Die öffentliche Wahrnehmung der Schlafapnoe als Volkskrankheit ist nahezu ausschließlich auf die Symptome und die mit ihr verbundenen gesundheitlichen Konsequenzen fokussiert. In der wissenschaftlichen Literatur sowie in öffentlichen Diskussionen stehen die unmittelbaren medizinischen Risiken, wie beispielsweise Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck oder Diabetes Typ 2, im Vordergrund. Die sozioökonomischen Folgen der Schlafapnoe werden hingegen nur sehr selten betrachtet, obwohl sie von erheblicher Bedeutung sind. Die Auswirkungen der Schlafapnoe erstrecken sich nicht nur auf das Wohlbefinden und die Lebensqualität der Betroffenen, sondern zeigen sich auch in tiefgreifender Weise im sozialen Umfeld und in der Wirtschaft. Im Folgenden werden die Auswirkungen von Schlafapnoe auf das sozioökonomische Umfeld untersucht. Dabei werden sowohl die sozialen als auch die ökonomischen Konsequenzen dieser weit verbreiteten Schlafstörung beleuchtet.
Dänische Studie analysierte sozioökonomische Folgen der Schlafapnoe
Die ökonomischen Auswirkungen der Schlafapnoe sind bedeutsam, wie eine kontrollierte nationale Studie aus Dänemark, die Mitte 2011 in der Fachzeitschrift „Thorax“ veröffentlicht wurde, eindrucksvoll belegt. Die vorliegende Studie hatte zum Ziel, die direkten und indirekten Kosten von schlafbezogenen Atmungsstörungen sowie deren Behandlung zu analysieren. Die Studienautoren nutzten Daten aus dem dänischen Nationalen Patientenregister, um 19.438 Patienten mit der Diagnose Schlafapnoe im Zeitraum von 1998 bis 2006 zu identifizieren. Für jede dieser Personen wurden nach dem Zufallsprinzip vier alters-, geschlechts- und sozioökonomisch vergleichbare Kontrollpersonen aus dem dänischen Einwohnermeldesystem ausgewählt, was eine umfassende Vergleichsanalyse ermöglichte. Die direkten Kosten wurden aus Quellen wie dem dänischen Gesundheitsministerium und der dänischen Arzneimittelbehörde extrahiert, während die indirekten Kosten auf Daten der kohärenten Sozialstatistik basierten.
Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass Patienten mit Schlafapnoe signifikant häufiger ihren Arzt aufsuchten und deutlich mehr Medikamente einnahmen. Zudem waren sie vermehrt von Arbeitslosigkeit betroffen, was zu erhöhten sozioökonomischen Kosten führte, insbesondere in Form von indirekten Kosten. Diese Auswirkungen nahmen mit dem Schweregrad der Schlafapnoe zu, wobei Patienten mit der schwersten Form, dem Obesitas-Hypoventilations-Syndrom (OHS), die niedrigsten Beschäftigungsraten aufwiesen. Die Beschäftigungsquote bei Schlafapnoikern lag mehr als 30 Prozent unter der der Kontrollgruppe. Das Einkommensniveau von erwerbstätigen Patienten mit Schlafapnoe und OHS war ebenfalls niedriger als das ihrer gesunden Kontrollpersonen. Patienten mit schlafbezogenen Atmungsstörungen verursachten im Vergleich zur Kontrollgruppe zwei- bis dreimal höhere Medikamenten- und Krankenhauskosten. Des Weiteren beliefen sich ihre gesamten Gesundheitskosten auf mehr als das Doppelte.
Die jährlichen zusätzlichen Gesamtkosten (direkte und indirekte) für Patienten mit Schlafapnoe bezifferten sich auf etwa 3.860 Euro. Für Patienten mit OHS ergaben sich sogar jährliche Zusatzkosten von 11.320 Euro. Darüber hinaus erhielten Patienten mit Schlafapnoe und OHS erhebliche zusätzliche soziale Transferleistungen (jährlich 879 Euro bzw. 3.263 Euro), was die sozioökonomische Belastung weiter verstärkte. Die sozioökonomischen Konsequenzen waren bis zu acht Jahre vor der Erstdiagnose bei den Patienten nachweisbar und manifestierten sich mit dem Fortschreiten der Erkrankung.
Indirekte Kosten der Schlafapnoe werden unterschätzt
Bei Schlafapnoikern lässt sich eine gesteigerte Tagesschläfrigkeit sowie eine Beeinträchtigung der Konzentrationsfähigkeit beobachten, was sich erheblich auf ihre Arbeitsleistung auswirkt. In einer im Jahr 2018 veröffentlichten Querschnittsstudie an 777 Studierenden wurde festgestellt, dass ein hohes Risiko für obstruktive Schlafapnoe mit einem 2,4-fach erhöhten Risiko für schlechte akademische Leistungen verbunden war[1]. Weiterhin zeigten Schlafapnoiker mit Tagesschläfrigkeit eine niedrigere Produktivität und erlernten neue Aufgaben langsamer als Gesunde[2].
Darüber hinaus sind Schlafapnoiker häufiger krank und frühverrentet, was zu höheren Arbeitsausfällen führt. Gemäß einer im Jahr 2016 veröffentlichten Studie des RAND Instituts belaufen sich die jährlichen Produktivitätsausfälle in der deutschen Wirtschaft auf etwa 60 Milliarden US-Dollar. Zudem werden circa 209.000 zusätzliche Fehltage am Arbeitsplatz infolge von Schlafstörungen verzeichnet. Arbeitnehmer, die unter den Symptomen der Schlafapnoe leiden, weisen im Vergleich zu ihren ausgeschlafenen Kollegen ein mehr als doppelt so hohes Risiko für eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit auf[3].
Neben der Produktivität ist jedoch auch die Arbeitssicherheit betroffen. Im Jahr 2022 wurde eine Metastudie veröffentlicht, welche die Daten von 15 Einzelstudien mit insgesamt 21.507 Teilnehmern auswertete. Die Datenanalyse ergab, dass Arbeitnehmer, die von Schlafapnoe betroffen waren, im Vergleich zu ihren gesunden Kollegen eine etwa 1,6-fach erhöhte Wahrscheinlichkeit aufwiesen, in Arbeitsunfälle involviert zu sein[4]. Gemäß den Daten der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) gaben etwa zwei Drittel der Arbeitnehmer mit Schlafapnoe an, Schwierigkeiten bei der Arbeitsausführung zu haben, und circa 10 Prozent berichteten von mindestens einem arbeitsbedingten Unfall infolge von Schläfrigkeit[5].
Auswirkungen der Schlafapnoe auf Lebensqualität und Sozialleben
Die Schlafapnoe beeinträchtigt die Lebensqualität der Betroffenen erheblich, da die unzureichende nächtliche Regeneration zu chronischer Müdigkeit und starker Tagesschläfrigkeit führt. Diese Erschöpfung hat weitreichende psychosoziale Konsequenzen, einschließlich einer deutlichen Abnahme der Stimmung, gesteigerter Angst und häufigen kognitiven Störungen, die das soziale Leben stark einschränken können[6]. Des Weiteren vermindert sich das Engagement in sozialen Aktivitäten und Freizeitbeschäftigungen, da die Betroffenen oft zu erschöpft sind, um aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Zahlreiche Schlafapnoe Patienten berichten zudem über leichte Reizbarkeit und Stimmungsschwankungen. In der Folge wird es für die Erkrankten zunehmend schwieriger, Beziehungen aufrechtzuerhalten, was letztlich zu einer sozialen Isolation beitragen kann.
Partnerschaften und Familienleben sind regelmäßig betroffen, da das laute Schnarchen des Apnoikers auch den Schlaf des Partners stört. Bettpartner wählen aus Verzweiflung separate Schlafzimmer, um selbst ausreichend Schlaf zu finden. Schätzungen zufolge kann ein stark schnarchender Partner im Verlauf von 24 Jahren einen Schlafverlust von fast zwei Jahren verursachen. Die nächtliche Lärmbelästigung verschlechtert somit nicht nur die Gesundheit des Betroffenen, sondern auch die Lebensqualität des Partners und vergrößert Spannungen in der Beziehung sowie die Häufigkeit von Streitigkeiten.
Die Schlafapnoe wirkt sich zusätzlich negativ auf das Sexualleben der Betroffenen aus. Chronische Schlafstörungen gehen mit einem Rückgang der Libido in beiden Geschlechtern einher und können bei Männern zu Erektionsstörungen bis hin zur Impotenz führen (vgl. Blogbeitrag vom 25.01.2022). Die sexuellen Dysfunktionen stellen eine weitere Beeinträchtigung für die Beziehung dar und verstärken die psychosozialen Herausforderungen, denen sich Menschen mit Schlafapnoe gegenübersehen.
Psychosoziale Belastungen durch Schlafapnoe
Die nächtlichen Atemstörungen der Schlafapnoe beeinträchtigen die Erholsamkeit des Schlafs in erheblichem Maße, was die Resilienz der Erkrankten signifikant verringert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Schlafapnoiker eine hohe Prävalenz von Depressionen und Angststörungen aufweisen. Durch die ständige Erschöpfung und die gestörte Schlafarchitektur kommt es zu einer außerordentlichen Abnahme der psychischen Belastbarkeit. Die verminderte Resilienz macht die Betroffenen anfälliger für stressbedingte Erkrankungen und erschwert die Bewältigung alltäglicher Herausforderungen.
Chronischer Schlafmangel und die damit einhergehende Erschöpfung führen zu einer negativen Spirale, in der die psychischen und emotionalen Ressourcen kontinuierlich abnehmen. Dies begünstigt die Entwicklung von Depressionen, die sich in anhaltender Niedergeschlagenheit, Hoffnungslosigkeit und einem Verlust an Freude und Interesse an zuvor geschätzten Aktivitäten manifestieren können (vgl. Blogbeitrag vom 30.12.2019). Auch Angststörungen treten vielfach auf, wobei Schlafapnoiker vermehrt über ständige Besorgnis und Panikattacken berichten (vgl. Blogbeitrag vom 27.11.2023). Psychische Erkrankungen können die soziale Isolation weiter vergrößern, da sich die Betroffenen zunehmend zurückziehen und weniger an sozialen Interaktionen teilnehmen.
Auch für die Angehörigen, insbesondere den Partner des Erkrankten, stellt dies ebenfalls eine unverkennbare Belastung dar. Die Sorge um das psychische und physische Wohl des Betroffenen lässt den emotionalen Leidensdruck ansteigen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass auch der Schlaf des Partners durch das laute Schnarchen des Apnoikers beträchtlich gestört wird, was eigene gesundheitliche Probleme nach sich ziehen kann. Die genannten Herausforderungen können in einer chronischen Stressbelastung resultieren, was wiederum das Risiko für die Entwicklung eigener psychischer Gesundheitsstörungen steigert.
Rechtzeitige Diagnose und Behandlung sind entscheidend
Die Schlafapnoe ist nicht nur mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Komplikationen assoziiert, sondern geht auch mit großen sozioökonomischen Aufwendungen einher. Sie verschlechtert die Schlafqualität, verringert die Resilienz und fördert die Entwicklung von Depressionen und Angststörungen. Betroffene sind häufiger arbeitslos, weniger produktiv und weisen ein überdurchschnittliches Risiko für Arbeitsunfälle auf, was hohe direkte und indirekte Kosten verursacht. Auch das soziale Umfeld ist von den Krankheitsfolgen betroffen, da Partnerschaften und Familienleben belastet werden. Die Erkrankten sind aufgrund ihrer ständigen Müdigkeit nicht mehr im gewohnten Umfang in der Lage, an sozialen Interaktionen teilzunehmen. Daher sind eine frühzeitige Erkennung und Therapie essenziell, um die sozialen und ökonomischen Folgen für die Betroffenen und die Gesellschaft zu minimieren.
Anmerkungen:
[1] Sleep and Breathing, Volume 22, Ausgabe 3, Sept. 2018, S. 831-836: Basheer Y. Khassawneh, Loiy L. Alkhatib, Ali M. Ibnian, Yousef S. Khader: „The association of snoring and risk of obstructive sleep apnea with poor academic performance among university students“
[2] Sleep and Breathing, Volume 19, Ausgabe 1, Mrz. 2015, S. 35-44: Ottavia Guglielmi, Bernabé Jurado-Gámez, Francisco Gude, Gualberto Buela-Casal: „Occupational health of patients with obstructive sleep apnea syndrome: a systematic review“
[3] European Respiratory Journal, Volume 32, Ausgabe 6, Dez. 2008, S. 1497-1503: B. Sivertsen, S. Overland, N. Glozier, B. Bjorvatn, J. G. Maeland, A. Mykletun: „The effect of OSAS on sick leave and work disability“
[4] Journal of Sleep Research, Volume 31, Ausgabe 1, Feb. 2022, e13446: Kun-Ta Chou, Yu-Lun Tsai, Wan-Yu Yeh, Yuh-Min Chen, Nicole Huang, Hao-Min Cheng: „Risk of work-related injury in workers with obstructive sleep apnea: A systematic review and meta-analysis“
[5] DGSM: https://www.dgsm.de/fileadmin/aktionstag/2018/Aktionstag_Schlaf_2018_Pressemappe.pdf
[6] Sleep, Volume 24, Ausgabe 1, Feb. 2001, S. 96-105: C. M. Baldwin, K. A. Griffith, F. J. Nieto, G. T. O’Connor, J. A. Walsleben, S. Redline: „The association of sleep-disordered breathing and sleep symptoms with quality of life in the Sleep Heart Health Study“