielle Gefahren zu vermindern und die Schlafqualität nachhaltig zu erhöhen.

 

Anmerkungen:

[1] CNA: https://www.channelnewsasia.com/singapore/woman-sleepwalking-fall-death-toilet-window-coroner-inquiry-ruth-dalumpines-dulfo-2681046

[2] Ranker Inc.: https://www.ranker.com/list/sleepwalkers-who-killed/christopher-shultz

[3] Mayo Clinic: https://www.mayoclinic.org/diseases-conditions/sleepwalking/symptoms-causes/syc-20353506

[4] Sleep Medicine Reviews, Volume 37, Feb. 2018, S. 105-113: Helen M. Stallman, Mark Kohler, Jason White: „Medication induced sleepwalking: A systematic review“